Einige Tage später trug der glückliche Abenteurer nicht nur einen neuen Hut, sondern noch verschiedene andere schöne Kleidungsstücke, welche die Donna ihm ge¬ schenkt; nur den alten Mantel mit dem Sternhimmel hatte er noch umgeschlagen, als er mit ihr den Staffel¬ weg hinunter stieg, um an dem einsamen Strande spa¬ zieren zu gehen. Die Sonne gab aber so warm, daß das sehr hübsche Paar bald einen Schatten suchte und jene Grotte betrat. Hand in Hand saßen sie auf der Stein¬ bank, und als die Sonne tiefergehend auch hier eindrang, hingen sie scherzend den Mantel vor den Eingang und betrachteten die von den Motten geschaffenen Sternbilder.
Noch nie haben Sterne der Armuth ein schöneres Glück bestrahlt! flüsterte Correa und legte den Arm um die schlanke Frauengestalt. Sie deutete mit dem Finger auf ein etwas größeres Loch, das vielmehr wie ein kleiner Riß aussah:
Hier glänzt sogar eine Mondsichel unter den Stern¬ lein, gleich dem Hirten unter den Schäfchen, wie die Dichter sagen!
Das ist nicht von den Motten, sondern ein verjährter Degenstich! erwiderte Correa. Sie wollte wissen, woher der Stich rühre, und er erzählte, wie er als junges Studentchen einst sich seiner Haut habe wehren müssen, als er nächtlicher Weile einem unter dem Hause einer Schönen plärrenden Ständchensinger im Vorbeigehen ein "Halt's Maul!" zugerufen habe. Denn von Frauenliebe
Einige Tage ſpäter trug der glückliche Abenteurer nicht nur einen neuen Hut, ſondern noch verſchiedene andere ſchöne Kleidungsſtücke, welche die Donna ihm ge¬ ſchenkt; nur den alten Mantel mit dem Sternhimmel hatte er noch umgeſchlagen, als er mit ihr den Staffel¬ weg hinunter ſtieg, um an dem einſamen Strande ſpa¬ zieren zu gehen. Die Sonne gab aber ſo warm, daß das ſehr hübſche Paar bald einen Schatten ſuchte und jene Grotte betrat. Hand in Hand ſaßen ſie auf der Stein¬ bank, und als die Sonne tiefergehend auch hier eindrang, hingen ſie ſcherzend den Mantel vor den Eingang und betrachteten die von den Motten geſchaffenen Sternbilder.
Noch nie haben Sterne der Armuth ein ſchöneres Glück beſtrahlt! flüſterte Correa und legte den Arm um die ſchlanke Frauengeſtalt. Sie deutete mit dem Finger auf ein etwas größeres Loch, das vielmehr wie ein kleiner Riß ausſah:
Hier glänzt ſogar eine Mondſichel unter den Stern¬ lein, gleich dem Hirten unter den Schäfchen, wie die Dichter ſagen!
Das iſt nicht von den Motten, ſondern ein verjährter Degenſtich! erwiderte Correa. Sie wollte wiſſen, woher der Stich rühre, und er erzählte, wie er als junges Studentchen einſt ſich ſeiner Haut habe wehren müſſen, als er nächtlicher Weile einem unter dem Hauſe einer Schönen plärrenden Ständchenſinger im Vorbeigehen ein „Halt's Maul!“ zugerufen habe. Denn von Frauenliebe
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Einige Tage ſpäter trug der glückliche Abenteurer
nicht nur einen neuen Hut, ſondern noch verſchiedene
andere ſchöne Kleidungsſtücke, welche die Donna ihm ge¬
ſchenkt; nur den alten Mantel mit dem Sternhimmel
hatte er noch umgeſchlagen, als er mit ihr den Staffel¬
weg hinunter ſtieg, um an dem einſamen Strande ſpa¬
zieren zu gehen. Die Sonne gab aber ſo warm, daß das
ſehr hübſche Paar bald einen Schatten ſuchte und jene
Grotte betrat. Hand in Hand ſaßen ſie auf der Stein¬
bank, und als die Sonne tiefergehend auch hier eindrang,
hingen ſie ſcherzend den Mantel vor den Eingang und
betrachteten die von den Motten geſchaffenen Sternbilder.
Noch nie haben Sterne der Armuth ein ſchöneres
Glück beſtrahlt! flüſterte Correa und legte den Arm um
die ſchlanke Frauengeſtalt. Sie deutete mit dem Finger
auf ein etwas größeres Loch, das vielmehr wie ein kleiner
Riß ausſah:
Hier glänzt ſogar eine Mondſichel unter den Stern¬
lein, gleich dem Hirten unter den Schäfchen, wie die
Dichter ſagen!
Das iſt nicht von den Motten, ſondern ein verjährter
Degenſtich! erwiderte Correa. Sie wollte wiſſen, woher
der Stich rühre, und er erzählte, wie er als junges
Studentchen einſt ſich ſeiner Haut habe wehren müſſen,
als er nächtlicher Weile einem unter dem Hauſe einer
Schönen plärrenden Ständchenſinger im Vorbeigehen ein
„Halt's Maul!“ zugerufen habe. Denn von Frauenliebe
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/289>, abgerufen am 22.11.2024.
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