lich in der Art, wie ein Geist sich daselbst in seinem eigen- thümlichen Hades-Raum aufhalten, bewegen und daraus hervortreten kann; sondern daß nach 1. Petri 3, 19--20 die Seelen der Unglaubigen vor der Sündfluth von da bis zur Höllenfahrt und Auferstehung des Herrn in den Ge- fängnissen des Hades zubringen mußten, welches einen un- gefähren Zeitraum von 2400 Jahren macht. Bey ihnen hätte also das "rastlose Fortschreiten" gute Weile gehabt. Und doch schritten sie fort; denn sonst könnte sie Christus nicht aus ihrem Zustande befreyen. Die Frage, wie sich dergleichen mit der Weisheit Gottes vereinigen lasse, hat seiner Zeit auch Hiob gethan und guten Bescheid darauf erhalten."
Der Denkgläubige meint, es solle so ein Verstorbener, wenn er wieder käme, uns doch auch die Räthsel des Le- bens lösen und uns Kunde bringen von dem Jenseits, in das unser Auge mit so vieler Neugierde blicke. "Das thut er wirklich," antwortet der Freund, "aber nicht nach unserer vorgefaßten Meinung." Auch dieser Denkgläubige ist der Meinung der Geistreichen: es sollten Geister geist- reich seyn und nicht so albern. "Das ist eben unser gro- ßer Irrthum," antwortet der Freund, worüber anderwärts viel gesagt ist.
Der Denkgläubige kann an kein Zwischenreich halbseli- ger und halb unseliger Geister glauben, welches ihm weit ärger wäre, als das Fegfeuer, das doch schneller wirke und einen vernünftigen Zweck habe. In diesem Zwischen- reiche fände keine weitere Vervollkommnung statt, die Gei- ster müßten da noch mehr verdummen, statt, wie er es sich vorstelle, sich vorher zu einem andern Geschlecht entwik- keln u. s. w.
Der Freund entgegnet: "Man möchte wohl wissen, was der Zweifler sich unter dem Fegfeuer nnd bey dessen Unter- schied von dem Zwischenreich und welchen vernünftigen Zweck er sich bey seinem Fegfeuer denkt. Ferner wie geschwind nach seiner Vorstellung die thörichte Mehrzahl der Men-
lich in der Art, wie ein Geiſt ſich daſelbſt in ſeinem eigen- thümlichen Hades-Raum aufhalten, bewegen und daraus hervortreten kann; ſondern daß nach 1. Petri 3, 19—20 die Seelen der Unglaubigen vor der Sündfluth von da bis zur Höllenfahrt und Auferſtehung des Herrn in den Ge- fängniſſen des Hades zubringen mußten, welches einen un- gefähren Zeitraum von 2400 Jahren macht. Bey ihnen hätte alſo das „raſtloſe Fortſchreiten“ gute Weile gehabt. Und doch ſchritten ſie fort; denn ſonſt könnte ſie Chriſtus nicht aus ihrem Zuſtande befreyen. Die Frage, wie ſich dergleichen mit der Weisheit Gottes vereinigen laſſe, hat ſeiner Zeit auch Hiob gethan und guten Beſcheid darauf erhalten.“
Der Denkgläubige meint, es ſolle ſo ein Verſtorbener, wenn er wieder käme, uns doch auch die Räthſel des Le- bens löſen und uns Kunde bringen von dem Jenſeits, in das unſer Auge mit ſo vieler Neugierde blicke. „Das thut er wirklich,“ antwortet der Freund, „aber nicht nach unſerer vorgefaßten Meinung.“ Auch dieſer Denkgläubige iſt der Meinung der Geiſtreichen: es ſollten Geiſter geiſt- reich ſeyn und nicht ſo albern. „Das iſt eben unſer gro- ßer Irrthum,“ antwortet der Freund, worüber anderwärts viel geſagt iſt.
Der Denkgläubige kann an kein Zwiſchenreich halbſeli- ger und halb unſeliger Geiſter glauben, welches ihm weit ärger wäre, als das Fegfeuer, das doch ſchneller wirke und einen vernünftigen Zweck habe. In dieſem Zwiſchen- reiche fände keine weitere Vervollkommnung ſtatt, die Gei- ſter müßten da noch mehr verdummen, ſtatt, wie er es ſich vorſtelle, ſich vorher zu einem andern Geſchlecht entwik- keln u. ſ. w.
Der Freund entgegnet: „Man möchte wohl wiſſen, was der Zweifler ſich unter dem Fegfeuer nnd bey deſſen Unter- ſchied von dem Zwiſchenreich und welchen vernünftigen Zweck er ſich bey ſeinem Fegfeuer denkt. Ferner wie geſchwind nach ſeiner Vorſtellung die thörichte Mehrzahl der Men-
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lich in der Art, wie ein Geiſt ſich daſelbſt in ſeinem eigen-
thümlichen Hades-Raum aufhalten, bewegen und daraus
hervortreten kann; ſondern daß nach 1. Petri 3, 19—20
die Seelen der Unglaubigen vor der Sündfluth von da bis
zur Höllenfahrt und Auferſtehung des Herrn in den Ge-
fängniſſen des Hades zubringen mußten, welches einen un-
gefähren Zeitraum von 2400 Jahren macht. Bey ihnen
hätte alſo das „raſtloſe Fortſchreiten“ gute Weile gehabt.
Und doch ſchritten ſie fort; denn ſonſt könnte ſie Chriſtus
nicht aus ihrem Zuſtande befreyen. Die Frage, wie ſich
dergleichen mit der Weisheit Gottes vereinigen laſſe, hat
ſeiner Zeit auch Hiob gethan und guten Beſcheid darauf
erhalten.“
Der Denkgläubige meint, es ſolle ſo ein Verſtorbener,
wenn er wieder käme, uns doch auch die Räthſel des Le-
bens löſen und uns Kunde bringen von dem Jenſeits, in
das unſer Auge mit ſo vieler Neugierde blicke. „Das thut
er wirklich,“ antwortet der Freund, „aber nicht nach
unſerer vorgefaßten Meinung.“ Auch dieſer Denkgläubige
iſt der Meinung der Geiſtreichen: es ſollten Geiſter geiſt-
reich ſeyn und nicht ſo albern. „Das iſt eben unſer gro-
ßer Irrthum,“ antwortet der Freund, worüber anderwärts
viel geſagt iſt.
Der Denkgläubige kann an kein Zwiſchenreich halbſeli-
ger und halb unſeliger Geiſter glauben, welches ihm weit
ärger wäre, als das Fegfeuer, das doch ſchneller wirke
und einen vernünftigen Zweck habe. In dieſem Zwiſchen-
reiche fände keine weitere Vervollkommnung ſtatt, die Gei-
ſter müßten da noch mehr verdummen, ſtatt, wie er es ſich
vorſtelle, ſich vorher zu einem andern Geſchlecht entwik-
keln u. ſ. w.
Der Freund entgegnet: „Man möchte wohl wiſſen, was
der Zweifler ſich unter dem Fegfeuer nnd bey deſſen Unter-
ſchied von dem Zwiſchenreich und welchen vernünftigen Zweck
er ſich bey ſeinem Fegfeuer denkt. Ferner wie geſchwind
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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/67>, abgerufen am 17.07.2024.
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