ist. Ueberall und jederzeit ist der Mensch in ihre Einflüsse gestellt. Setzen wir die Macht der Unnatur, wie sie vor- hin geschildert ist, so müßte der Mensch beständig unterliegen, stünde ihm nicht der gute Engel zur Seite, welcher dem Bösen, jedoch immer nur auf der Wage der Freiheit, das Gleichgewicht hält. Es ist zwar keinem Zweifel unterworfen, daß der gute Engel immer den Bösen überwältigen kann, aber seine Einwirkung ist dadurch bedingt, daß der Mensch mitten in diesen Einflüssen frey bleiben soll. Allerdings streiten sich um den Menschen beyde Mächte, aber welche es gewinnen soll, hängt immer zuletzt von dem freien Ent- schlusse des Menschen selbst ab. Gott hat jedem Geist neben der Freiheit auch dasjenige Maß von Kraft verliehen, das er nöthig hat, unerachtet des Zugs zum Bösen doch dem Guten zu folgen. Läßt er sich durch Gewissen und Glauben, durch Christum und sein Wort ziehen, so öffnet er sich den Einflüssen des guten Engels und verschließt sich dem Bösen. Läßt er sich aber durch die Selbstsucht und Weltsucht, durch den Satan und die Sünde ziehen, so öffnet er sich den Einflüssen des bösen Engels und verschließt sich dem Guten. In beyden Fällen aber beruht das positive Moment des Uebergewichts zu aller erst auf dem innern lebendigen Act des Geistes, der aus seiner relativen Wahlvollkommenheit ausgeht.
Diejenigen, welche, um die Einflüsse der Unnatur und Uebernatur umgehen zu können, annehmen, daß ein vorher- geordneter Vernunft- und Natur-Zusammenhang schon allen Forderungen genüge, bedenken nicht, daß, wenn die gött- liche Weisheit dem Menschen die Freiheit als einen Fun- ken aus ihrem Wesen ertheilen wollte, ein solcher vorher- bestimmter Zusammenhang von Gesetzen nicht damit beste- hen könnte. Wie sollten denn logische Vernunftgesetze und physische Naturgesetze jenen Störungen gewachsen seyn, welche aus der unendlichen Verkettung freier Causalitä- ten unter einander hervorgehen?
Wo jeden Augenblick der Arme Hülfe, der Bedrängte Trost,
iſt. Ueberall und jederzeit iſt der Menſch in ihre Einflüſſe geſtellt. Setzen wir die Macht der Unnatur, wie ſie vor- hin geſchildert iſt, ſo müßte der Menſch beſtändig unterliegen, ſtünde ihm nicht der gute Engel zur Seite, welcher dem Böſen, jedoch immer nur auf der Wage der Freiheit, das Gleichgewicht hält. Es iſt zwar keinem Zweifel unterworfen, daß der gute Engel immer den Böſen überwältigen kann, aber ſeine Einwirkung iſt dadurch bedingt, daß der Menſch mitten in dieſen Einflüſſen frey bleiben ſoll. Allerdings ſtreiten ſich um den Menſchen beyde Mächte, aber welche es gewinnen ſoll, hängt immer zuletzt von dem freien Ent- ſchluſſe des Menſchen ſelbſt ab. Gott hat jedem Geiſt neben der Freiheit auch dasjenige Maß von Kraft verliehen, das er nöthig hat, unerachtet des Zugs zum Böſen doch dem Guten zu folgen. Läßt er ſich durch Gewiſſen und Glauben, durch Chriſtum und ſein Wort ziehen, ſo öffnet er ſich den Einflüſſen des guten Engels und verſchließt ſich dem Böſen. Läßt er ſich aber durch die Selbſtſucht und Weltſucht, durch den Satan und die Sünde ziehen, ſo öffnet er ſich den Einflüſſen des böſen Engels und verſchließt ſich dem Guten. In beyden Fällen aber beruht das poſitive Moment des Uebergewichts zu aller erſt auf dem innern lebendigen Act des Geiſtes, der aus ſeiner relativen Wahlvollkommenheit ausgeht.
Diejenigen, welche, um die Einflüſſe der Unnatur und Uebernatur umgehen zu können, annehmen, daß ein vorher- geordneter Vernunft- und Natur-Zuſammenhang ſchon allen Forderungen genüge, bedenken nicht, daß, wenn die gött- liche Weisheit dem Menſchen die Freiheit als einen Fun- ken aus ihrem Weſen ertheilen wollte, ein ſolcher vorher- beſtimmter Zuſammenhang von Geſetzen nicht damit beſte- hen koͤnnte. Wie ſollten denn logiſche Vernunftgeſetze und phyſiſche Naturgeſetze jenen Stoͤrungen gewachſen ſeyn, welche aus der unendlichen Verkettung freier Cauſalitä- ten unter einander hervorgehen?
Wo jeden Augenblick der Arme Hülfe, der Bedrängte Troſt,
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iſt. Ueberall und jederzeit iſt der Menſch in ihre Einflüſſe
geſtellt. Setzen wir die Macht der Unnatur, wie ſie vor-
hin geſchildert iſt, ſo müßte der Menſch beſtändig unterliegen,
ſtünde ihm nicht der gute Engel zur Seite, welcher dem
Böſen, jedoch immer nur auf der Wage der Freiheit, das
Gleichgewicht hält. Es iſt zwar keinem Zweifel unterworfen,
daß der gute Engel immer den Böſen überwältigen kann,
aber ſeine Einwirkung iſt dadurch bedingt, daß der Menſch
mitten in dieſen Einflüſſen frey bleiben ſoll. Allerdings
ſtreiten ſich um den Menſchen beyde Mächte, aber welche
es gewinnen ſoll, hängt immer zuletzt von dem freien Ent-
ſchluſſe des Menſchen ſelbſt ab. Gott hat jedem Geiſt neben
der Freiheit auch dasjenige Maß von Kraft verliehen, das
er nöthig hat, unerachtet des Zugs zum Böſen doch dem
Guten zu folgen. Läßt er ſich durch Gewiſſen und Glauben,
durch Chriſtum und ſein Wort ziehen, ſo öffnet er ſich den
Einflüſſen des guten Engels und verſchließt ſich dem Böſen.
Läßt er ſich aber durch die Selbſtſucht und Weltſucht,
durch den Satan und die Sünde ziehen, ſo öffnet er ſich
den Einflüſſen des böſen Engels und verſchließt ſich dem
Guten. In beyden Fällen aber beruht das poſitive
Moment des Uebergewichts zu aller erſt auf dem
innern lebendigen Act des Geiſtes, der aus ſeiner
relativen Wahlvollkommenheit ausgeht.
Diejenigen, welche, um die Einflüſſe der Unnatur und
Uebernatur umgehen zu können, annehmen, daß ein vorher-
geordneter Vernunft- und Natur-Zuſammenhang ſchon allen
Forderungen genüge, bedenken nicht, daß, wenn die gött-
liche Weisheit dem Menſchen die Freiheit als einen Fun-
ken aus ihrem Weſen ertheilen wollte, ein ſolcher vorher-
beſtimmter Zuſammenhang von Geſetzen nicht damit beſte-
hen koͤnnte. Wie ſollten denn logiſche Vernunftgeſetze und
phyſiſche Naturgeſetze jenen Stoͤrungen gewachſen ſeyn, welche
aus der unendlichen Verkettung freier Cauſalitä-
ten unter einander hervorgehen?
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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/147>, abgerufen am 16.02.2025.
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