Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

keiten aus dem unbekannten Jenseits mit herüberbrachte,
sondern nur klares, beglückendes Sonnenlicht."

Der Freund entgegnet: "Wahr! aber bey dem klaren
Sonnenlicht, welches der Gottmensch aus dem unbekann-
ten Jenseits herübergebracht hat und welches nichts anders
heißen kann, als das Evangelium von der vollendeten Er-
lösung, das denn den Gläubigen zu ihrem Trost genügen
kann, offenbart sich erst mancher dunkle Punkt und zwar
in der Offenbarung selbst, welche darum von den Ungläubi-
gen verworfen wird, so daß man endlich vor dem klaren
beglückenden Sonnenlicht die Augen verschließt.

Die Geschichte des Todes und der Auferstehung Jesu ist
sogar reich an Sonderbarkeiten und muß es wohl seyn,
weil sie das Wunder aller Wunder in sich faßt. Diese zu
erklären und durch die Erklärung zu bestätigen, trägt dann
die Wissenschaft der Erfahrungen aus der Geisterwelt mehr
bey, als alle logische Constructionen der Schultheologie.
Zum Beweis dient, daß die, welche Erfahrungen anneh-
men, an das Sonnenlicht des Evangeliums glauben, die
sie aber verwerfen, es entweder nur halb oder gar
nicht haben wollen
."

Der Denkgläubige sagt: "Es ist traurig, daß die Ge-
schichte in Orlach dem Aberglauben des Landvolks so sehr
zur Nahrung dient und sich wie eine ansteckende Krankheit
verbreitet."

Der Freund sagt: "Hier haben die Seelenhirten einzu-
schreiten und die Sache dem Landvolk nicht auszureden,
da sie wahr ist, sondern nach der Wahrheit und für zweck-
mäßige Anwendung zurechtzulegen, eben damit auch dem
Aberglauben zu steuern, welcher ist eine Mißgestalt und
ein Mißbrauch des Glaubens."

"Hiezu gehört aber, daß die Seelenhirten sich nicht zu
denen gesellen, welche die Sache auf sich beruhen lassen,
sondern welche sich gründlich prüfen, in allen Richtungen
beleuchten und das Reine von dem Unreinen ohne Vorur-
theil zu scheiden suchen. Dadurch können sie auch "Au-

keiten aus dem unbekannten Jenſeits mit herüberbrachte,
ſondern nur klares, beglückendes Sonnenlicht.“

Der Freund entgegnet: „Wahr! aber bey dem klaren
Sonnenlicht, welches der Gottmenſch aus dem unbekann-
ten Jenſeits herübergebracht hat und welches nichts anders
heißen kann, als das Evangelium von der vollendeten Er-
loͤſung, das denn den Gläubigen zu ihrem Troſt genügen
kann, offenbart ſich erſt mancher dunkle Punkt und zwar
in der Offenbarung ſelbſt, welche darum von den Ungläubi-
gen verworfen wird, ſo daß man endlich vor dem klaren
beglückenden Sonnenlicht die Augen verſchließt.

Die Geſchichte des Todes und der Auferſtehung Jeſu iſt
ſogar reich an Sonderbarkeiten und muß es wohl ſeyn,
weil ſie das Wunder aller Wunder in ſich faßt. Dieſe zu
erklären und durch die Erklärung zu beſtätigen, trägt dann
die Wiſſenſchaft der Erfahrungen aus der Geiſterwelt mehr
bey, als alle logiſche Conſtructionen der Schultheologie.
Zum Beweis dient, daß die, welche Erfahrungen anneh-
men, an das Sonnenlicht des Evangeliums glauben, die
ſie aber verwerfen, es entweder nur halb oder gar
nicht haben wollen
.“

Der Denkgläubige ſagt: „Es iſt traurig, daß die Ge-
ſchichte in Orlach dem Aberglauben des Landvolks ſo ſehr
zur Nahrung dient und ſich wie eine anſteckende Krankheit
verbreitet.“

Der Freund ſagt: „Hier haben die Seelenhirten einzu-
ſchreiten und die Sache dem Landvolk nicht auszureden,
da ſie wahr iſt, ſondern nach der Wahrheit und für zweck-
mäßige Anwendung zurechtzulegen, eben damit auch dem
Aberglauben zu ſteuern, welcher iſt eine Mißgeſtalt und
ein Mißbrauch des Glaubens.“

