Mittags halb zwölf Uhr an diesem Tage war der schwarze Mönch bey ihr schon wieder auf der Wiese. Er hatte einen Ranzen auf dem Rücken und trug in der Hand eine Sense, fing zu mähen an und sagte: "Magdalene! das ist eine Schande vor den Nachbarsleuten, wenn ihr so unsauber mähet. Sage, willst du nicht mit mir handeln? Gibst du mir nicht deine Sense, ich gebe dir da die meinige dafür? Sieh! dann gebe ich dir auch den Ranzen, den ich da auf meinem Rücken habe, der ist voll schöner blanker Thaler, wie du noch keine gesehen. Die geb' ich dir all noch dazu, aber antworten mußt du mir und deinem Alten (dem Vater) darfst du nicht gleich sagen, daß ich da bin, sonst gehe ich sogleich wieder heim."
Auf diese Rede sagte die Tochter sogleich dem Vater, daß der Mönch wieder da sey. Da ging dieser augenblick- lich und rief noch im Gehen höhnisch zurück: "Geh' auch mit mir heim, ich will Messe lesen lassen, daß das Wetter schön bleibt."
Am 6. July Morgens halb drey Uhr rief hinter ihr auf dem Felde die Stimme ihrer Magd: "Magdalene! du sollst schnell auf die Wiese zum Vater kommen! wo gehst du hin? he! antworte!" Als die Tochter umsich sah, sah sie keine Magd, aber ein schwarzes Kalb, das sagte: "Gelt! dießmal hätte ich dich fast gefangen? Mit der Bibel kann mich dein Alter nicht fortschicken, das soll er sich von den Leuten nicht bereden lassen! Was Bibel! Narrheit! die Meß ist besser, ist vornehmer! Komm, Magdalene, mit mir nach Braunsbach, wir wollen Messe lesen lassen, daß das Wetter schön bleibt!"
Am 8. July Morgens fünf Uhr kam er auf den obern Boden zu ihr, gerade als sie das Bett machte und sprach hinter ihr mit der Stimme der Magd des Wirths im Ort: "Guten Morgen Magdalene! mein Herr und meine Frau schicken mich zu dir, du sollest mit nach Braunsbach gehen, sie wollen eine Messe lesen lassen, wie der Mönch gerathen, damit das Wetter schön bleibt, und zwar eine
Mittags halb zwölf Uhr an dieſem Tage war der ſchwarze Mönch bey ihr ſchon wieder auf der Wieſe. Er hatte einen Ranzen auf dem Rücken und trug in der Hand eine Senſe, fing zu mähen an und ſagte: „Magdalene! das iſt eine Schande vor den Nachbarsleuten, wenn ihr ſo unſauber mähet. Sage, willſt du nicht mit mir handeln? Gibſt du mir nicht deine Senſe, ich gebe dir da die meinige dafür? Sieh! dann gebe ich dir auch den Ranzen, den ich da auf meinem Rücken habe, der iſt voll ſchöner blanker Thaler, wie du noch keine geſehen. Die geb’ ich dir all noch dazu, aber antworten mußt du mir und deinem Alten (dem Vater) darfſt du nicht gleich ſagen, daß ich da bin, ſonſt gehe ich ſogleich wieder heim.“
Auf dieſe Rede ſagte die Tochter ſogleich dem Vater, daß der Mönch wieder da ſey. Da ging dieſer augenblick- lich und rief noch im Gehen höhniſch zurück: „Geh’ auch mit mir heim, ich will Meſſe leſen laſſen, daß das Wetter ſchön bleibt.“
Am 6. July Morgens halb drey Uhr rief hinter ihr auf dem Felde die Stimme ihrer Magd: „Magdalene! du ſollſt ſchnell auf die Wieſe zum Vater kommen! wo gehſt du hin? he! antworte!“ Als die Tochter umſich ſah, ſah ſie keine Magd, aber ein ſchwarzes Kalb, das ſagte: „Gelt! dießmal hätte ich dich faſt gefangen? Mit der Bibel kann mich dein Alter nicht fortſchicken, das ſoll er ſich von den Leuten nicht bereden laſſen! Was Bibel! Narrheit! die Meß iſt beſſer, iſt vornehmer! Komm, Magdalene, mit mir nach Braunsbach, wir wollen Meſſe leſen laſſen, daß das Wetter ſchön bleibt!“
Am 8. July Morgens fünf Uhr kam er auf den obern Boden zu ihr, gerade als ſie das Bett machte und ſprach hinter ihr mit der Stimme der Magd des Wirths im Ort: „Guten Morgen Magdalene! mein Herr und meine Frau ſchicken mich zu dir, du ſolleſt mit nach Braunsbach gehen, ſie wollen eine Meſſe leſen laſſen, wie der Mönch gerathen, damit das Wetter ſchön bleibt, und zwar eine
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0043"n="29"/><p>Mittags halb zwölf Uhr an dieſem Tage war der<lb/>ſchwarze Mönch bey ihr ſchon wieder auf der Wieſe. Er<lb/>
hatte einen Ranzen auf dem Rücken und trug in der Hand<lb/>
