Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.besorgen mußte, er werde sie über die Anwesenden hinein- Also hat der allmächtige und barmherzige Gott beede Döffingen in Würtemberg den 1. October 1715. Pfarrer M. Hartmann. beſorgen mußte, er werde ſie über die Anweſenden hinein- Alſo hat der allmächtige und barmherzige Gott beede Döffingen in Würtemberg den 1. October 1715. Pfarrer M. Hartmann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0126" n="112"/> beſorgen mußte, er werde ſie über die Anweſenden hinein-<lb/> ſchmeißen, machte auch, daß die Beſeſſene ihre Haube her-<lb/> unterriß und ſich ſelbſt das Haar grimmig zerraufte. Auf<lb/> einmal rief es aus der Beſeſſenen: „Jetzt iſt <hi rendition="#g">Einer</hi> fort,<lb/> — es ſind aber noch fünf da!“ Dieſe entſetzliche Rede be-<lb/> wegte die Gemeinde, immer heißer, ängſtlicher und ernſtlicher<lb/> zu Gott zu beten und zu ſingen, und Gott erhörte es auch<lb/> kräftig: denn jetzt bat der Satan in ihr, wie bey der erſten,<lb/> oft um Pardon, und als ihm dieſer nicht gewährt wurde,<lb/> um Erlaubniß, nur in irgend etwas fahren zu dürfen,<lb/> bis er endlich Abends um drey Uhr auf vielmaliges Zu-<lb/> ſammenſchreyen: „In Namen Jeſu Chriſti fahr aus, du<lb/> böſer Geiſt!“ der Kreatur Leib völlig verlaſſen und ſie<lb/> von nun an ungehindert und andächtig und gerne mit mir<lb/> und andern beten konnte, auch wieder einen ganz natürlichen<lb/> Blick erhalten hatte.</p><lb/> <p>Alſo hat der allmächtige und barmherzige Gott beede<lb/> Weibsperſonen, davon die eine, die Stiefmutter, neun Jahre<lb/> mit ſieben Teufeln, die Stieftochter aber fünfzehn Jahre<lb/> mit ſechs Teufeln beſeſſen geweſen, von des Satans leib-<lb/> licher Beſitzung ſo befreiet, daß ſie ſich längere Zeit noch<lb/> hier, wiewohl entkräftet, doch ohne all die frühere ſataniſche<lb/> Anfechtung aufgehalten; wie ſie auch immer hier eifrig gebetet<lb/> und meinen Zuſpruch, (obgleich ſie an der papiſtiſchen Religion<lb/> ſtark hingen) begierig annahmen, auch die Kirche fleißig<lb/> beſuchten, der Predigt mit Ernſt und Thränen zuhörten<lb/> und endlich von mir und der hieſigen Gemeinde ſehr dankbar<lb/> und beweglich Abſchied nahmen.</p><lb/> <p>Döffingen in Würtemberg den 1. October 1715.</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Pfarrer <hi rendition="#aq">M.</hi> <hi rendition="#g">Hartmann</hi>.</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [112/0126]
beſorgen mußte, er werde ſie über die Anweſenden hinein-
ſchmeißen, machte auch, daß die Beſeſſene ihre Haube her-
unterriß und ſich ſelbſt das Haar grimmig zerraufte. Auf
einmal rief es aus der Beſeſſenen: „Jetzt iſt Einer fort,
— es ſind aber noch fünf da!“ Dieſe entſetzliche Rede be-
wegte die Gemeinde, immer heißer, ängſtlicher und ernſtlicher
zu Gott zu beten und zu ſingen, und Gott erhörte es auch
kräftig: denn jetzt bat der Satan in ihr, wie bey der erſten,
oft um Pardon, und als ihm dieſer nicht gewährt wurde,
um Erlaubniß, nur in irgend etwas fahren zu dürfen,
bis er endlich Abends um drey Uhr auf vielmaliges Zu-
ſammenſchreyen: „In Namen Jeſu Chriſti fahr aus, du
böſer Geiſt!“ der Kreatur Leib völlig verlaſſen und ſie
von nun an ungehindert und andächtig und gerne mit mir
und andern beten konnte, auch wieder einen ganz natürlichen
Blick erhalten hatte.
Alſo hat der allmächtige und barmherzige Gott beede
Weibsperſonen, davon die eine, die Stiefmutter, neun Jahre
mit ſieben Teufeln, die Stieftochter aber fünfzehn Jahre
mit ſechs Teufeln beſeſſen geweſen, von des Satans leib-
licher Beſitzung ſo befreiet, daß ſie ſich längere Zeit noch
hier, wiewohl entkräftet, doch ohne all die frühere ſataniſche
Anfechtung aufgehalten; wie ſie auch immer hier eifrig gebetet
und meinen Zuſpruch, (obgleich ſie an der papiſtiſchen Religion
ſtark hingen) begierig annahmen, auch die Kirche fleißig
beſuchten, der Predigt mit Ernſt und Thränen zuhörten
und endlich von mir und der hieſigen Gemeinde ſehr dankbar
und beweglich Abſchied nahmen.
Döffingen in Würtemberg den 1. October 1715.
Pfarrer M. Hartmann.
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