Zorn des Satans, daß er sein Reich nicht anders erhalten kann, als durch das Fahen der Menschenseelen. Als er noch im Himmel seinen Sitz hatte, konnte er Manchen der früher erschaffenen Engel zum Abfall bringen. Seitdem er aber auf die Erde geworfen ist, muß er sich mit seiner großen Staatskunst auf das Menschengeschlecht beschränken und wie ein armseliger Fischer sein Netz auswerfen, um Seelen zu erbeuten.
Das Reich des Satans ist das der umgekehrten Idee. Statt Wahrheit ist Lug und Trug und Verblendung, statt Schönheit ist Unflath, Häßlichkeit und Scheusal, und statt Tugend ist Bosheit, Ruchlosigkeit und Verführung in ihm. Und wie sich jene Ideen im Leben der Liebe verklären, so zeugen ihre Gegensätze das Leben des Hasses, und dieß ist der Charakter des satanischen Reichs. Seitdem den Satan bei der ersten Verführung der Menschen der Fluch traf, ist sein ganzes Seyn und Wesen nichts anderes, als die Wirkung und Fortpflanzung des Fluchs, wovon die Be- sitzung auch Eine der Wirkungen ist.
Besitzung ist diejenige Wirkung der Unnatur, in welcher Einer oder mehrere unreine Geister durch irgend eine Vermittlung in einen Menschenleib ein- dringen, sich der Sinnen-, Bewegungs- und größ- tentheils auch der Sprachwerkzeuge bemächtigen, die Macht der Seele auf dieselbe sistiren und in kürzern oder längern Paroxismen sich in fremden Tönen, Worten, Geberden und Bewegungen, mei- stens spöttischer, ruchloser und gewaltsamer Art, vernehmen lassen.
Diese Definition ist von den vorausgehenden Geschichten gerechtfertigt.
Bey dem Mädchen von Orlach ist es ein in der Gestalt eines Mönchs erscheinender Geist, der schon 400 Jahre an den Ort seiner Verbrechen gebannt war und die gleichen ruchlosen Gesinnungen und blasphemischen Reden äußerte, wie er sie im Leben mag gehabt haben. Lange drohte er
Zorn des Satans, daß er ſein Reich nicht anders erhalten kann, als durch das Fahen der Menſchenſeelen. Als er noch im Himmel ſeinen Sitz hatte, konnte er Manchen der früher erſchaffenen Engel zum Abfall bringen. Seitdem er aber auf die Erde geworfen iſt, muß er ſich mit ſeiner großen Staatskunſt auf das Menſchengeſchlecht beſchränken und wie ein armſeliger Fiſcher ſein Netz auswerfen, um Seelen zu erbeuten.
Das Reich des Satans iſt das der umgekehrten Idee. Statt Wahrheit iſt Lug und Trug und Verblendung, ſtatt Schönheit iſt Unflath, Häßlichkeit und Scheuſal, und ſtatt Tugend iſt Bosheit, Ruchloſigkeit und Verführung in ihm. Und wie ſich jene Ideen im Leben der Liebe verklären, ſo zeugen ihre Gegenſätze das Leben des Haſſes, und dieß iſt der Charakter des ſataniſchen Reichs. Seitdem den Satan bei der erſten Verführung der Menſchen der Fluch traf, iſt ſein ganzes Seyn und Weſen nichts anderes, als die Wirkung und Fortpflanzung des Fluchs, wovon die Be- ſitzung auch Eine der Wirkungen iſt.
Beſitzung iſt diejenige Wirkung der Unnatur, in welcher Einer oder mehrere unreine Geiſter durch irgend eine Vermittlung in einen Menſchenleib ein- dringen, ſich der Sinnen-, Bewegungs- und größ- tentheils auch der Sprachwerkzeuge bemächtigen, die Macht der Seele auf dieſelbe ſiſtiren und in kürzern oder längern Paroxismen ſich in fremden Tönen, Worten, Geberden und Bewegungen, mei- ſtens ſpöttiſcher, ruchloſer und gewaltſamer Art, vernehmen laſſen.
Dieſe Definition iſt von den vorausgehenden Geſchichten gerechtfertigt.
