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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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sie höflich, wechselte auch wol ein par Worte mit ihr,
den Hut in der Hand. Sie blickte aber keinem entgegen,
der sich nahte, und keinem nach, wenn er weiter ging,
sondern grüßte nur mit überaus feiner Kopfneigung und
holdseliger Bewegung der Lippen, welche den Don Salvador
geheimnißvoll reizte, so ernst, ja starr auch der Mund
gleich nachher wieder verharrte.

Er fragte, in der Menge der geringen Bürger ver¬
borgen, einige Nachbarn nach dem Namen der vornehmen
Frau; es konnte aber Keiner Auskunft geben, weil sie
wahrscheinlich eine Fremde sei. Da er aber mit jedem
Augenblicke von der schönen und eigenthümlichen Er¬
scheinung mehr eingenommen wurde und jedenfalls wissen
wollte, wen er vor sich habe, so blieb ihm nichts anderes
übrig, als das Ende abzuwarten und zu sehen, wohin die
Dame mit ihrem Gefolge sich begeben würde. Er stellte
sich daher zeitig an den Ausgang, durch welchen die
Herrenleute sich entfernten, und wartete geduldig, bis die
Unbekannte in der gemächlichen Procession erschien, mit
welcher die Grandezza sich fortbewegte, um die bereit¬
stehenden Kutschwagen, Pferde, oder Maulthiere zu besteigen.

Für die Fremde wurden drei prächtig geschirrte Maul¬
thiere bereit gehalten. Das erste bestieg sie selbst mit
Hülfe des Stallmeisters, das zweite dieser mit dem Pagen
hinter sich, das dritte der junge Priester, hinter welchem
die Kammerfrau Platz nahm, sich fest an ihm haltend,
sodaß als das herumstehende Volk sich an dem Anblick

ſie höflich, wechſelte auch wol ein par Worte mit ihr,
den Hut in der Hand. Sie blickte aber keinem entgegen,
der ſich nahte, und keinem nach, wenn er weiter ging,
ſondern grüßte nur mit überaus feiner Kopfneigung und
holdſeliger Bewegung der Lippen, welche den Don Salvador
geheimnißvoll reizte, ſo ernſt, ja ſtarr auch der Mund
gleich nachher wieder verharrte.

Er fragte, in der Menge der geringen Bürger ver¬
borgen, einige Nachbarn nach dem Namen der vornehmen
Frau; es konnte aber Keiner Auskunft geben, weil ſie
wahrſcheinlich eine Fremde ſei. Da er aber mit jedem
Augenblicke von der ſchönen und eigenthümlichen Er¬
ſcheinung mehr eingenommen wurde und jedenfalls wiſſen
wollte, wen er vor ſich habe, ſo blieb ihm nichts anderes
übrig, als das Ende abzuwarten und zu ſehen, wohin die
Dame mit ihrem Gefolge ſich begeben würde. Er ſtellte
ſich daher zeitig an den Ausgang, durch welchen die
Herrenleute ſich entfernten, und wartete geduldig, bis die
Unbekannte in der gemächlichen Proceſſion erſchien, mit
welcher die Grandezza ſich fortbewegte, um die bereit¬
ſtehenden Kutſchwagen, Pferde, oder Maulthiere zu beſteigen.

Für die Fremde wurden drei prächtig geſchirrte Maul¬
thiere bereit gehalten. Das erſte beſtieg ſie ſelbſt mit
Hülfe des Stallmeiſters, das zweite dieſer mit dem Pagen
hinter ſich, das dritte der junge Prieſter, hinter welchem
die Kammerfrau Platz nahm, ſich feſt an ihm haltend,
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[271/0281] ſie höflich, wechſelte auch wol ein par Worte mit ihr, den Hut in der Hand. Sie blickte aber keinem entgegen, der ſich nahte, und keinem nach, wenn er weiter ging, ſondern grüßte nur mit überaus feiner Kopfneigung und holdſeliger Bewegung der Lippen, welche den Don Salvador geheimnißvoll reizte, ſo ernſt, ja ſtarr auch der Mund gleich nachher wieder verharrte. Er fragte, in der Menge der geringen Bürger ver¬ borgen, einige Nachbarn nach dem Namen der vornehmen Frau; es konnte aber Keiner Auskunft geben, weil ſie wahrſcheinlich eine Fremde ſei. Da er aber mit jedem Augenblicke von der ſchönen und eigenthümlichen Er¬ ſcheinung mehr eingenommen wurde und jedenfalls wiſſen wollte, wen er vor ſich habe, ſo blieb ihm nichts anderes übrig, als das Ende abzuwarten und zu ſehen, wohin die Dame mit ihrem Gefolge ſich begeben würde. Er ſtellte ſich daher zeitig an den Ausgang, durch welchen die Herrenleute ſich entfernten, und wartete geduldig, bis die Unbekannte in der gemächlichen Proceſſion erſchien, mit welcher die Grandezza ſich fortbewegte, um die bereit¬ ſtehenden Kutſchwagen, Pferde, oder Maulthiere zu beſteigen. Für die Fremde wurden drei prächtig geſchirrte Maul¬ thiere bereit gehalten. Das erſte beſtieg ſie ſelbſt mit Hülfe des Stallmeiſters, das zweite dieſer mit dem Pagen hinter ſich, das dritte der junge Prieſter, hinter welchem die Kammerfrau Platz nahm, ſich feſt an ihm haltend, ſodaß als das herumſtehende Volk ſich an dem Anblick

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/281>, abgerufen am 22.11.2024.