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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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bemalte Axt über dem Haupte schwang, indem er die
andere Faust gegen die schlanke Hüfte stützte, da fühlten
die europäischen Gäste beinahe ihre gepuderten Haare
knistern, denen besonders das Scalpiermesser nicht gefiel.

Quoneschi, die Wasserjungfer aber, die zu den Füßen
Thibaut's lag, that erst einen Seufzer und ließ dann
einen jauchzenden Jubelruf ertönen; sie rüttelte den Offizier
am Arme und zeigte mit feurigen Augen auf den Kriegs¬
tänzer, indianische Worte redend wie mit Engelszungen,
die aber Thibaut nicht verstand, bis ein hinter ihm
stehender Amerikaner sagte: "das Weibsbild schreit immer,
das sei ihr Verlobter, ihr Liebhaber, dessen Frau sie
noch heute sein werde!"

Ganz starr vor Erstaunen blickte Thibaut nach dem
Tänzer hin, dessen schreckliches Gesicht in allen Farben zu
blitzen schien, so daß er es nicht deutlich zu sehen ver¬
mochte in seiner Verwirrung. Immer näher kam der
Donner-Bär mit seiner Bande; da riefen auf einmal
mehrere Offiziere unter schallendem Gelächter:

"Parbleu! der hat ja die Berlocken des Herrn von
Vallormes an der Nase hängen!"

Entsetzt sah Thibaut die Wahrheit dieser Bemerkung;
sie hingen dort, die Berlocken. Der Wilde tanzte jetzt
dicht vor ihm und unter seiner blau und roth bemalten
Nase, deren Rücken durch einen scharf gebogenen weißen
Strich bezeichnet war, funkelte und blitzte es, bammelte
das Korallenherz der verlassenen Guillemette, das Krystall¬

bemalte Axt über dem Haupte ſchwang, indem er die
andere Fauſt gegen die ſchlanke Hüfte ſtützte, da fühlten
die europäiſchen Gäſte beinahe ihre gepuderten Haare
kniſtern, denen beſonders das Scalpiermeſſer nicht gefiel.

Quoneſchi, die Waſſerjungfer aber, die zu den Füßen
Thibaut's lag, that erſt einen Seufzer und ließ dann
einen jauchzenden Jubelruf ertönen; ſie rüttelte den Offizier
am Arme und zeigte mit feurigen Augen auf den Kriegs¬
tänzer, indianiſche Worte redend wie mit Engelszungen,
die aber Thibaut nicht verſtand, bis ein hinter ihm
ſtehender Amerikaner ſagte: „das Weibsbild ſchreit immer,
das ſei ihr Verlobter, ihr Liebhaber, deſſen Frau ſie
noch heute ſein werde!“

Ganz ſtarr vor Erſtaunen blickte Thibaut nach dem
Tänzer hin, deſſen ſchreckliches Geſicht in allen Farben zu
blitzen ſchien, ſo daß er es nicht deutlich zu ſehen ver¬
mochte in ſeiner Verwirrung. Immer näher kam der
Donner-Bär mit ſeiner Bande; da riefen auf einmal
mehrere Offiziere unter ſchallendem Gelächter:

„Parbleu! der hat ja die Berlocken des Herrn von
Vallormes an der Naſe hängen!“

Entſetzt ſah Thibaut die Wahrheit dieſer Bemerkung;
ſie hingen dort, die Berlocken. Der Wilde tanzte jetzt
dicht vor ihm und unter ſeiner blau und roth bemalten
Naſe, deren Rücken durch einen ſcharf gebogenen weißen
Strich bezeichnet war, funkelte und blitzte es, bammelte
das Korallenherz der verlaſſenen Guillemette, das Kryſtall¬

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[366/0376] bemalte Axt über dem Haupte ſchwang, indem er die andere Fauſt gegen die ſchlanke Hüfte ſtützte, da fühlten die europäiſchen Gäſte beinahe ihre gepuderten Haare kniſtern, denen beſonders das Scalpiermeſſer nicht gefiel. Quoneſchi, die Waſſerjungfer aber, die zu den Füßen Thibaut's lag, that erſt einen Seufzer und ließ dann einen jauchzenden Jubelruf ertönen; ſie rüttelte den Offizier am Arme und zeigte mit feurigen Augen auf den Kriegs¬ tänzer, indianiſche Worte redend wie mit Engelszungen, die aber Thibaut nicht verſtand, bis ein hinter ihm ſtehender Amerikaner ſagte: „das Weibsbild ſchreit immer, das ſei ihr Verlobter, ihr Liebhaber, deſſen Frau ſie noch heute ſein werde!“ Ganz ſtarr vor Erſtaunen blickte Thibaut nach dem Tänzer hin, deſſen ſchreckliches Geſicht in allen Farben zu blitzen ſchien, ſo daß er es nicht deutlich zu ſehen ver¬ mochte in ſeiner Verwirrung. Immer näher kam der Donner-Bär mit ſeiner Bande; da riefen auf einmal mehrere Offiziere unter ſchallendem Gelächter: „Parbleu! der hat ja die Berlocken des Herrn von Vallormes an der Naſe hängen!“ Entſetzt ſah Thibaut die Wahrheit dieſer Bemerkung; ſie hingen dort, die Berlocken. Der Wilde tanzte jetzt dicht vor ihm und unter ſeiner blau und roth bemalten Naſe, deren Rücken durch einen ſcharf gebogenen weißen Strich bezeichnet war, funkelte und blitzte es, bammelte das Korallenherz der verlaſſenen Guillemette, das Kryſtall¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/376>, abgerufen am 25.11.2024.