Bey dem Mädchen von Orlach iſt es ein in der Geſtalt eines Mönchs erſcheinender Geiſt, der ſchon 400 Jahre an den Ort ſeiner Verbrechen gebannt war und die gleichen ruchloſen Geſinnungen und blasphemiſchen Reden äußerte, wie er ſie im Leben mag gehabt haben. Lange drohte er
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0150"n="136"/>
Zorn des Satans, daß er ſein Reich nicht anders erhalten<lb/>
kann, als durch das Fahen der Menſchenſeelen. Als er<lb/>
noch im Himmel ſeinen Sitz hatte, konnte er Manchen der<lb/>
früher erſchaffenen Engel zum Abfall bringen. Seitdem er<lb/>
aber auf die Erde geworfen iſt, muß er ſich mit ſeiner<lb/>
großen Staatskunſt auf das Menſchengeſchlecht beſchränken<lb/>
und wie ein armſeliger Fiſcher ſein Netz auswerfen, um<lb/>
Seelen zu erbeuten.</p><lb/><p>Das Reich des Satans iſt das der umgekehrten Idee.<lb/>
Statt Wahrheit iſt Lug und Trug und Verblendung, ſtatt<lb/>
Schönheit iſt Unflath, Häßlichkeit und Scheuſal, und ſtatt<lb/>
Tugend iſt Bosheit, Ruchloſigkeit und Verführung in ihm.<lb/>
Und wie ſich jene Ideen im Leben der Liebe verklären, ſo<lb/>
zeugen ihre Gegenſätze das Leben des Haſſes, und dieß iſt<lb/>
der Charakter des ſataniſchen Reichs. Seitdem den Satan<lb/>
bei der erſten Verführung der Menſchen der Fluch traf,<lb/>
iſt ſein ganzes Seyn und Weſen nichts anderes, als die<lb/>
Wirkung und Fortpflanzung des Fluchs, wovon die Be-<lb/>ſitzung auch Eine der Wirkungen iſt.</p><lb/><p><hirendition="#g">Beſitzung iſt diejenige Wirkung der Unnatur, in<lb/>
welcher Einer oder mehrere unreine Geiſter durch<lb/>
irgend eine Vermittlung in einen Menſchenleib ein-<lb/>
dringen, ſich der Sinnen-, Bewegungs- und größ-<lb/>
tentheils auch der Sprachwerkzeuge bemächtigen,<lb/>
die Macht der Seele auf dieſelbe ſiſtiren und in<lb/>
kürzern oder längern Paroxismen ſich in fremden<lb/>
Tönen, Worten, Geberden und Bewegungen, mei-<lb/>ſtens ſpöttiſcher, ruchloſer und gewaltſamer Art,<lb/>
vernehmen laſſen</hi>.</p><lb/><p>Dieſe Definition iſt von den vorausgehenden Geſchichten<lb/>
gerechtfertigt.</p><lb/><p>Bey dem Mädchen von Orlach iſt es ein in der Geſtalt<lb/>
eines Mönchs erſcheinender Geiſt, der ſchon 400 Jahre an<lb/>
den Ort ſeiner Verbrechen gebannt war und die gleichen<lb/>
ruchloſen Geſinnungen und blasphemiſchen Reden äußerte,<lb/>
wie er ſie im Leben mag gehabt haben. Lange drohte er<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[136/0150]
Zorn des Satans, daß er ſein Reich nicht anders erhalten
kann, als durch das Fahen der Menſchenſeelen. Als er
noch im Himmel ſeinen Sitz hatte, konnte er Manchen der
früher erſchaffenen Engel zum Abfall bringen. Seitdem er
aber auf die Erde geworfen iſt, muß er ſich mit ſeiner
großen Staatskunſt auf das Menſchengeſchlecht beſchränken
und wie ein armſeliger Fiſcher ſein Netz auswerfen, um
Seelen zu erbeuten.
Das Reich des Satans iſt das der umgekehrten Idee.
Statt Wahrheit iſt Lug und Trug und Verblendung, ſtatt
Schönheit iſt Unflath, Häßlichkeit und Scheuſal, und ſtatt
Tugend iſt Bosheit, Ruchloſigkeit und Verführung in ihm.
Und wie ſich jene Ideen im Leben der Liebe verklären, ſo
zeugen ihre Gegenſätze das Leben des Haſſes, und dieß iſt
der Charakter des ſataniſchen Reichs. Seitdem den Satan
bei der erſten Verführung der Menſchen der Fluch traf,
iſt ſein ganzes Seyn und Weſen nichts anderes, als die
Wirkung und Fortpflanzung des Fluchs, wovon die Be-
ſitzung auch Eine der Wirkungen iſt.
Beſitzung iſt diejenige Wirkung der Unnatur, in
welcher Einer oder mehrere unreine Geiſter durch
irgend eine Vermittlung in einen Menſchenleib ein-
dringen, ſich der Sinnen-, Bewegungs- und größ-
tentheils auch der Sprachwerkzeuge bemächtigen,
die Macht der Seele auf dieſelbe ſiſtiren und in
kürzern oder längern Paroxismen ſich in fremden
Tönen, Worten, Geberden und Bewegungen, mei-
ſtens ſpöttiſcher, ruchloſer und gewaltſamer Art,
vernehmen laſſen.
Dieſe Definition iſt von den vorausgehenden Geſchichten
gerechtfertigt.
Bey dem Mädchen von Orlach iſt es ein in der Geſtalt
eines Mönchs erſcheinender Geiſt, der ſchon 400 Jahre an
den Ort ſeiner Verbrechen gebannt war und die gleichen
ruchloſen Geſinnungen und blasphemiſchen Reden äußerte,
wie er ſie im Leben mag gehabt haben. Lange drohte er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/150>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.