Kepler, Johannes: Tertius interveniens. Franckfurt am Mäyn, 1610.Warvmb solte man dann nicht auch weytter gehen/ vnnd erkündigen/ ob nicht solches auch in noch verborgenern Dingen statt habe? Dann was die Kräutter belanget/ so findet der Hirsch/ die Schwalbe/ die Schlange/ die Geyß/ ein jedes Thier sein bequemliches Kraut/ warlich anderst nicht dann durch Mittel deß eusserlichen Anblicks. Es kennet aber solches jhme für bequemlich/ auß anerschaffener eyngebung ex instinctu. Weil aber der Mensch an statt deß instinctus diuini (so viel seinen eusserlichen Wandel belanget) sein Vernunfft hat/ gleich wie er an statt der natürlichen Bekleydung vnd bewehrung (die andere Thier von Geburt haben) die Hände hat/ daß er jhme seine Kleyder vnd Wehr selber machen solle: Warvmb solt er nicht auch durch seine Vernunfft jhme den instinctum diuinum, der Kräutter Eygenschafft auß jhrer Gestalt zu erkennen/ selber machen können? Darbey doch nicht geläugnet wirdt/ daß einer anfangs nicht auch köndte betrogen werden: sonderlich darvmb weil der Stücke an den Kräuttern sehr viel seyndt/ wie nit weniger auch der Nutzen vnd der symptomatum bey einer Kranckheit viel seyndt. Da muß es gewißlich weyt fehlen/ wann man Kräutter/ so auff einigerley weise einander gleich sehen/ vnd deren etwan eins für die Hitz gut ist/ darvmb alle miteinander zum Vngarischen Fieber brauchen wolte/ wie dann diß gar gemein. Dann die Leute seyndt einfältig/ haben die Augen zu jhrem einigen Lehrmeister/ die Augen aber sehen ein Ding confuse an/ mit Haut vnd Haar. Daher es kömpt/ daß solche Leute nicht vnterscheiden ein Ding in viel vnterschiedliche Dinge: vnd mit einem Wort jhrer Vernunfft sich nicht gebrauchen. Vnnd bedüncket mich/ die Warheit zu bekennen/ D. Feselius thue allhie den Medicis die rechte Philosophisch vernünfftige experimentationem herbarum allerdings benemmen/ vnnd sie einig auff die alte Weiblin/ vnnd auff den Glückfall oder Gerahtwol verweisen. Siiijv
Warvmb solte man dann nicht auch weytter gehen/ vnnd erkündigen/ ob nicht solches auch in noch verborgenern Dingen statt habe? Dann was die Kräutter belanget/ so findet der Hirsch/ die Schwalbe/ die Schlange/ die Geyß/ ein jedes Thier sein bequemliches Kraut/ warlich anderst nicht dann durch Mittel deß eusserlichen Anblicks. Es kennet aber solches jhme für bequemlich/ auß anerschaffener eyngebung ex instinctu. Weil aber der Mensch an statt deß instinctus diuini (so viel seinen eusserlichen Wandel belanget) sein Vernunfft hat/ gleich wie er an statt der natürlichen Bekleydung vnd bewehrung (die andere Thier von Geburt haben) die Hände hat/ daß er jhme seine Kleyder vnd Wehr selber machen solle: Warvmb solt er nicht auch durch seine Vernunfft jhme den instinctum diuinum, der Kräutter Eygenschafft auß jhrer Gestalt zu erkennen/ selber machen können? Darbey doch nicht geläugnet wirdt/ daß einer anfangs nicht auch köndte betrogen werden: sonderlich darvmb weil der Stücke an den Kräuttern sehr viel seyndt/ wie nit weniger auch der Nutzen vnd der symptomatum bey einer Kranckheit viel seyndt. Da muß es gewißlich weyt fehlen/ wann man Kräutter/ so auff einigerley weise einander gleich sehen/ vnd deren etwan eins für die Hitz gut ist/ darvmb alle miteinander zum Vngarischen Fieber brauchen wolte/ wie dann diß gar gemein. Dann die Leute seyndt einfältig/ haben die Augen zu jhrem einigen Lehrmeister/ die Augen aber sehen ein Ding confuse an/ mit Haut vnd Haar. Daher es kömpt/ daß solche Leute nicht vnterscheiden ein Ding in viel vnterschiedliche Dinge: vnd mit einem Wort jhrer Vernunfft sich nicht gebrauchen. Vnnd bedüncket mich/ die Warheit zu bekennen/ D. Feselius thue allhie den Medicis die rechte Philosophisch vernünfftige experimentationem herbarum allerdings benemmen/ vnnd sie einig auff die alte Weiblin/ vnnd auff den Glückfall oder Gerahtwol verweisen. Siiijv
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Warvmb solte man dann nicht auch weytter gehen/ vnnd erkündigen/ ob nicht solches auch in noch verborgenern Dingen statt habe?
Dann was die Kräutter belanget/ so findet der Hirsch/ die Schwalbe/ die Schlange/ die Geyß/ ein jedes Thier sein bequemliches Kraut/ warlich anderst nicht dann durch Mittel deß eusserlichen Anblicks. Es kennet aber solches jhme für bequemlich/ auß anerschaffener eyngebung ex instinctu. Weil aber der Mensch an statt deß instinctus diuini (so viel seinen eusserlichen Wandel belanget) sein Vernunfft hat/ gleich wie er an statt der natürlichen Bekleydung vnd bewehrung (die andere Thier von Geburt haben) die Hände hat/ daß er jhme seine Kleyder vnd Wehr selber machen solle: Warvmb solt er nicht auch durch seine Vernunfft jhme den instinctum diuinum, der Kräutter Eygenschafft auß jhrer Gestalt zu erkennen/ selber machen können?
Darbey doch nicht geläugnet wirdt/ daß einer anfangs nicht auch köndte betrogen werden: sonderlich darvmb weil der Stücke an den Kräuttern sehr viel seyndt/ wie nit weniger auch der Nutzen vnd der symptomatum bey einer Kranckheit viel seyndt. Da muß es gewißlich weyt fehlen/ wann man Kräutter/ so auff einigerley weise einander gleich sehen/ vnd deren etwan eins für die Hitz gut ist/ darvmb alle miteinander zum Vngarischen Fieber brauchen wolte/ wie dann diß gar gemein. Dann die Leute seyndt einfältig/ haben die Augen zu jhrem einigen Lehrmeister/ die Augen aber sehen ein Ding confuse an/ mit Haut vnd Haar. Daher es kömpt/ daß solche Leute nicht vnterscheiden ein Ding in viel vnterschiedliche Dinge: vnd mit einem Wort jhrer Vernunfft sich nicht gebrauchen.
Vnnd bedüncket mich/ die Warheit zu bekennen/ D. Feselius thue allhie den Medicis die rechte Philosophisch vernünfftige experimentationem herbarum allerdings benemmen/ vnnd sie einig auff die alte Weiblin/ vnnd auff den Glückfall oder Gerahtwol verweisen.
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Zitationshilfe: | Kepler, Johannes: Tertius interveniens. Franckfurt am Mäyn, 1610, S. [Siiijv]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keppler_tertius_1610/161>, abgerufen am 17.02.2025. |