„Hiezu gehört aber, daß die Seelenhirten ſich nicht zu
denen geſellen, welche die Sache auf ſich beruhen laſſen,
ſondern welche ſich gründlich prüfen, in allen Richtungen
beleuchten und das Reine von dem Unreinen ohne Vorur-
theil zu ſcheiden ſuchen. Dadurch können ſie auch „Au-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0071" n="57"/>
keiten aus dem unbekannten Jen&#x017F;eits mit herüberbrachte,<lb/>
&#x017F;ondern nur klares, beglückendes Sonnenlicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Freund entgegnet: &#x201E;Wahr! aber bey dem klaren<lb/>
Sonnenlicht, welches der Gottmen&#x017F;ch aus dem unbekann-<lb/>
ten Jen&#x017F;eits herübergebracht hat und welches nichts anders<lb/>
heißen kann, als das Evangelium von der vollendeten Er-<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;ung, das denn den Gläubigen zu ihrem Tro&#x017F;t genügen<lb/>
kann, offenbart &#x017F;ich er&#x017F;t mancher dunkle Punkt und zwar<lb/>
in der Offenbarung &#x017F;elb&#x017F;t, welche darum von den Ungläubi-<lb/>
gen verworfen wird, &#x017F;o daß man endlich vor dem klaren<lb/>
beglückenden Sonnenlicht die Augen ver&#x017F;chließt.</p><lb/>
        <p>Die Ge&#x017F;chichte des Todes und der Aufer&#x017F;tehung Je&#x017F;u i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ogar reich an Sonderbarkeiten und muß es wohl &#x017F;eyn,<lb/>
weil &#x017F;ie das Wunder aller Wunder in &#x017F;ich faßt. Die&#x017F;e zu<lb/>
erklären und durch die Erklärung zu be&#x017F;tätigen, trägt dann<lb/>
die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft der Erfahrungen aus der Gei&#x017F;terwelt mehr<lb/>
bey, als alle logi&#x017F;che Con&#x017F;tructionen der Schultheologie.<lb/>
Zum Beweis dient, daß die, welche Erfahrungen anneh-<lb/>
men, an das Sonnenlicht des Evangeliums glauben, die<lb/>
&#x017F;ie aber verwerfen, <hi rendition="#g">es entweder nur halb oder gar<lb/>
nicht haben wollen</hi>.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Denkgläubige &#x017F;agt: &#x201E;Es i&#x017F;t traurig, daß die Ge-<lb/>
&#x017F;chichte in <hi rendition="#g">Orlach</hi> dem Aberglauben des Landvolks &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
zur Nahrung dient und &#x017F;ich wie eine an&#x017F;teckende Krankheit<lb/>
verbreitet.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Freund &#x017F;agt: &#x201E;Hier haben die Seelenhirten einzu-<lb/>
&#x017F;chreiten und die Sache dem Landvolk nicht auszureden,<lb/>
da &#x017F;ie wahr i&#x017F;t, &#x017F;ondern nach der Wahrheit und für zweck-<lb/>
mäßige Anwendung zurechtzulegen, eben damit auch dem<lb/>
Aberglauben zu &#x017F;teuern, welcher i&#x017F;t eine Mißge&#x017F;talt und<lb/>
ein Mißbrauch des Glaubens.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hiezu gehört aber, daß die Seelenhirten &#x017F;ich nicht zu<lb/>
denen ge&#x017F;ellen, welche die Sache auf &#x017F;ich beruhen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ondern welche &#x017F;ich gründlich prüfen, in allen Richtungen<lb/>
beleuchten und das Reine von dem Unreinen ohne Vorur-<lb/>
theil zu &#x017F;cheiden &#x017F;uchen. Dadurch können &#x017F;ie auch &#x201E;Au-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0071] keiten aus dem unbekannten Jenſeits mit herüberbrachte, ſondern nur klares, beglückendes Sonnenlicht.“ Der Freund entgegnet: „Wahr! aber bey dem klaren Sonnenlicht, welches der Gottmenſch aus dem unbekann- ten Jenſeits herübergebracht hat und welches nichts anders heißen kann, als das Evangelium von der vollendeten Er- loͤſung, das denn den Gläubigen zu ihrem Troſt genügen kann, offenbart ſich erſt mancher dunkle Punkt und zwar in der Offenbarung ſelbſt, welche darum von den Ungläubi- gen verworfen wird, ſo daß man endlich vor dem klaren beglückenden Sonnenlicht die Augen verſchließt. Die Geſchichte des Todes und der Auferſtehung Jeſu iſt ſogar reich an Sonderbarkeiten und muß es wohl ſeyn, weil ſie das Wunder aller Wunder in ſich faßt. Dieſe zu erklären und durch die Erklärung zu beſtätigen, trägt dann die Wiſſenſchaft der Erfahrungen aus der Geiſterwelt mehr bey, als alle logiſche Conſtructionen der Schultheologie. Zum Beweis dient, daß die, welche Erfahrungen anneh- men, an das Sonnenlicht des Evangeliums glauben, die ſie aber verwerfen, es entweder nur halb oder gar nicht haben wollen.“ Der Denkgläubige ſagt: „Es iſt traurig, daß die Ge- ſchichte in Orlach dem Aberglauben des Landvolks ſo ſehr zur Nahrung dient und ſich wie eine anſteckende Krankheit verbreitet.“ Der Freund ſagt: „Hier haben die Seelenhirten einzu- ſchreiten und die Sache dem Landvolk nicht auszureden, da ſie wahr iſt, ſondern nach der Wahrheit und für zweck- mäßige Anwendung zurechtzulegen, eben damit auch dem Aberglauben zu ſteuern, welcher iſt eine Mißgeſtalt und ein Mißbrauch des Glaubens.“ „Hiezu gehört aber, daß die Seelenhirten ſich nicht zu denen geſellen, welche die Sache auf ſich beruhen laſſen, ſondern welche ſich gründlich prüfen, in allen Richtungen beleuchten und das Reine von dem Unreinen ohne Vorur- theil zu ſcheiden ſuchen. Dadurch können ſie auch „Au-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/71
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/71>, abgerufen am 27.11.2024.