Correa erhob sich indessen mit ritterlicher Haltung und bat um Verzeihung, daß er keinen Hut abnehmen könne, weil das Meer ihm den seinigen geraubt habe. Aber noch mehr wurde er überrascht, als die in Lissabon so spröd und einsilbig gewesene Frau ihn jetzt mit großen Augen und unverkennbarem Wohlgefallen anschaute und mit fester wohltönender Stimme fragte, woher er komme und woher er sei.
Und von ihrer Schönheit von Neuem betroffen, war er kaum im Stande, das zurechtgezimmerte Märchen von seinem widrigen Schicksal als armer Edelmann, der sein Glück in weiter Welt zu suchen gezwungen und an diesem Ufer elendiglich gestrandet und im Stiche gelassen worden sei, mit einigem Zusammenhange vorzubringen. Um so bessern Eindruck schien er aber zu machen. Die Frau setzte sich statt seiner auf die Bank, und als sie im weite¬ ren Verlaufe des Gespräches wahrnahm, daß der Fremde nach seinem ganzen Wesen ein junger Mann von Stand, Lebensart, Geist und Entschlossenheit sein müsse, lud sie ihn höflich ein, Platz neben ihr zu nehmen und sich aus¬ zuruhen, und schloß damit, ihm die wünschenswerthe Hülfe¬ leistung und Gastfreundschaft auf ihrer Burg anzubieten. Ein Hut werde sich ohne Zweifel auch aufbringen lassen, fügte sie bei, als sie schon auf dem engen Steige voran ging, während der schiffbrüchige Cavalier mit seinem Mantel folgte und der Page als, der letzte die Staffeln erkletterte.
Correa erhob ſich indeſſen mit ritterlicher Haltung und bat um Verzeihung, daß er keinen Hut abnehmen könne, weil das Meer ihm den ſeinigen geraubt habe. Aber noch mehr wurde er überraſcht, als die in Liſſabon ſo ſpröd und einſilbig geweſene Frau ihn jetzt mit großen Augen und unverkennbarem Wohlgefallen anſchaute und mit feſter wohltönender Stimme fragte, woher er komme und woher er ſei.
Und von ihrer Schönheit von Neuem betroffen, war er kaum im Stande, das zurechtgezimmerte Märchen von ſeinem widrigen Schickſal als armer Edelmann, der ſein Glück in weiter Welt zu ſuchen gezwungen und an dieſem Ufer elendiglich geſtrandet und im Stiche gelaſſen worden ſei, mit einigem Zuſammenhange vorzubringen. Um ſo beſſern Eindruck ſchien er aber zu machen. Die Frau ſetzte ſich ſtatt ſeiner auf die Bank, und als ſie im weite¬ ren Verlaufe des Geſpräches wahrnahm, daß der Fremde nach ſeinem ganzen Weſen ein junger Mann von Stand, Lebensart, Geiſt und Entſchloſſenheit ſein müſſe, lud ſie ihn höflich ein, Platz neben ihr zu nehmen und ſich aus¬ zuruhen, und ſchloß damit, ihm die wünſchenswerthe Hülfe¬ leiſtung und Gaſtfreundſchaft auf ihrer Burg anzubieten. Ein Hut werde ſich ohne Zweifel auch aufbringen laſſen, fügte ſie bei, als ſie ſchon auf dem engen Steige voran ging, während der ſchiffbrüchige Cavalier mit ſeinem Mantel folgte und der Page als, der letzte die Staffeln erkletterte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0288"n="278"/><p>Correa erhob ſich indeſſen mit ritterlicher Haltung<lb/>
und bat um Verzeihung, daß er keinen Hut abnehmen<lb/>
könne, weil das Meer ihm den ſeinigen geraubt habe.<lb/>
Aber noch mehr wurde er überraſcht, als die in Liſſabon<lb/>ſo ſpröd und einſilbig geweſene Frau ihn jetzt mit großen<lb/>
Augen und unverkennbarem Wohlgefallen anſchaute und<lb/>
mit feſter wohltönender Stimme fragte, woher er komme<lb/>
und woher er ſei.</p><lb/><p>Und von ihrer Schönheit von Neuem betroffen, war<lb/>
er kaum im Stande, das zurechtgezimmerte Märchen von<lb/>ſeinem widrigen Schickſal als armer Edelmann, der ſein<lb/>
Glück in weiter Welt zu ſuchen gezwungen und an dieſem<lb/>
Ufer elendiglich geſtrandet und im Stiche gelaſſen worden<lb/>ſei, mit einigem Zuſammenhange vorzubringen. Um ſo<lb/>
beſſern Eindruck ſchien er aber zu machen. Die Frau<lb/>ſetzte ſich ſtatt ſeiner auf die Bank, und als ſie im weite¬<lb/>
ren Verlaufe des Geſpräches wahrnahm, daß der Fremde<lb/>
nach ſeinem ganzen Weſen ein junger Mann von Stand,<lb/>
Lebensart, Geiſt und Entſchloſſenheit ſein müſſe, lud ſie<lb/>
ihn höflich ein, Platz neben ihr zu nehmen und ſich aus¬<lb/>
zuruhen, und ſchloß damit, ihm die wünſchenswerthe Hülfe¬<lb/>
leiſtung und Gaſtfreundſchaft auf ihrer Burg anzubieten.<lb/>
Ein Hut werde ſich ohne Zweifel auch aufbringen laſſen,<lb/>
fügte ſie bei, als ſie ſchon auf dem engen Steige voran<lb/>
ging, während der ſchiffbrüchige Cavalier mit ſeinem<lb/>
Mantel folgte und der Page als, der letzte die Staffeln<lb/>
erkletterte.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[278/0288]
Correa erhob ſich indeſſen mit ritterlicher Haltung
und bat um Verzeihung, daß er keinen Hut abnehmen
könne, weil das Meer ihm den ſeinigen geraubt habe.
Aber noch mehr wurde er überraſcht, als die in Liſſabon
ſo ſpröd und einſilbig geweſene Frau ihn jetzt mit großen
Augen und unverkennbarem Wohlgefallen anſchaute und
mit feſter wohltönender Stimme fragte, woher er komme
und woher er ſei.
Und von ihrer Schönheit von Neuem betroffen, war
er kaum im Stande, das zurechtgezimmerte Märchen von
ſeinem widrigen Schickſal als armer Edelmann, der ſein
Glück in weiter Welt zu ſuchen gezwungen und an dieſem
Ufer elendiglich geſtrandet und im Stiche gelaſſen worden
ſei, mit einigem Zuſammenhange vorzubringen. Um ſo
beſſern Eindruck ſchien er aber zu machen. Die Frau
ſetzte ſich ſtatt ſeiner auf die Bank, und als ſie im weite¬
ren Verlaufe des Geſpräches wahrnahm, daß der Fremde
nach ſeinem ganzen Weſen ein junger Mann von Stand,
Lebensart, Geiſt und Entſchloſſenheit ſein müſſe, lud ſie
ihn höflich ein, Platz neben ihr zu nehmen und ſich aus¬
zuruhen, und ſchloß damit, ihm die wünſchenswerthe Hülfe¬
leiſtung und Gaſtfreundſchaft auf ihrer Burg anzubieten.
Ein Hut werde ſich ohne Zweifel auch aufbringen laſſen,
fügte ſie bei, als ſie ſchon auf dem engen Steige voran
ging, während der ſchiffbrüchige Cavalier mit ſeinem
Mantel folgte und der Page als, der letzte die Staffeln
erkletterte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/288>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.