Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834."dort endlich an einem Leibschaden und an der Läusesucht ge- Nachdem mein Freund sich verabschiedet hatte, wurde Kerner, über Besessenseyn. 7
„dort endlich an einem Leibſchaden und an der Läuſeſucht ge- Nachdem mein Freund ſich verabſchiedet hatte, wurde Kerner, über Beſeſſenſeyn. 7
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0111" n="97"/> „dort endlich an einem Leibſchaden und an der Läuſeſucht ge-<lb/> „ſtorben.“ Nach dieſen Bekentniſſen wurde er ernſtlich ver-<lb/> mahnt, ſich jetzt noch zu bekehren, indem Jeſus jeden reuigen<lb/> Sünder annehme. Jedesmal aber, und diß wohl zehnmal,<lb/> war die Antwort: „Was nützt es, daß ich mich bekehre,<lb/> „ich werde doch nicht angenommen.“ Unerachtet nun durch<lb/> dieſes Verfahren nicht viel ausgerichtet wurde, ſo ſchien<lb/> doch der Dämon mehr gedemüthigt und war nicht mehr<lb/> ſo frech in ſeinem Hohn und Spott. Es war vorauszuſehn,<lb/> daß er ſeinen Meiſter finden werde. Mein Freund machte<lb/> öfters, ſobald die Frau vom Dämon geplagt war, die Probe,<lb/> daß er ihr die Hand auf das Haupt legte und befahl:<lb/> „Der Schutzgeiſt ſoll kommen,“ worauf jedesmal ſogleich<lb/> ein ſichtlicher, in den Bewegungen des Körpers ausgedrückter<lb/> Kampf anging, der nach wenigen Sekunden den Dämon<lb/> zum Weichen brachte und die Frau befreite. Die öftere<lb/> Wiederholung dieſer Szene ließ keinen Zweifel über den<lb/> Erfolg und zeigte ſo recht augenſcheinlich, wie der böſe<lb/> und gute Geiſt ſich um den Menſchen ſtreiten, immer<lb/> aber dem Guten der Sieg bleibe, wenn der Menſch nicht<lb/> durch eigene Schuld ihn von ſich entfernt.</p><lb/> <p>Nachdem mein Freund ſich verabſchiedet hatte, wurde<lb/> noch ein weit kräftigerer und ernſtlicherer Verſuch gemacht;<lb/> Alles ſchien gelungen, indem alle Zeichen der vorhergehenden<lb/> Expulſion ſich wieder einſtellten. Aber dennoch rettete der<lb/> Dämon ſich wieder, indem er, wie er nachher ausſagte, ſich<lb/> in einen unempfindlichen Theil des Körpers flüchtete, bis<lb/> der Sturm vorüber war. In dieſer Zeit beſuchte mich auch<lb/> auf der Durchreiſe ein angeſehener Gelehrter, der über Be-<lb/> ſitzungen anderer Meinung war. Dennoch machte auch er auf<lb/> Zureden einen Verſuch, indem er das böſe Weſen als <hi rendition="#g">ein<lb/> Nichts, als einen Wahn</hi> erklärte, dem er gebot, das<lb/> Weib zu verlaſſen. Kaum hatte er dieſe Worte geſprochen,<lb/> als er von einer Fluth des pöbelhafteſten Spottes überſchüttet<lb/> wurde, indem es der Dämon übel nahm, daß er nichts<lb/> und ein bloßer Wahn ſeyn ſolle.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Kerner</hi>, über Beſeſſenſeyn. 7</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [97/0111]
„dort endlich an einem Leibſchaden und an der Läuſeſucht ge-
„ſtorben.“ Nach dieſen Bekentniſſen wurde er ernſtlich ver-
mahnt, ſich jetzt noch zu bekehren, indem Jeſus jeden reuigen
Sünder annehme. Jedesmal aber, und diß wohl zehnmal,
war die Antwort: „Was nützt es, daß ich mich bekehre,
„ich werde doch nicht angenommen.“ Unerachtet nun durch
dieſes Verfahren nicht viel ausgerichtet wurde, ſo ſchien
doch der Dämon mehr gedemüthigt und war nicht mehr
ſo frech in ſeinem Hohn und Spott. Es war vorauszuſehn,
daß er ſeinen Meiſter finden werde. Mein Freund machte
öfters, ſobald die Frau vom Dämon geplagt war, die Probe,
daß er ihr die Hand auf das Haupt legte und befahl:
„Der Schutzgeiſt ſoll kommen,“ worauf jedesmal ſogleich
ein ſichtlicher, in den Bewegungen des Körpers ausgedrückter
Kampf anging, der nach wenigen Sekunden den Dämon
zum Weichen brachte und die Frau befreite. Die öftere
Wiederholung dieſer Szene ließ keinen Zweifel über den
Erfolg und zeigte ſo recht augenſcheinlich, wie der böſe
und gute Geiſt ſich um den Menſchen ſtreiten, immer
aber dem Guten der Sieg bleibe, wenn der Menſch nicht
durch eigene Schuld ihn von ſich entfernt.
Nachdem mein Freund ſich verabſchiedet hatte, wurde
noch ein weit kräftigerer und ernſtlicherer Verſuch gemacht;
Alles ſchien gelungen, indem alle Zeichen der vorhergehenden
Expulſion ſich wieder einſtellten. Aber dennoch rettete der
Dämon ſich wieder, indem er, wie er nachher ausſagte, ſich
in einen unempfindlichen Theil des Körpers flüchtete, bis
der Sturm vorüber war. In dieſer Zeit beſuchte mich auch
auf der Durchreiſe ein angeſehener Gelehrter, der über Be-
ſitzungen anderer Meinung war. Dennoch machte auch er auf
Zureden einen Verſuch, indem er das böſe Weſen als ein
Nichts, als einen Wahn erklärte, dem er gebot, das
Weib zu verlaſſen. Kaum hatte er dieſe Worte geſprochen,
als er von einer Fluth des pöbelhafteſten Spottes überſchüttet
wurde, indem es der Dämon übel nahm, daß er nichts
und ein bloßer Wahn ſeyn ſolle.
Kerner, über Beſeſſenſeyn. 7
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |