Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

zu machen und zur größeren Sicherheit und Ausbreitung
der portugiesischen Herrschaft den Weg des Unterhandelns
einzuschlagen, eh' er die Waffen wieder ergriff.

Denn über die hinterliegenden Landstriche dehnte sich
in unbekannter Weite das Reich des sogenannten Königs
von Angola, dessen wahre Stärke nicht leicht zu berechnen
war, zumal er sich in geheimnißvoller Ferne hielt und
mit einem Nimbus von Macht und Schrecken umgab, der
so gut auf einiger Wirklichkeit, als auch nur auf schlauer
Prahlerei oder Täuschung beruhen konnte.

Correa setzte sich daher in einer geeigneten Landschaft
fest und ließ den für furchtbar geltenden Negerfürsten
durch eine Gesandtschaft gefangener Häuptlinge auffordern,
sich bei ihm einzufinden, um seine Tributpflicht und die
portugiesische Oberherrschaft über ganz Angola anzu¬
erkennen und für den Anfang zum Zeichen guten Willens
gleich so und so viel Goldstaub und Elfenbein mitzu¬
bringen. Der König von Angola fühlte sich durch diese
Botschaft nicht angenehm berührt, suchte sich aber mit
eigenthümlicher Staatsklugheit aus der Sache zu ziehen.
Er tödtete die armen Abgesandten, sobald sie Correa's
Befehle verkündigt, damit sie den Frevel nicht wiederholen
konnten. Dagegen sandte er schleunig eine eigene Bot¬
schaft mit einigen großen Elephantenzähnen und einem
Säcklein Goldsand in das portugiesische Lager, und ließ
jene Gegenstände als großmüthiges Geschenk der Freund¬
schaft überreichen und die Abordnung seiner königlichen

zu machen und zur größeren Sicherheit und Ausbreitung
der portugieſiſchen Herrſchaft den Weg des Unterhandelns
einzuſchlagen, eh' er die Waffen wieder ergriff.

Denn über die hinterliegenden Landſtriche dehnte ſich
in unbekannter Weite das Reich des ſogenannten Königs
von Angola, deſſen wahre Stärke nicht leicht zu berechnen
war, zumal er ſich in geheimnißvoller Ferne hielt und
mit einem Nimbus von Macht und Schrecken umgab, der
ſo gut auf einiger Wirklichkeit, als auch nur auf ſchlauer
Prahlerei oder Täuſchung beruhen konnte.

