Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

Filzhut hervor, gürtete einen Degen um, dessen Stahl¬
korb ganz verrostet war und dessen lange Klinge einen
Zoll unten aus der Lederscheide hervorguckte, da letz¬
tere längst den metallenen Stiefel verloren hatte. So
ausgestattet verließ er vor Tagesanbruch seinen Palast
und die Stadt Lissabon und fuhr mit wenigen seiner
Leute in der bereit gehaltenen eigenen Barke längs der
Seeküste südwärts, bis er in die Gegend kam, wo die
Frau von Cercal hausen sollte.

Der Ort, dessen Namen sie führte, lag hinter dem
Küstengebirge, das Schloß aber, in welchem sie wohnte,
an dem steilen Abhange gegen das Meer hin. Don
Correa kreuzte so lange auf offener See, bis er sich ver¬
gewissert hatte, daß die Donna Feniza wieder dort sei,
und er segelte einige Mal so nahe vorüber, daß er mit
seinen scharfen Augen die Lage und Bauart erkennen
konnte. Dann fuhr er wieder hinaus und wartete einen
starken Wind oder wo möglich ein Sturmwetter ab, und
als dieses wirklich eintrat, schoß er auf dem wogenden
Meere mit vollen Segeln heran, zog sie ein wie ein
strandender Schiffer und lieh sich zuletzt, nachdem die
Barke weidlich umhergeworfen worden, wie er war, mit
seinem Degen und dem zusammengewickelten Mantel auf
den klippenreichen Strand schleudern, so daß er sich mit
Mühe durch die Brandung schlug und festen Fuß gewinnen
konnte. Seinen Leuten hatte er strenge befohlen, sich mit
der Barke wieder auf die offene See zu machen und nach

18*

Filzhut hervor, gürtete einen Degen um, deſſen Stahl¬
korb ganz verroſtet war und deſſen lange Klinge einen
Zoll unten aus der Lederſcheide hervorguckte, da letz¬
tere längſt den metallenen Stiefel verloren hatte. So
ausgeſtattet verließ er vor Tagesanbruch ſeinen Palaſt
und die Stadt Liſſabon und fuhr mit wenigen ſeiner
Leute in der bereit gehaltenen eigenen Barke längs der
Seeküſte ſüdwärts, bis er in die Gegend kam, wo die
Frau von Cercal hauſen ſollte.

Der Ort, deſſen Namen ſie führte, lag hinter dem
Küſtengebirge, das Schloß aber, in welchem ſie wohnte,
an dem ſteilen Abhange gegen das Meer hin. Don
Correa kreuzte ſo lange auf offener See, bis er ſich ver¬
gewiſſert hatte, daß die Donna Feniza wieder dort ſei,
und er ſegelte einige Mal ſo nahe vorüber, daß er mit
ſeinen ſcharfen Augen die Lage und Bauart erkennen
konnte. Dann fuhr er wieder hinaus und wartete einen
ſtarken Wind oder wo möglich ein Sturmwetter ab, und
als dieſes wirklich eintrat, ſchoß er auf dem wogenden
Meere mit vollen Segeln heran, zog ſie ein wie ein
ſtrandender Schiffer und lieh ſich zuletzt, nachdem die
Barke weidlich umhergeworfen worden, wie er war, mit
ſeinem Degen und dem zuſammengewickelten Mantel auf
den klippenreichen Strand ſchleudern, ſo daß er ſich mit
Mühe durch die Brandung ſchlug und feſten Fuß gewinnen
konnte. Seinen Leuten hatte er ſtrenge befohlen, ſich mit
der Barke wieder auf die offene See zu machen und nach

