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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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belustigte, das Pfäffchen schämig erröthete. Ein Läufer
mit Windlicht ging voran, worauf die drei Thiere eines
dem andern folgten und in einiger Entfernung Don
Correa den Schluß machte. Der kleine Zug bewegte sich
durch Gassen und über Plätze, bis er in den Vorhof der
Herberge zum "Schiff des Königs" einbog, in welcher
fast ausschließlich reiche oder vornehme Reisende wohnten.
Nachdem die Fremde mit ihren Leuten abgesessen und
auf den Stiegen, die in die oberen Theile des Hauses
führten, verschwunden war, trat Don Correa in eine
Gaststube zu ebener Erde, die von See- und Handelsleuten
aller Welttheile angefüllt war. Er ließ sich in der Ecke
zunächst dem Schenktische eine kleine Abendmahlzeit vor¬
setzen und begann mit der Aufseherin, die an der Kasse
saß und Geld einnahm, ein zerstreutes Gespräch nach
Gunst und Gelegenheit, die beide nicht ausblieben. Denn
der Ton hatte etwas in seinem Gesicht und in seinem
Wesen, das vielen Weibern ohne Zeitversäumniß gefiel,
obwol er dieses Vortheiles bis jetzt wenig inne geworden.

Er vernahm also, was er nur wünschen konnte: daß
die fremde Dame eine junge Wittwe sei und Donna
Feniza Mayor de Cercal genannt werde. Sie besitze im
Südwesten von Portugal ein kleines Städtchen und großen
Reichthum und wohne meistens auf einem einsamen Felsen¬
schloß am Meere; dort lebe sie so eingezogen, daß weiter
nichts von ihr gesagt werden könne, und wenn sie nicht
alle Jahre einmal nach der Hauptstadt käme, um ihre

beluſtigte, das Pfäffchen ſchämig erröthete. Ein Läufer
mit Windlicht ging voran, worauf die drei Thiere eines
dem andern folgten und in einiger Entfernung Don
Correa den Schluß machte. Der kleine Zug bewegte ſich
durch Gaſſen und über Plätze, bis er in den Vorhof der
Herberge zum „Schiff des Königs“ einbog, in welcher
faſt ausſchließlich reiche oder vornehme Reiſende wohnten.
Nachdem die Fremde mit ihren Leuten abgeſeſſen und
auf den Stiegen, die in die oberen Theile des Hauſes
führten, verſchwunden war, trat Don Correa in eine
Gaſtſtube zu ebener Erde, die von See- und Handelsleuten
aller Welttheile angefüllt war. Er ließ ſich in der Ecke
zunächſt dem Schenktiſche eine kleine Abendmahlzeit vor¬
ſetzen und begann mit der Aufſeherin, die an der Kaſſe
ſaß und Geld einnahm, ein zerſtreutes Geſpräch nach
Gunſt und Gelegenheit, die beide nicht ausblieben. Denn
der Ton hatte etwas in ſeinem Geſicht und in ſeinem
Weſen, das vielen Weibern ohne Zeitverſäumniß gefiel,
obwol er dieſes Vortheiles bis jetzt wenig inne geworden.

Er vernahm alſo, was er nur wünſchen konnte: daß
die fremde Dame eine junge Wittwe ſei und Donna
Feniza Mayor de Cercal genannt werde. Sie beſitze im
Südweſten von Portugal ein kleines Städtchen und großen
Reichthum und wohne meiſtens auf einem einſamen Felſen¬
ſchloß am Meere; dort lebe ſie ſo eingezogen, daß weiter
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[272/0282] beluſtigte, das Pfäffchen ſchämig erröthete. Ein Läufer mit Windlicht ging voran, worauf die drei Thiere eines dem andern folgten und in einiger Entfernung Don Correa den Schluß machte. Der kleine Zug bewegte ſich durch Gaſſen und über Plätze, bis er in den Vorhof der Herberge zum „Schiff des Königs“ einbog, in welcher faſt ausſchließlich reiche oder vornehme Reiſende wohnten. Nachdem die Fremde mit ihren Leuten abgeſeſſen und auf den Stiegen, die in die oberen Theile des Hauſes führten, verſchwunden war, trat Don Correa in eine Gaſtſtube zu ebener Erde, die von See- und Handelsleuten aller Welttheile angefüllt war. Er ließ ſich in der Ecke zunächſt dem Schenktiſche eine kleine Abendmahlzeit vor¬ ſetzen und begann mit der Aufſeherin, die an der Kaſſe ſaß und Geld einnahm, ein zerſtreutes Geſpräch nach Gunſt und Gelegenheit, die beide nicht ausblieben. Denn der Ton hatte etwas in ſeinem Geſicht und in ſeinem Weſen, das vielen Weibern ohne Zeitverſäumniß gefiel, obwol er dieſes Vortheiles bis jetzt wenig inne geworden. Er vernahm alſo, was er nur wünſchen konnte: daß die fremde Dame eine junge Wittwe ſei und Donna Feniza Mayor de Cercal genannt werde. Sie beſitze im Südweſten von Portugal ein kleines Städtchen und großen Reichthum und wohne meiſtens auf einem einſamen Felſen¬ ſchloß am Meere; dort lebe ſie ſo eingezogen, daß weiter nichts von ihr geſagt werden könne, und wenn ſie nicht alle Jahre einmal nach der Hauptſtadt käme, um ihre

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/282>, abgerufen am 22.11.2024.