Correa ſetzte ſich daher in einer geeigneten Landſchaft
feſt und ließ den für furchtbar geltenden Negerfürſten
durch eine Geſandtſchaft gefangener Häuptlinge auffordern,
ſich bei ihm einzufinden, um ſeine Tributpflicht und die
portugieſiſche Oberherrſchaft über ganz Angola anzu¬
erkennen und für den Anfang zum Zeichen guten Willens
gleich ſo und ſo viel Goldſtaub und Elfenbein mitzu¬
bringen. Der König von Angola fühlte ſich durch dieſe
Botſchaft nicht angenehm berührt, ſuchte ſich aber mit
eigenthümlicher Staatsklugheit aus der Sache zu ziehen.
Er tödtete die armen Abgeſandten, ſobald ſie Correa's
Befehle verkündigt, damit ſie den Frevel nicht wiederholen
konnten. Dagegen ſandte er ſchleunig eine eigene Bot¬
ſchaft mit einigen großen Elephantenzähnen und einem
Säcklein Goldſand in das portugieſiſche Lager, und ließ
jene Gegenſtände als großmüthiges Geſchenk der Freund¬
ſchaft überreichen und die Abordnung ſeiner königlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0312" n="302"/>
zu machen und zur größeren Sicherheit und Ausbreitung<lb/>
der portugie&#x017F;i&#x017F;chen Herr&#x017F;chaft den Weg des Unterhandelns<lb/>
einzu&#x017F;chlagen, eh' er die Waffen wieder ergriff.</p><lb/>
          <p>Denn über die hinterliegenden Land&#x017F;triche dehnte &#x017F;ich<lb/>
in unbekannter Weite das Reich des &#x017F;ogenannten Königs<lb/>
von Angola, de&#x017F;&#x017F;en wahre Stärke nicht leicht zu berechnen<lb/>
war, zumal er &#x017F;ich in geheimnißvoller Ferne hielt und<lb/>
mit einem Nimbus von Macht und Schrecken umgab, der<lb/>
&#x017F;o gut auf einiger Wirklichkeit, als auch nur auf &#x017F;chlauer<lb/>
Prahlerei oder Täu&#x017F;chung beruhen konnte.</p><lb/>
          <p>Correa &#x017F;etzte &#x017F;ich daher in einer geeigneten Land&#x017F;chaft<lb/>
fe&#x017F;t und ließ den für furchtbar geltenden Negerfür&#x017F;ten<lb/>
durch eine Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft gefangener Häuptlinge auffordern,<lb/>
&#x017F;ich bei ihm einzufinden, um &#x017F;eine Tributpflicht und die<lb/>
portugie&#x017F;i&#x017F;che Oberherr&#x017F;chaft über ganz Angola anzu¬<lb/>
erkennen und für den Anfang zum Zeichen guten Willens<lb/>
gleich &#x017F;o und &#x017F;o viel Gold&#x017F;taub und Elfenbein mitzu¬<lb/>
bringen. Der König von Angola fühlte &#x017F;ich durch die&#x017F;e<lb/>
Bot&#x017F;chaft nicht angenehm berührt, &#x017F;uchte &#x017F;ich aber mit<lb/>
eigenthümlicher Staatsklugheit aus der Sache zu ziehen.<lb/>
Er tödtete die armen Abge&#x017F;andten, &#x017F;obald &#x017F;ie Correa's<lb/>
Befehle verkündigt, damit &#x017F;ie den Frevel nicht wiederholen<lb/>
konnten. Dagegen &#x017F;andte er &#x017F;chleunig eine eigene Bot¬<lb/>
&#x017F;chaft mit einigen großen Elephantenzähnen und einem<lb/>
Säcklein Gold&#x017F;and in das portugie&#x017F;i&#x017F;che Lager, und ließ<lb/>
jene Gegen&#x017F;tände als großmüthiges Ge&#x017F;chenk der Freund¬<lb/>
&#x017F;chaft überreichen und die Abordnung &#x017F;einer königlichen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0312] zu machen und zur größeren Sicherheit und Ausbreitung der portugieſiſchen Herrſchaft den Weg des Unterhandelns einzuſchlagen, eh' er die Waffen wieder ergriff. Denn über die hinterliegenden Landſtriche dehnte ſich in unbekannter Weite das Reich des ſogenannten Königs von Angola, deſſen wahre Stärke nicht leicht zu berechnen war, zumal er ſich in geheimnißvoller Ferne hielt und mit einem Nimbus von Macht und Schrecken umgab, der ſo gut auf einiger Wirklichkeit, als auch nur auf ſchlauer Prahlerei oder Täuſchung beruhen konnte. Correa ſetzte ſich daher in einer geeigneten Landſchaft feſt und ließ den für furchtbar geltenden Negerfürſten durch eine Geſandtſchaft gefangener Häuptlinge auffordern, ſich bei ihm einzufinden, um ſeine Tributpflicht und die portugieſiſche Oberherrſchaft über ganz Angola anzu¬ erkennen und für den Anfang zum Zeichen guten Willens gleich ſo und ſo viel Goldſtaub und Elfenbein mitzu¬ bringen. Der König von Angola fühlte ſich durch dieſe Botſchaft nicht angenehm berührt, ſuchte ſich aber mit eigenthümlicher Staatsklugheit aus der Sache zu ziehen. Er tödtete die armen Abgeſandten, ſobald ſie Correa's Befehle verkündigt, damit ſie den Frevel nicht wiederholen konnten. Dagegen ſandte er ſchleunig eine eigene Bot¬ ſchaft mit einigen großen Elephantenzähnen und einem Säcklein Goldſand in das portugieſiſche Lager, und ließ jene Gegenſtände als großmüthiges Geſchenk der Freund¬ ſchaft überreichen und die Abordnung ſeiner königlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/312
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/312>, abgerufen am 01.09.2024.