und ihr folgten, höhnische Blicke nach dem unglücklich Aufrichtigen schleudernd. Reinhart säumte nicht, sich gleichermaßen auf die Beine zu stellen, und nachdem er mit Bestürzung eine kleine Weile dem Spaziergange zu¬ gesehen, sagte er:
"Mein Fräulein, wenn Sie es befehlen, so werde ich ohne Verzug das Haus verlassen und mit höflichstem Danke auch für kurzen aber denkwürdigen Aufenthalt augenblicklich meinen Weg fortsetzen!"
Ohne still zu stehen erwiderte die Schöne:
"Es ist zwar Nacht und kein Unterkommen für Sie in der Nähe; aber dennoch geht es unter den bewußten Umständen nicht an, daß Sie hier bleiben, in allem Frieden sei es gesagt! Auch kann die nächtliche Fahrt Ihrem unter¬ nehmendem Geiste nur willkommen sein, und überdies werde ich Ihnen einen Wegleiter sammt Laterne mit¬ geben."
Demnach blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu entfernen; bescheiden ging er der Dame entgegen, und im Begriff, sich ehrerbietig zu verbeugen, besann er sich aber eines Besseren, richtete sich auf und sagte höflich:
"Ich überlege soeben, daß ich für Sie und für mich am besten thue, wenn ich mich doch nicht so schimpflich hier fortjagen lasse! Denn während ich durch mein Bleiben meine eigene Würde bewahre, gebe ich Ihnen Gelegenheit, auf die herrlichste Weise Ihre weibliche Glorie zu behaupten. Denn auch vorausgesetzt, daß ich irgend einen ungehörigen,
und ihr folgten, höhniſche Blicke nach dem unglücklich Aufrichtigen ſchleudernd. Reinhart ſäumte nicht, ſich gleichermaßen auf die Beine zu ſtellen, und nachdem er mit Beſtürzung eine kleine Weile dem Spaziergange zu¬ geſehen, ſagte er:
„Mein Fräulein, wenn Sie es befehlen, ſo werde ich ohne Verzug das Haus verlaſſen und mit höflichſtem Danke auch für kurzen aber denkwürdigen Aufenthalt augenblicklich meinen Weg fortſetzen!“
Ohne ſtill zu ſtehen erwiderte die Schöne:
„Es iſt zwar Nacht und kein Unterkommen für Sie in der Nähe; aber dennoch geht es unter den bewußten Umſtänden nicht an, daß Sie hier bleiben, in allem Frieden ſei es geſagt! Auch kann die nächtliche Fahrt Ihrem unter¬ nehmendem Geiſte nur willkommen ſein, und überdies werde ich Ihnen einen Wegleiter ſammt Laterne mit¬ geben.“
Demnach blieb ihm nichts anderes übrig, als ſich zu entfernen; beſcheiden ging er der Dame entgegen, und im Begriff, ſich ehrerbietig zu verbeugen, beſann er ſich aber eines Beſſeren, richtete ſich auf und ſagte höflich:
„Ich überlege ſoeben, daß ich für Sie und für mich am beſten thue, wenn ich mich doch nicht ſo ſchimpflich hier fortjagen laſſe! Denn während ich durch mein Bleiben meine eigene Würde bewahre, gebe ich Ihnen Gelegenheit, auf die herrlichſte Weiſe Ihre weibliche Glorie zu behaupten. Denn auch vorausgeſetzt, daß ich irgend einen ungehörigen,
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und ihr folgten, höhniſche Blicke nach dem unglücklich
Aufrichtigen ſchleudernd. Reinhart ſäumte nicht, ſich
gleichermaßen auf die Beine zu ſtellen, und nachdem er
mit Beſtürzung eine kleine Weile dem Spaziergange zu¬
geſehen, ſagte er:
„Mein Fräulein, wenn Sie es befehlen, ſo werde ich
ohne Verzug das Haus verlaſſen und mit höflichſtem
Danke auch für kurzen aber denkwürdigen Aufenthalt
augenblicklich meinen Weg fortſetzen!“
Ohne ſtill zu ſtehen erwiderte die Schöne:
„Es iſt zwar Nacht und kein Unterkommen für Sie
in der Nähe; aber dennoch geht es unter den bewußten
Umſtänden nicht an, daß Sie hier bleiben, in allem Frieden
ſei es geſagt! Auch kann die nächtliche Fahrt Ihrem unter¬
nehmendem Geiſte nur willkommen ſein, und überdies
werde ich Ihnen einen Wegleiter ſammt Laterne mit¬
geben.“
Demnach blieb ihm nichts anderes übrig, als ſich zu
entfernen; beſcheiden ging er der Dame entgegen, und im
Begriff, ſich ehrerbietig zu verbeugen, beſann er ſich aber
eines Beſſeren, richtete ſich auf und ſagte höflich:
„Ich überlege ſoeben, daß ich für Sie und für mich
am beſten thue, wenn ich mich doch nicht ſo ſchimpflich
hier fortjagen laſſe! Denn während ich durch mein Bleiben
meine eigene Würde bewahre, gebe ich Ihnen Gelegenheit,
auf die herrlichſte Weiſe Ihre weibliche Glorie zu behaupten.
Denn auch vorausgeſetzt, daß ich irgend einen ungehörigen,
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/57>, abgerufen am 09.11.2024.
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