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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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Ist das erste Moment blos da, ohne das zweyte, so ist
das Interesse blind und dumm, das Außerordentliche der
Erscheinung wird dem Aberglauben, der Unwissenheit und
dem Misbrauche preisgegeben, und das Wahre, was dar-
unter verborgen liegt, geht unter, während das Schlechte
eine Zeit lang seine Rolle spielt, aber zuletzt durch seine
schädlichen Folgen auch seinen Untergang findet, und somit
wird das Ganze vergessen. So erging es der Besitzung
und dem Zauber.

Ist das Zweyte ohne das Erste, so fehlt das Interesse
dafür; denn die ältern Geschichten wirken nichts mehr auf
ein aufgeklärtes Zeitalter. Man zweifelt gewöhnlich, ob
jene Männer, jene Gerichte, jene Consilien, welche diese
Gegenstände zu verhandeln hatten, richtig gesehen, gehört
und verstanden haben, so daß die Thatsachen jener Zeiten
jetzt nicht mehr geglaubt, sondern in Hintergrund gestellt
werden.

Die Geschichten über Besitzung und Zauber sind wie alte
Münzen zu betrachten, die zwar außer Curs gesetzt und
im Schatze verwahrt sind, aber doch einen wahren innern
Werth haben. Der Kenner nur schätzt sie und sucht sie
auf, aber im Kauf und Verkauf gelten sie nichts. Soll
ihr Werth wieder in Umlauf kommen, so müssen sie ein-
geschmolzen werden und ein neues Gepräge bekommen.

Wie es sich nun auch mit dem factischen Bestand ver-
halten mag, so ist hier die Rede blos davon, ob die Sätze,
die ich für die Unnatur folgerte, auch auf die besondere
Gestaltung derselben, was man Zauber nennt, angewandt
werden können, und insofern gehört die Aufgabe vor das
Forum der Speculation.

Die Definition, die sich aus den vielen Schriften, die
über diesen Gegenstand handeln, schöpfen läßt, wird fol-
gende seyn:

Zauber ist diejenige Wirkung der Unnatur, wo-
durch der Satan eine Menschenseele durch einen

11 *

Iſt das erſte Moment blos da, ohne das zweyte, ſo iſt
das Intereſſe blind und dumm, das Außerordentliche der
Erſcheinung wird dem Aberglauben, der Unwiſſenheit und
dem Misbrauche preisgegeben, und das Wahre, was dar-
unter verborgen liegt, geht unter, während das Schlechte
eine Zeit lang ſeine Rolle ſpielt, aber zuletzt durch ſeine
ſchädlichen Folgen auch ſeinen Untergang findet, und ſomit
wird das Ganze vergeſſen. So erging es der Beſitzung
und dem Zauber.

Iſt das Zweyte ohne das Erſte, ſo fehlt das Intereſſe
dafür; denn die ältern Geſchichten wirken nichts mehr auf
ein aufgeklärtes Zeitalter. Man zweifelt gewöhnlich, ob
jene Männer, jene Gerichte, jene Conſilien, welche dieſe
Gegenſtände zu verhandeln hatten, richtig geſehen, gehört
und verſtanden haben, ſo daß die Thatſachen jener Zeiten
jetzt nicht mehr geglaubt, ſondern in Hintergrund geſtellt
werden.

Die Geſchichten über Beſitzung und Zauber ſind wie alte
Münzen zu betrachten, die zwar außer Curs geſetzt und
im Schatze verwahrt ſind, aber doch einen wahren innern
Werth haben. Der Kenner nur ſchätzt ſie und ſucht ſie
auf, aber im Kauf und Verkauf gelten ſie nichts. Soll
ihr Werth wieder in Umlauf kommen, ſo müſſen ſie ein-
geſchmolzen werden und ein neues Gepräge bekommen.

Wie es ſich nun auch mit dem factiſchen Beſtand ver-
halten mag, ſo iſt hier die Rede blos davon, ob die Sätze,
die ich für die Unnatur folgerte, auch auf die beſondere
Geſtaltung derſelben, was man Zauber nennt, angewandt
werden können, und inſofern gehört die Aufgabe vor das
Forum der Speculation.

Die Definition, die ſich aus den vielen Schriften, die
über dieſen Gegenſtand handeln, ſchöpfen läßt, wird fol-
gende ſeyn:

Zauber iſt diejenige Wirkung der Unnatur, wo-
durch der Satan eine Menſchenſeele durch einen

11 *
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[163/0177] Iſt das erſte Moment blos da, ohne das zweyte, ſo iſt das Intereſſe blind und dumm, das Außerordentliche der Erſcheinung wird dem Aberglauben, der Unwiſſenheit und dem Misbrauche preisgegeben, und das Wahre, was dar- unter verborgen liegt, geht unter, während das Schlechte eine Zeit lang ſeine Rolle ſpielt, aber zuletzt durch ſeine ſchädlichen Folgen auch ſeinen Untergang findet, und ſomit wird das Ganze vergeſſen. So erging es der Beſitzung und dem Zauber. Iſt das Zweyte ohne das Erſte, ſo fehlt das Intereſſe dafür; denn die ältern Geſchichten wirken nichts mehr auf ein aufgeklärtes Zeitalter. Man zweifelt gewöhnlich, ob jene Männer, jene Gerichte, jene Conſilien, welche dieſe Gegenſtände zu verhandeln hatten, richtig geſehen, gehört und verſtanden haben, ſo daß die Thatſachen jener Zeiten jetzt nicht mehr geglaubt, ſondern in Hintergrund geſtellt werden. Die Geſchichten über Beſitzung und Zauber ſind wie alte Münzen zu betrachten, die zwar außer Curs geſetzt und im Schatze verwahrt ſind, aber doch einen wahren innern Werth haben. Der Kenner nur ſchätzt ſie und ſucht ſie auf, aber im Kauf und Verkauf gelten ſie nichts. Soll ihr Werth wieder in Umlauf kommen, ſo müſſen ſie ein- geſchmolzen werden und ein neues Gepräge bekommen. Wie es ſich nun auch mit dem factiſchen Beſtand ver- halten mag, ſo iſt hier die Rede blos davon, ob die Sätze, die ich für die Unnatur folgerte, auch auf die beſondere Geſtaltung derſelben, was man Zauber nennt, angewandt werden können, und inſofern gehört die Aufgabe vor das Forum der Speculation. Die Definition, die ſich aus den vielen Schriften, die über dieſen Gegenſtand handeln, ſchöpfen läßt, wird fol- gende ſeyn: Zauber iſt diejenige Wirkung der Unnatur, wo- durch der Satan eine Menſchenſeele durch einen 11 *

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/177>, abgerufen am 24.11.2024.