18*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0285" n="275"/>
Filzhut hervor, gürtete einen Degen um, de&#x017F;&#x017F;en Stahl¬<lb/>
korb ganz verro&#x017F;tet war und de&#x017F;&#x017F;en lange Klinge einen<lb/>
Zoll unten aus der Leder&#x017F;cheide hervorguckte, da letz¬<lb/>
tere läng&#x017F;t den metallenen Stiefel verloren hatte. So<lb/>
ausge&#x017F;tattet verließ er vor Tagesanbruch &#x017F;einen Pala&#x017F;t<lb/>
und die Stadt Li&#x017F;&#x017F;abon und fuhr mit wenigen &#x017F;einer<lb/>
Leute in der bereit gehaltenen eigenen Barke längs der<lb/>
Seekü&#x017F;te &#x017F;üdwärts, bis er in die Gegend kam, wo die<lb/>
Frau von Cercal hau&#x017F;en &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Der Ort, de&#x017F;&#x017F;en Namen &#x017F;ie führte, lag hinter dem<lb/>&#x017F;tengebirge, das Schloß aber, in welchem &#x017F;ie wohnte,<lb/>
an dem &#x017F;teilen Abhange gegen das Meer hin. Don<lb/>
Correa kreuzte &#x017F;o lange auf offener See, bis er &#x017F;ich ver¬<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;ert hatte, daß die Donna Feniza wieder dort &#x017F;ei,<lb/>
und er &#x017F;egelte einige Mal &#x017F;o nahe vorüber, daß er mit<lb/>
&#x017F;einen &#x017F;charfen Augen die Lage und Bauart erkennen<lb/>
konnte. Dann fuhr er wieder hinaus und wartete einen<lb/>
&#x017F;tarken Wind oder wo möglich ein Sturmwetter ab, und<lb/>
als die&#x017F;es wirklich eintrat, &#x017F;choß er auf dem wogenden<lb/>
Meere mit vollen Segeln heran, zog &#x017F;ie ein wie ein<lb/>
&#x017F;trandender Schiffer und lieh &#x017F;ich zuletzt, nachdem die<lb/>
Barke weidlich umhergeworfen worden, wie er war, mit<lb/>
&#x017F;einem Degen und dem zu&#x017F;ammengewickelten Mantel auf<lb/>
den klippenreichen Strand &#x017F;chleudern, &#x017F;o daß er &#x017F;ich mit<lb/>
Mühe durch die Brandung &#x017F;chlug und fe&#x017F;ten Fuß gewinnen<lb/>
konnte. Seinen Leuten hatte er &#x017F;trenge befohlen, &#x017F;ich mit<lb/>
der Barke wieder auf die offene See zu machen und nach<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">18*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0285] Filzhut hervor, gürtete einen Degen um, deſſen Stahl¬ korb ganz verroſtet war und deſſen lange Klinge einen Zoll unten aus der Lederſcheide hervorguckte, da letz¬ tere längſt den metallenen Stiefel verloren hatte. So ausgeſtattet verließ er vor Tagesanbruch ſeinen Palaſt und die Stadt Liſſabon und fuhr mit wenigen ſeiner Leute in der bereit gehaltenen eigenen Barke längs der Seeküſte ſüdwärts, bis er in die Gegend kam, wo die Frau von Cercal hauſen ſollte. Der Ort, deſſen Namen ſie führte, lag hinter dem Küſtengebirge, das Schloß aber, in welchem ſie wohnte, an dem ſteilen Abhange gegen das Meer hin. Don Correa kreuzte ſo lange auf offener See, bis er ſich ver¬ gewiſſert hatte, daß die Donna Feniza wieder dort ſei, und er ſegelte einige Mal ſo nahe vorüber, daß er mit ſeinen ſcharfen Augen die Lage und Bauart erkennen konnte. Dann fuhr er wieder hinaus und wartete einen ſtarken Wind oder wo möglich ein Sturmwetter ab, und als dieſes wirklich eintrat, ſchoß er auf dem wogenden Meere mit vollen Segeln heran, zog ſie ein wie ein ſtrandender Schiffer und lieh ſich zuletzt, nachdem die Barke weidlich umhergeworfen worden, wie er war, mit ſeinem Degen und dem zuſammengewickelten Mantel auf den klippenreichen Strand ſchleudern, ſo daß er ſich mit Mühe durch die Brandung ſchlug und feſten Fuß gewinnen konnte. Seinen Leuten hatte er ſtrenge befohlen, ſich mit der Barke wieder auf die offene See zu machen und nach 18*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/285
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/285>, abgerufen am 22.11.2024.