Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.Die Bitte der Dämonen, in wirkliche organisirte Thiere fah- Wird den Dämonen stark zugesetzt, so verwandelt sich VIII. Das Evangelium entscheidet weder dafür noch da- Die Bitte der Dämonen, in wirkliche organiſirte Thiere fah- Wird den Dämonen ſtark zugeſetzt, ſo verwandelt ſich VIII. Das Evangelium entſcheidet weder dafür noch da- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0158" n="144"/> Die Bitte der Dämonen, in wirkliche organiſirte Thiere fah-<lb/> ren zu dürfen, hat daher einen andern Sinn. Es muß für ſie<lb/> eine Art Schutzmittel ſeyn, um der Qual mehr zu entgehen.</p><lb/> <p>Wird den Dämonen ſtark zugeſetzt, ſo verwandelt ſich<lb/> ihr Hohn und Spott am Ende in Weh und Ach. Oft neh-<lb/> men ſie ihre Zuflucht zum menſchlichen Mitleiden, indem<lb/> ſie ſagen, wir würden gewiß Schonung mit ihnen haben,<lb/> wenn wir wüßten, wie fürchterlich es für ſie draußen ſey.<lb/> Wohl müſſen ſie dürre Stätten durchwandern, ſie ſuchen<lb/> Ruhe und finden ſie nicht. Das iſt das Loos der Unſeli-<lb/> gen. Nicht umſonſt baten jene Dämonen Chriſtum, den ſie<lb/> für den Sohn Gottes erkannten, ihnen zu erlauben, in die<lb/> Schweine zu fahren. Jeder Ort, in dem ſie ſich bergen<lb/> können, muß ihnen lieber ſeyn, als der freie Himmel, deſ-<lb/> ſen reine Luft ihnen Qual verurſacht. Da liegt die Be-<lb/> deutung jenes Spruchs: „Berge! fallet über uns, Hügel!<lb/> bedecket uns.“ Dieſes Schickſal nach dem Tode wird wohl<lb/> mehr Wahrheit in ſich haben, als jenes philoſophiſche Hirn-<lb/> geſpinſt, nach welchem der endliche Geiſt ſogleich nach dem<lb/> Tode, ohne Rückſicht auf ſeinen moraliſchen Werth, ſich<lb/> mit dem allgemeinen, ewigen Geiſt zuſammenſchließen ſoll.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Das Evangelium entſcheidet weder dafür noch da-<lb/> gegen, ob die Dämonen der Beſeſſenen verſtorbene böſe<lb/> Menſchen oder etwa gefallene Engel ſind. Nach der Offen-<lb/> barung war, als Chriſtus erſchien, der Satan mit ſeinen<lb/> Engeln noch nicht auf die Erde geworfen. Er herrſchte noch<lb/> im Himmel über weitere und höhere Regionen, und ſeine<lb/> Staatskunſt hatte, als Fürſt der Welt, durch ſeine Engel<lb/> wichtigere Dinge auszuführen, als in armen Menſchenlei-<lb/> bern Beſitzungen vorzunehmen. Auch läßt ſich kaum erwar-<lb/> ten, daß jene früher erſchaffenen Engel im Himmel, in<lb/> die Schweine zu fahren, oder auch, ſtumme und taube Rol-<lb/> len zu ſpielen, begehren ſollten. Von den unſeligen Men-<lb/> ſchen aber, welche an die Erde gebannt ſind, Ruhe ſuchen<lb/> und keine finden und ſich überall vor dem Zorne verbergen<lb/> möchten, läßt ſich erwarten, daß ſie nach Menſchenleibern<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0158]
Die Bitte der Dämonen, in wirkliche organiſirte Thiere fah-
ren zu dürfen, hat daher einen andern Sinn. Es muß für ſie
eine Art Schutzmittel ſeyn, um der Qual mehr zu entgehen.
Wird den Dämonen ſtark zugeſetzt, ſo verwandelt ſich
ihr Hohn und Spott am Ende in Weh und Ach. Oft neh-
men ſie ihre Zuflucht zum menſchlichen Mitleiden, indem
ſie ſagen, wir würden gewiß Schonung mit ihnen haben,
wenn wir wüßten, wie fürchterlich es für ſie draußen ſey.
Wohl müſſen ſie dürre Stätten durchwandern, ſie ſuchen
Ruhe und finden ſie nicht. Das iſt das Loos der Unſeli-
gen. Nicht umſonſt baten jene Dämonen Chriſtum, den ſie
für den Sohn Gottes erkannten, ihnen zu erlauben, in die
Schweine zu fahren. Jeder Ort, in dem ſie ſich bergen
können, muß ihnen lieber ſeyn, als der freie Himmel, deſ-
ſen reine Luft ihnen Qual verurſacht. Da liegt die Be-
deutung jenes Spruchs: „Berge! fallet über uns, Hügel!
bedecket uns.“ Dieſes Schickſal nach dem Tode wird wohl
mehr Wahrheit in ſich haben, als jenes philoſophiſche Hirn-
geſpinſt, nach welchem der endliche Geiſt ſogleich nach dem
Tode, ohne Rückſicht auf ſeinen moraliſchen Werth, ſich
mit dem allgemeinen, ewigen Geiſt zuſammenſchließen ſoll.
VIII. Das Evangelium entſcheidet weder dafür noch da-
gegen, ob die Dämonen der Beſeſſenen verſtorbene böſe
Menſchen oder etwa gefallene Engel ſind. Nach der Offen-
barung war, als Chriſtus erſchien, der Satan mit ſeinen
Engeln noch nicht auf die Erde geworfen. Er herrſchte noch
im Himmel über weitere und höhere Regionen, und ſeine
Staatskunſt hatte, als Fürſt der Welt, durch ſeine Engel
wichtigere Dinge auszuführen, als in armen Menſchenlei-
bern Beſitzungen vorzunehmen. Auch läßt ſich kaum erwar-
ten, daß jene früher erſchaffenen Engel im Himmel, in
die Schweine zu fahren, oder auch, ſtumme und taube Rol-
len zu ſpielen, begehren ſollten. Von den unſeligen Men-
ſchen aber, welche an die Erde gebannt ſind, Ruhe ſuchen
und keine finden und ſich überall vor dem Zorne verbergen
möchten, läßt ſich erwarten, daß ſie nach Menſchenleibern
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