Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Von den Lauten oder Buchstaben.
Denn es muß nach physikalischen Grundsätzen im-
mer einerley seyn, ob die Luft von oben, wie Fig.
3.
oder von unten, wie Fig. 4. durch die Schnei-
de geschärft oder gestreift wird. Und dennoch wird
ein geübtes Ohr immer einen Unterschied bemer-
ken nur bloß darum, weil die Luft wie Fig. 4. ih-
re Richtung nach den punktirten Linien abwärts
bekömmt, und wenn gleich dieser Unterschied nicht
immer bey dem einzelnen F bemerkt wird, so ge-
schieht es doch sicher, wenn es mit anderen Buch-
staben in eine Sylbe verbunden ist. z. B. Pfeffer,
Freude, Dorf
. Denn der Uibergang von einem
solchen F zu einem anderen Buchstaben, und so
auch umgekehrt, hat immer etwas Gezwungenes und
Ungewöhnliches, das dem Ohre sogleich auffällt (*)

Noch
(*) Jch habe zwey Knaben gekannt, die die oberen
Schneidezähne verloren, und sich angewöhnt hatten,
das F auf diese umgekehrte Art, das ist, mit den unte-
ren Zähnen zu machen. Unvermerkt wuchsen ihnen die
oberen Zähne wieder, und dennoch blieben sie bey ih-
rem Fehler, zu dem sie Anfangs die Noth verleitet,
hernach aber eine lange Uibung zu sehr gewöhnt hatte.
R 2

Von den Lauten oder Buchſtaben.
Denn es muß nach phyſikaliſchen Grundſaͤtzen im-
mer einerley ſeyn, ob die Luft von oben, wie Fig.
3.
oder von unten, wie Fig. 4. durch die Schnei-
de geſchaͤrft oder geſtreift wird. Und dennoch wird
ein geuͤbtes Ohr immer einen Unterſchied bemer-
ken nur bloß darum, weil die Luft wie Fig. 4. ih-
re Richtung nach den punktirten Linien abwaͤrts
bekoͤmmt, und wenn gleich dieſer Unterſchied nicht
immer bey dem einzelnen F bemerkt wird, ſo ge-
ſchieht es doch ſicher, wenn es mit anderen Buch-
ſtaben in eine Sylbe verbunden iſt. z. B. Pfeffer,
Freude, Dorf
. Denn der Uibergang von einem
ſolchen F zu einem anderen Buchſtaben, und ſo
auch umgekehrt, hat immer etwas Gezwungenes und
Ungewoͤhnliches, das dem Ohre ſogleich auffaͤllt (*)

Noch
(*) Jch habe zwey Knaben gekannt, die die oberen
Schneidezaͤhne verloren, und ſich angewoͤhnt hatten,
das F auf dieſe umgekehrte Art, das iſt, mit den unte-
ren Zaͤhnen zu machen. Unvermerkt wuchſen ihnen die
oberen Zaͤhne wieder, und dennoch blieben ſie bey ih-
rem Fehler, zu dem ſie Anfangs die Noth verleitet,
hernach aber eine lange Uibung zu ſehr gewoͤhnt hatte.
R 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0315" n="259"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von den Lauten oder Buch&#x017F;taben</hi>.</fw><lb/>
Denn es muß nach phy&#x017F;ikali&#x017F;chen Grund&#x017F;a&#x0364;tzen im-<lb/>
mer einerley &#x017F;eyn, ob die Luft von oben, wie <hi rendition="#aq">Fig.<lb/>
3.</hi> oder von unten, wie <hi rendition="#aq">Fig. 4.</hi> durch die Schnei-<lb/>
de ge&#x017F;cha&#x0364;rft oder ge&#x017F;treift wird. Und dennoch wird<lb/>
ein geu&#x0364;btes Ohr immer einen Unter&#x017F;chied bemer-<lb/>
ken nur bloß darum, weil die Luft wie <hi rendition="#aq">Fig. 4.</hi> ih-<lb/>
re Richtung nach den punktirten Linien <hi rendition="#b">abwa&#x0364;rts</hi><lb/>
beko&#x0364;mmt, und wenn gleich die&#x017F;er Unter&#x017F;chied nicht<lb/>
immer bey dem einzelnen <hi rendition="#aq">F</hi> bemerkt wird, &#x017F;o ge-<lb/>
&#x017F;chieht es doch &#x017F;icher, wenn es mit anderen Buch-<lb/>
&#x017F;taben in eine Sylbe verbunden i&#x017F;t. z. B. <hi rendition="#b">Pfeffer,<lb/>
Freude, Dorf</hi>. Denn der Uibergang von einem<lb/>
&#x017F;olchen <hi rendition="#aq">F</hi> zu einem anderen Buch&#x017F;taben, und &#x017F;o<lb/>
auch umgekehrt, hat immer etwas Gezwungenes und<lb/>
Ungewo&#x0364;hnliches, das dem Ohre &#x017F;ogleich auffa&#x0364;llt <note xml:id="seg2pn_20_1" next="#seg2pn_20_2" place="foot" n="(*)">Jch habe zwey Knaben gekannt, die die oberen<lb/>
Schneideza&#x0364;hne verloren, und &#x017F;ich angewo&#x0364;hnt hatten,<lb/>
das <hi rendition="#aq">F</hi> auf die&#x017F;e umgekehrte Art, das i&#x017F;t, mit den unte-<lb/>
ren Za&#x0364;hnen zu machen. Unvermerkt wuch&#x017F;en ihnen die<lb/>
oberen Za&#x0364;hne wieder, und dennoch blieben &#x017F;ie bey ih-<lb/>
rem Fehler, zu dem &#x017F;ie Anfangs die Noth verleitet,<lb/>
hernach aber eine lange Uibung zu &#x017F;ehr gewo&#x0364;hnt hatte.</note></p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">R 2</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Noch</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0315] Von den Lauten oder Buchſtaben. Denn es muß nach phyſikaliſchen Grundſaͤtzen im- mer einerley ſeyn, ob die Luft von oben, wie Fig. 3. oder von unten, wie Fig. 4. durch die Schnei- de geſchaͤrft oder geſtreift wird. Und dennoch wird ein geuͤbtes Ohr immer einen Unterſchied bemer- ken nur bloß darum, weil die Luft wie Fig. 4. ih- re Richtung nach den punktirten Linien abwaͤrts bekoͤmmt, und wenn gleich dieſer Unterſchied nicht immer bey dem einzelnen F bemerkt wird, ſo ge- ſchieht es doch ſicher, wenn es mit anderen Buch- ſtaben in eine Sylbe verbunden iſt. z. B. Pfeffer, Freude, Dorf. Denn der Uibergang von einem ſolchen F zu einem anderen Buchſtaben, und ſo auch umgekehrt, hat immer etwas Gezwungenes und Ungewoͤhnliches, das dem Ohre ſogleich auffaͤllt (*) Noch (*) Jch habe zwey Knaben gekannt, die die oberen Schneidezaͤhne verloren, und ſich angewoͤhnt hatten, das F auf dieſe umgekehrte Art, das iſt, mit den unte- ren Zaͤhnen zu machen. Unvermerkt wuchſen ihnen die oberen Zaͤhne wieder, und dennoch blieben ſie bey ih- rem Fehler, zu dem ſie Anfangs die Noth verleitet, hernach aber eine lange Uibung zu ſehr gewoͤhnt hatte. R 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/315
Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/315>, abgerufen am 23.11.2024.