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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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Herren darin, in Verbindung mit den Bewohnern und
Gästen umliegender Häuser, das Waldhorn zum Sammel¬
platz auf Jagd- und Streifzügen zu wählen, dort Tage
und Nächte lang zu liegen und der schönen Wirthstochter
den Hof zu machen. Die wußte sich denn auch unter
ihnen zu bewegen, daß es eine Art hatte und die Eltern
vor Bewunderung außer sich geriethen.

Da war nun auch ein junger Städter oft bei uns, ein
hübsches aber durchaus unnützes Bürschchen, das von ein
wenig Schule und Schliff abgesehen beinah so thöricht
war, wie die Dame im Waldhorn. Reich, übermüthig
und ein ganz verzogenes Muttersöhnchen, gab er, so leer
sein Kopf an guten Dingen war, um so vorlauter in
allen Narrheiten den Ton an und war hauptsächlich im
Waldhorn der erste und der letzte. Dies zu sein, war
ihm auch Ehrensache, und wenn er einen Streich nicht
angegeben hatte oder in den Zusammenkünften nicht die
Hauptrolle spielte, so fragte er nichts darnach und that,
als sähe er nichts, statt mit zu lachen. Am meisten machte
er sich mit der Salome zu schaffen, belagerte sie unauf¬
hörlich, behauptete, sie sei in ihn verliebt und er wolle
sich besinnen, ob er um sie anhalten wolle, was selbst¬
verständlich alles nur Scherz sein sollte. Sie widersprach
ihm eben so unaufhörlich mit spitzigen Spottreden, die
mehr grob als launig ausfielen, versicherte, sie könne ihn
nicht ausstehen, und war inzwischen begierig, wie sie ihn
an sich festbinden werde, woran sie nicht zweifelte; denn

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Herren darin, in Verbindung mit den Bewohnern und
Gäſten umliegender Häuſer, das Waldhorn zum Sammel¬
platz auf Jagd- und Streifzügen zu wählen, dort Tage
und Nächte lang zu liegen und der ſchönen Wirthstochter
den Hof zu machen. Die wußte ſich denn auch unter
ihnen zu bewegen, daß es eine Art hatte und die Eltern
vor Bewunderung außer ſich geriethen.

Da war nun auch ein junger Städter oft bei uns, ein
hübſches aber durchaus unnützes Bürſchchen, das von ein
wenig Schule und Schliff abgeſehen beinah ſo thöricht
war, wie die Dame im Waldhorn. Reich, übermüthig
und ein ganz verzogenes Mutterſöhnchen, gab er, ſo leer
ſein Kopf an guten Dingen war, um ſo vorlauter in
allen Narrheiten den Ton an und war hauptſächlich im
Waldhorn der erſte und der letzte. Dies zu ſein, war
ihm auch Ehrenſache, und wenn er einen Streich nicht
angegeben hatte oder in den Zuſammenkünften nicht die
Hauptrolle ſpielte, ſo fragte er nichts darnach und that,
als ſähe er nichts, ſtatt mit zu lachen. Am meiſten machte
er ſich mit der Salome zu ſchaffen, belagerte ſie unauf¬
hörlich, behauptete, ſie ſei in ihn verliebt und er wolle
ſich beſinnen, ob er um ſie anhalten wolle, was ſelbſt¬
verſtändlich alles nur Scherz ſein ſollte. Sie widerſprach
ihm eben ſo unaufhörlich mit ſpitzigen Spottreden, die
mehr grob als launig ausfielen, verſicherte, ſie könne ihn
nicht ausſtehen, und war inzwiſchen begierig, wie ſie ihn
an ſich feſtbinden werde, woran ſie nicht zweifelte; denn

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[51/0061] Herren darin, in Verbindung mit den Bewohnern und Gäſten umliegender Häuſer, das Waldhorn zum Sammel¬ platz auf Jagd- und Streifzügen zu wählen, dort Tage und Nächte lang zu liegen und der ſchönen Wirthstochter den Hof zu machen. Die wußte ſich denn auch unter ihnen zu bewegen, daß es eine Art hatte und die Eltern vor Bewunderung außer ſich geriethen. Da war nun auch ein junger Städter oft bei uns, ein hübſches aber durchaus unnützes Bürſchchen, das von ein wenig Schule und Schliff abgeſehen beinah ſo thöricht war, wie die Dame im Waldhorn. Reich, übermüthig und ein ganz verzogenes Mutterſöhnchen, gab er, ſo leer ſein Kopf an guten Dingen war, um ſo vorlauter in allen Narrheiten den Ton an und war hauptſächlich im Waldhorn der erſte und der letzte. Dies zu ſein, war ihm auch Ehrenſache, und wenn er einen Streich nicht angegeben hatte oder in den Zuſammenkünften nicht die Hauptrolle ſpielte, ſo fragte er nichts darnach und that, als ſähe er nichts, ſtatt mit zu lachen. Am meiſten machte er ſich mit der Salome zu ſchaffen, belagerte ſie unauf¬ hörlich, behauptete, ſie ſei in ihn verliebt und er wolle ſich beſinnen, ob er um ſie anhalten wolle, was ſelbſt¬ verſtändlich alles nur Scherz ſein ſollte. Sie widerſprach ihm eben ſo unaufhörlich mit ſpitzigen Spottreden, die mehr grob als launig ausfielen, verſicherte, ſie könne ihn nicht ausſtehen, und war inzwiſchen begierig, wie ſie ihn an ſich feſtbinden werde, woran ſie nicht zweifelte; denn 4*

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/61>, abgerufen am 25.11.2024.