wie eine Schraube ohne Ende vor meiner Einbil- dung vorüber, daß ich am Ende nicht wußte, hat die Henne vor dem Ey, oder das Ey vor der Hen- ne seyn müssen? bis mir Herder den Knoten ge- löst hat, wovon unten noch ein par Worte.
Court de Gebelin will uns mit seiner über- strömenden Beredsamkeit überzeugen, daß nicht nur allein die Organisation znr Sprache, sondern auch die Sprache selbst eine unmittelbare Gabe des Schö- pfers ist, daß der Mensch mit aller seiner Fähigkeit nie eine Sprache von sich selbst erfunden hätte, daß alle Sprachen aus einer Ursprache, wie so viel Sprossen aus einem Stamm entsprungen sind, daß auch diejenigen Wörter, die der Mensch erfun- den hat, nicht aus seiner Willkühr, sondern aus der Natur der Dinge hergeholt worden sind, folg- lich so und nicht anders lauten mußten. Durch eine Etymologie, die eine überaus tiefe Sprachenkennt- niß verräth, beweiset er auch manches ziemlich klar, gar vieles aber hat nicht ganz alle Wahrscheinlich- keit für sich.(*)
(*)Monde primitif. Origine du Langage.
uͤber den Urſprung der Sprachen.
wie eine Schraube ohne Ende vor meiner Einbil- dung voruͤber, daß ich am Ende nicht wußte, hat die Henne vor dem Ey, oder das Ey vor der Hen- ne ſeyn muͤſſen? bis mir Herder den Knoten ge- loͤſt hat, wovon unten noch ein par Worte.
Court de Gebelin will uns mit ſeiner uͤber- ſtroͤmenden Beredſamkeit uͤberzeugen, daß nicht nur allein die Organiſation znr Sprache, ſondern auch die Sprache ſelbſt eine unmittelbare Gabe des Schoͤ- pfers iſt, daß der Menſch mit aller ſeiner Faͤhigkeit nie eine Sprache von ſich ſelbſt erfunden haͤtte, daß alle Sprachen aus einer Urſprache, wie ſo viel Sproſſen aus einem Stamm entſprungen ſind, daß auch diejenigen Woͤrter, die der Menſch erfun- den hat, nicht aus ſeiner Willkuͤhr, ſondern aus der Natur der Dinge hergeholt worden ſind, folg- lich ſo und nicht anders lauten mußten. Durch eine Etymologie, die eine uͤberaus tiefe Sprachenkennt- niß verraͤth, beweiſet er auch manches ziemlich klar, gar vieles aber hat nicht ganz alle Wahrſcheinlich- keit fuͤr ſich.(*)
(*)Monde primitif. Origine du Langage.
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uͤber den Urſprung der Sprachen.
wie eine Schraube ohne Ende vor meiner Einbil-
dung voruͤber, daß ich am Ende nicht wußte, hat
die Henne vor dem Ey, oder das Ey vor der Hen-
ne ſeyn muͤſſen? bis mir Herder den Knoten ge-
loͤſt hat, wovon unten noch ein par Worte.
Court de Gebelin will uns mit ſeiner uͤber-
ſtroͤmenden Beredſamkeit uͤberzeugen, daß nicht nur
allein die Organiſation znr Sprache, ſondern auch
die Sprache ſelbſt eine unmittelbare Gabe des Schoͤ-
pfers iſt, daß der Menſch mit aller ſeiner Faͤhigkeit
nie eine Sprache von ſich ſelbſt erfunden haͤtte, daß
alle Sprachen aus einer Urſprache, wie ſo viel
Sproſſen aus einem Stamm entſprungen ſind,
daß auch diejenigen Woͤrter, die der Menſch erfun-
den hat, nicht aus ſeiner Willkuͤhr, ſondern aus
der Natur der Dinge hergeholt worden ſind, folg-
lich ſo und nicht anders lauten mußten. Durch eine
Etymologie, die eine uͤberaus tiefe Sprachenkennt-
niß verraͤth, beweiſet er auch manches ziemlich klar,
gar vieles aber hat nicht ganz alle Wahrſcheinlich-
keit fuͤr ſich. (*)
(*) Monde primitif. Origine du Langage.
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Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/59>, abgerufen am 23.11.2024.
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