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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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sicherung schuldiger Dankbarkeit und gewünschter Gegen¬
dienste.

Die Abfahrt der Schiffe war freilich schon früher be¬
stimmt gewesen; die Einschiffung der Zambo aber hatte
er ganz plötzlich und rasch betrieben, und als die Jesuiten
ihre Speculationen auf die Wunderperson an diesem Tage
weiter ausarbeiten und vor allem nur die Visionärin in
Sicherheit bringen wollten, fuhren die Schiffe längst außer
Sicht, und der zukünftige Wallfahrtsort an der Westküste
des Welttheils verwandelte sich einstweilen in ein Luft¬
schloß und ist es auch geblieben.

Zambo-Maria selbst wußte am wenigsten, was mit
ihr vorging. Als der Admiral seine letzten Anordnungen
auf dem Schiffe getroffen und dasselbe verließ, hatte er
sich zum Abschiede nicht länger bei ihr aufgehalten, als
bei anderen Nebenpersonen, und kaum ihre schmale braune
Hand einen Augenblick in die seine genommen und ge¬
streichelt, indem er seinem guten Taufpathchen, daß es
Jeder hören konnte, ein par gewöhnliche Worte der
Aufmunterung sagte, dann aber sich abwendete und nicht
mehr umsah. Das Naturkind schien aber die Hauptsache
schon soweit zu verstehen, daß sie die par leichten Lieb¬
kosungen, die sie von ihm erfahren, sowie das Geschenk
des Ringes sorgfältig bei sich behielt, obschon die Frauens¬
personen bereits das eine und andere Wort mit ihr aus¬
tauschen konnten und sie schon auf dem Schiffe ein weniges
portugiesisch plaudern lernte.

ſicherung ſchuldiger Dankbarkeit und gewünſchter Gegen¬
dienſte.

Die Abfahrt der Schiffe war freilich ſchon früher be¬
ſtimmt geweſen; die Einſchiffung der Zambo aber hatte
er ganz plötzlich und raſch betrieben, und als die Jeſuiten
ihre Speculationen auf die Wunderperſon an dieſem Tage
weiter ausarbeiten und vor allem nur die Viſionärin in
Sicherheit bringen wollten, fuhren die Schiffe längſt außer
Sicht, und der zukünftige Wallfahrtsort an der Weſtküſte
des Welttheils verwandelte ſich einſtweilen in ein Luft¬
ſchloß und iſt es auch geblieben.

Zambo-Maria ſelbſt wußte am wenigſten, was mit
ihr vorging. Als der Admiral ſeine letzten Anordnungen
auf dem Schiffe getroffen und daſſelbe verließ, hatte er
ſich zum Abſchiede nicht länger bei ihr aufgehalten, als
bei anderen Nebenperſonen, und kaum ihre ſchmale braune
Hand einen Augenblick in die ſeine genommen und ge¬
ſtreichelt, indem er ſeinem guten Taufpathchen, daß es
Jeder hören konnte, ein par gewöhnliche Worte der
Aufmunterung ſagte, dann aber ſich abwendete und nicht
mehr umſah. Das Naturkind ſchien aber die Hauptſache
ſchon ſoweit zu verſtehen, daß ſie die par leichten Lieb¬
koſungen, die ſie von ihm erfahren, ſowie das Geſchenk
des Ringes ſorgfältig bei ſich behielt, obſchon die Frauens¬
perſonen bereits das eine und andere Wort mit ihr aus¬
tauſchen konnten und ſie ſchon auf dem Schiffe ein weniges
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[322/0332] ſicherung ſchuldiger Dankbarkeit und gewünſchter Gegen¬ dienſte. Die Abfahrt der Schiffe war freilich ſchon früher be¬ ſtimmt geweſen; die Einſchiffung der Zambo aber hatte er ganz plötzlich und raſch betrieben, und als die Jeſuiten ihre Speculationen auf die Wunderperſon an dieſem Tage weiter ausarbeiten und vor allem nur die Viſionärin in Sicherheit bringen wollten, fuhren die Schiffe längſt außer Sicht, und der zukünftige Wallfahrtsort an der Weſtküſte des Welttheils verwandelte ſich einſtweilen in ein Luft¬ ſchloß und iſt es auch geblieben. Zambo-Maria ſelbſt wußte am wenigſten, was mit ihr vorging. Als der Admiral ſeine letzten Anordnungen auf dem Schiffe getroffen und daſſelbe verließ, hatte er ſich zum Abſchiede nicht länger bei ihr aufgehalten, als bei anderen Nebenperſonen, und kaum ihre ſchmale braune Hand einen Augenblick in die ſeine genommen und ge¬ ſtreichelt, indem er ſeinem guten Taufpathchen, daß es Jeder hören konnte, ein par gewöhnliche Worte der Aufmunterung ſagte, dann aber ſich abwendete und nicht mehr umſah. Das Naturkind ſchien aber die Hauptſache ſchon ſoweit zu verſtehen, daß ſie die par leichten Lieb¬ koſungen, die ſie von ihm erfahren, ſowie das Geſchenk des Ringes ſorgfältig bei ſich behielt, obſchon die Frauens¬ perſonen bereits das eine und andere Wort mit ihr aus¬ tauſchen konnten und ſie ſchon auf dem Schiffe ein weniges portugieſiſch plaudern lernte.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/332>, abgerufen am 23.11.2024.