Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.Von den Werkzeugen der Sprache. seine täglich mehr anwachsende Bedürfniße, beson-ders, als er mit anderen in Gesellschaft trat, aus- zudrücken, und hat also vorsetzlich mehrere Laute gesucht. Vielleicht hat sie ihm ein Zufall, ein Unge- fähr zugeführt. Vielleicht hat er unvorsetzlich bey ge- schlossenem Munde einen gewöhnlichen Laut anstim- men wollen, und dabey bemerkt, daß hieraus ein anderer gedämpfterer Laut entstünde, der aus der Nase kömmt. So hätte er schon das m. schon Ei- nen Werkzeug, die Nase, gefunden. Die vor dem Ausruf zufällig an den Gaumen gelegte Zunge, oder der mit den Lippen geschlossene Mund hätte ihm ein T. ein P. verschafft, und so hätte er die Brauch- barkeit der Zunge und der Lippen entdeckt, und endlich alle Werkzeuge der Nahrung zu Werkzeugen der Sprache machen gelernt. Es haben aber nicht alle Völker alle Fähig- N.
Von den Werkzeugen der Sprache. ſeine taͤglich mehr anwachſende Beduͤrfniße, beſon-ders, als er mit anderen in Geſellſchaft trat, aus- zudruͤcken, und hat alſo vorſetzlich mehrere Laute geſucht. Vielleicht hat ſie ihm ein Zufall, ein Unge- faͤhr zugefuͤhrt. Vielleicht hat er unvorſetzlich bey ge- ſchloſſenem Munde einen gewoͤhnlichen Laut anſtim- men wollen, und dabey bemerkt, daß hieraus ein anderer gedaͤmpfterer Laut entſtuͤnde, der aus der Naſe koͤmmt. So haͤtte er ſchon das m. ſchon Ei- nen Werkzeug, die Naſe, gefunden. Die vor dem Ausruf zufaͤllig an den Gaumen gelegte Zunge, oder der mit den Lippen geſchloſſene Mund haͤtte ihm ein T. ein P. verſchafft, und ſo haͤtte er die Brauch- barkeit der Zunge und der Lippen entdeckt, und endlich alle Werkzeuge der Nahrung zu Werkzeugen der Sprache machen gelernt. Es haben aber nicht alle Voͤlker alle Faͤhig- N.
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Von den Werkzeugen der Sprache.
ſeine taͤglich mehr anwachſende Beduͤrfniße, beſon-
ders, als er mit anderen in Geſellſchaft trat, aus-
zudruͤcken, und hat alſo vorſetzlich mehrere Laute
geſucht. Vielleicht hat ſie ihm ein Zufall, ein Unge-
faͤhr zugefuͤhrt. Vielleicht hat er unvorſetzlich bey ge-
ſchloſſenem Munde einen gewoͤhnlichen Laut anſtim-
men wollen, und dabey bemerkt, daß hieraus ein
anderer gedaͤmpfterer Laut entſtuͤnde, der aus der
Naſe koͤmmt. So haͤtte er ſchon das m. ſchon Ei-
nen Werkzeug, die Naſe, gefunden. Die vor dem
Ausruf zufaͤllig an den Gaumen gelegte Zunge, oder
der mit den Lippen geſchloſſene Mund haͤtte ihm
ein T. ein P. verſchafft, und ſo haͤtte er die Brauch-
barkeit der Zunge und der Lippen entdeckt, und
endlich alle Werkzeuge der Nahrung zu Werkzeugen
der Sprache machen gelernt.
Es haben aber nicht alle Voͤlker alle Faͤhig-
keiten der Sprachwerkzeuge ausgeſpuͤrt, und in ihrer
Sprache benuͤtzt; z. B. die Nachbaren von Neuen-
gelland in Amerika kennen die zwey wichtigen Zun-
genlaute L und R. gar nicht, ſie erſetzen ſie durch
N.
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