eine Senſe, fing zu mähen an und ſagte: „Magdalene!<lb/>
das iſt eine Schande vor den Nachbarsleuten, wenn ihr ſo<lb/>
unſauber mähet. Sage, willſt du nicht mit mir handeln?<lb/>
Gibſt du mir nicht deine Senſe, ich gebe dir da die meinige<lb/>
dafür? Sieh! dann gebe ich dir auch den Ranzen, den ich da<lb/>
auf meinem Rücken habe, der iſt voll ſchöner blanker Thaler,<lb/>
wie du noch keine geſehen. Die geb’ ich dir all noch dazu,<lb/>
aber antworten mußt du mir und deinem Alten (dem Vater)<lb/>
darfſt du nicht gleich ſagen, daß ich da bin, ſonſt gehe ich<lb/>ſogleich wieder heim.“</p><lb/><p>Auf dieſe Rede ſagte die Tochter ſogleich dem Vater,<lb/>
daß der Mönch wieder da ſey. Da ging dieſer augenblick-<lb/>
lich und rief noch im Gehen höhniſch zurück: „Geh’ auch<lb/>
mit mir heim, ich will Meſſe leſen laſſen, daß das Wetter<lb/>ſchön bleibt.“</p><lb/><p>Am 6. July Morgens halb drey Uhr rief hinter ihr auf<lb/>
dem Felde die Stimme ihrer Magd: „Magdalene! du ſollſt<lb/>ſchnell auf die Wieſe zum Vater kommen! wo gehſt du<lb/>
hin? he! antworte!“ Als die Tochter umſich ſah, ſah ſie<lb/>
keine Magd, aber ein ſchwarzes Kalb, das ſagte: „Gelt!<lb/>
dießmal hätte ich dich faſt gefangen? Mit der Bibel kann<lb/>
mich dein Alter nicht fortſchicken, das ſoll er ſich von den<lb/>
Leuten nicht bereden laſſen! Was Bibel! Narrheit! die Meß<lb/>
iſt beſſer, iſt vornehmer! Komm, Magdalene, mit mir nach<lb/><hirendition="#g">Braunsbach</hi>, wir wollen Meſſe leſen laſſen, daß das Wetter<lb/>ſchön bleibt!“</p><lb/><p>Am 8. July Morgens fünf Uhr kam er auf den obern<lb/>
Boden zu ihr, gerade als ſie das Bett machte und ſprach<lb/>
hinter ihr mit der Stimme der Magd des Wirths im Ort:<lb/>„Guten Morgen Magdalene! mein Herr und meine Frau<lb/>ſchicken mich zu dir, du ſolleſt mit nach <hirendition="#g">Braunsbach</hi><lb/>
gehen, ſie wollen eine Meſſe leſen laſſen, wie der Mönch<lb/>
gerathen, damit das Wetter ſchön bleibt, und zwar eine<lb/></p></div></body></text></TEI>
[29/0043]
Mittags halb zwölf Uhr an dieſem Tage war der
ſchwarze Mönch bey ihr ſchon wieder auf der Wieſe. Er
hatte einen Ranzen auf dem Rücken und trug in der Hand
eine Senſe, fing zu mähen an und ſagte: „Magdalene!
das iſt eine Schande vor den Nachbarsleuten, wenn ihr ſo
unſauber mähet. Sage, willſt du nicht mit mir handeln?
Gibſt du mir nicht deine Senſe, ich gebe dir da die meinige
dafür? Sieh! dann gebe ich dir auch den Ranzen, den ich da
auf meinem Rücken habe, der iſt voll ſchöner blanker Thaler,
wie du noch keine geſehen. Die geb’ ich dir all noch dazu,
aber antworten mußt du mir und deinem Alten (dem Vater)
darfſt du nicht gleich ſagen, daß ich da bin, ſonſt gehe ich
ſogleich wieder heim.“
Auf dieſe Rede ſagte die Tochter ſogleich dem Vater,
daß der Mönch wieder da ſey. Da ging dieſer augenblick-
lich und rief noch im Gehen höhniſch zurück: „Geh’ auch
mit mir heim, ich will Meſſe leſen laſſen, daß das Wetter
ſchön bleibt.“
Am 6. July Morgens halb drey Uhr rief hinter ihr auf
dem Felde die Stimme ihrer Magd: „Magdalene! du ſollſt
ſchnell auf die Wieſe zum Vater kommen! wo gehſt du
hin? he! antworte!“ Als die Tochter umſich ſah, ſah ſie
keine Magd, aber ein ſchwarzes Kalb, das ſagte: „Gelt!
dießmal hätte ich dich faſt gefangen? Mit der Bibel kann
mich dein Alter nicht fortſchicken, das ſoll er ſich von den
Leuten nicht bereden laſſen! Was Bibel! Narrheit! die Meß
iſt beſſer, iſt vornehmer! Komm, Magdalene, mit mir nach
Braunsbach, wir wollen Meſſe leſen laſſen, daß das Wetter
ſchön bleibt!“
Am 8. July Morgens fünf Uhr kam er auf den obern
Boden zu ihr, gerade als ſie das Bett machte und ſprach
hinter ihr mit der Stimme der Magd des Wirths im Ort:
„Guten Morgen Magdalene! mein Herr und meine Frau
ſchicken mich zu dir, du ſolleſt mit nach Braunsbach
gehen, ſie wollen eine Meſſe leſen laſſen, wie der Mönch
gerathen, damit das Wetter ſchön bleibt, und zwar eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/43>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.