noch problematisch seyn, aber auf jeden Fall sind die den ältern Erfahrungen analogen Erscheinungen so stark darin nachgebildet, daß das Recht, sie unter die gleiche Rubrik zu bringen, nicht wohl verkannt werden kann. Dem Skepticismus lassen sie freilich genug Spielraum übrig, was unvermeid- lich ist, da die Natur oder vielmehr Unnatur des Gegenstan- des in Hinsicht auf Grund und Ursache mysteriöser Art ist und bleiben muß. Ohne Zweifel wäre es auch den Men- schen nicht gut, wenn es zur Evidenz käme, weil jeder darin frey bleiben soll, sich seinen Glauben und seine Lehre daraus zu nehmen, wie ihm beliebt. Indessen sind es rein beobachtete Phänomene, die schon ihrer Seltenheit wegen verdienen aufgezeichnet zu werden.
3) In Beziehung des Zaubers ging es dem Verf. ge- rade umgekehrt. Er glaubte nie an die Wirklichkeit des- selben, bis ihm ausführliche Protokolle, juridische Fakul- täts-Consilien und in diesen eine Menge Citaten älterer Schriftsteller zu Gesicht kamen, die ihn in seiner Meinung schwankend machten, und, wenn überhaupt ein formelles richterliches Verfahren in Erhebung von Thatsachen eine sichere Bürgschaft des Geschehens ist, schwankend machen mußten. Er ging nun zur Untersuchung über und fand, daß eine solche Richtung der Unnatur, wie sie der Zauber enthält, eben so gut stattfinden könne, als die Besitzung, und somit überzeugte er sich von seiner Möglichkeit. Dieß führte ihn natürlich auch auf die Prüfung der Dokumente, die seine Wirklichkeit bezeugen.
Zu diesem Ende ging er eine ziemliche Reihe von Schrif- ten durch, die in den frühern Jahrhunderten sich mit die- sem Gegenstand sowohl dafür als dagegen beschäftigten. Mit den Resultaten dieser Schriften verglich er die Protokolle und die in denselben niedergelegten ganz freyen Geständ- nisse von sechs dem Zauber ergebenen Personen, und über- zeugte sich, nicht nur, daß die abgesonderten Verhöre der sechs Personen in Hinsicht der Thatsachen des Zaubers voll-
noch problematiſch ſeyn, aber auf jeden Fall ſind die den ältern Erfahrungen analogen Erſcheinungen ſo ſtark darin nachgebildet, daß das Recht, ſie unter die gleiche Rubrik zu bringen, nicht wohl verkannt werden kann. Dem Skepticismus laſſen ſie freilich genug Spielraum übrig, was unvermeid- lich iſt, da die Natur oder vielmehr Unnatur des Gegenſtan- des in Hinſicht auf Grund und Urſache myſteriöſer Art iſt und bleiben muß. Ohne Zweifel wäre es auch den Men- ſchen nicht gut, wenn es zur Evidenz käme, weil jeder darin frey bleiben ſoll, ſich ſeinen Glauben und ſeine Lehre daraus zu nehmen, wie ihm beliebt. Indeſſen ſind es rein beobachtete Phänomene, die ſchon ihrer Seltenheit wegen verdienen aufgezeichnet zu werden.
3) In Beziehung des Zaubers ging es dem Verf. ge- rade umgekehrt. Er glaubte nie an die Wirklichkeit deſ- ſelben, bis ihm ausführliche Protokolle, juridiſche Fakul- täts-Conſilien und in dieſen eine Menge Citaten älterer Schriftſteller zu Geſicht kamen, die ihn in ſeiner Meinung ſchwankend machten, und, wenn überhaupt ein formelles richterliches Verfahren in Erhebung von Thatſachen eine ſichere Bürgſchaft des Geſchehens iſt, ſchwankend machen mußten. Er ging nun zur Unterſuchung über und fand, daß eine ſolche Richtung der Unnatur, wie ſie der Zauber enthält, eben ſo gut ſtattfinden könne, als die Beſitzung, und ſomit überzeugte er ſich von ſeiner Möglichkeit. Dieß führte ihn natürlich auch auf die Prüfung der Dokumente, die ſeine Wirklichkeit bezeugen.
Zu dieſem Ende ging er eine ziemliche Reihe von Schrif- ten durch, die in den frühern Jahrhunderten ſich mit die- ſem Gegenſtand ſowohl dafür als dagegen beſchäftigten. Mit den Reſultaten dieſer Schriften verglich er die Protokolle und die in denſelben niedergelegten ganz freyen Geſtänd- niſſe von ſechs dem Zauber ergebenen Perſonen, und über- zeugte ſich, nicht nur, daß die abgeſonderten Verhöre der ſechs Perſonen in Hinſicht der Thatſachen des Zaubers voll-
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noch problematiſch ſeyn, aber auf jeden Fall ſind die den
ältern Erfahrungen analogen Erſcheinungen ſo ſtark darin
nachgebildet, daß das Recht, ſie unter die gleiche Rubrik zu
bringen, nicht wohl verkannt werden kann. Dem Skepticismus
laſſen ſie freilich genug Spielraum übrig, was unvermeid-
lich iſt, da die Natur oder vielmehr Unnatur des Gegenſtan-
des in Hinſicht auf Grund und Urſache myſteriöſer Art iſt
und bleiben muß. Ohne Zweifel wäre es auch den Men-
ſchen nicht gut, wenn es zur Evidenz käme, weil jeder
darin frey bleiben ſoll, ſich ſeinen Glauben und ſeine Lehre
daraus zu nehmen, wie ihm beliebt. Indeſſen ſind es rein
beobachtete Phänomene, die ſchon ihrer Seltenheit wegen
verdienen aufgezeichnet zu werden.
3) In Beziehung des Zaubers ging es dem Verf. ge-
rade umgekehrt. Er glaubte nie an die Wirklichkeit deſ-
ſelben, bis ihm ausführliche Protokolle, juridiſche Fakul-
täts-Conſilien und in dieſen eine Menge Citaten älterer
Schriftſteller zu Geſicht kamen, die ihn in ſeiner Meinung
ſchwankend machten, und, wenn überhaupt ein formelles
richterliches Verfahren in Erhebung von Thatſachen eine
ſichere Bürgſchaft des Geſchehens iſt, ſchwankend machen
mußten. Er ging nun zur Unterſuchung über und fand,
daß eine ſolche Richtung der Unnatur, wie ſie der Zauber
enthält, eben ſo gut ſtattfinden könne, als die Beſitzung,
und ſomit überzeugte er ſich von ſeiner Möglichkeit. Dieß
führte ihn natürlich auch auf die Prüfung der Dokumente,
die ſeine Wirklichkeit bezeugen.
Zu dieſem Ende ging er eine ziemliche Reihe von Schrif-
ten durch, die in den frühern Jahrhunderten ſich mit die-
ſem Gegenſtand ſowohl dafür als dagegen beſchäftigten. Mit
den Reſultaten dieſer Schriften verglich er die Protokolle
und die in denſelben niedergelegten ganz freyen Geſtänd-
niſſe von ſechs dem Zauber ergebenen Perſonen, und über-
zeugte ſich, nicht nur, daß die abgeſonderten Verhöre der
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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/201>, abgerufen am 21.07.2024.
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