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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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der Vorwitz, mich wieder einmal der sogenannten Nacht¬
seiten und der jenseitigen Geheimnisse u. s. w. anzunehmen,
und ich kehrte den ernsten Kriegsmann heraus, der auf
nächtlichen Schlachtfeldern und zwischen Tod und Leben
verlernt habe, über dergleichen zu spotten.

Mannelin, der bisher das Gespräch nicht theilnahms¬
werth gefunden, sah mich ganz verwundert an und fragte
mich treuherzig lachend: "Ob ich noch unter die Geister¬
seher gehen wolle?" Hierdurch gereizt, bejahte ich die
Frage kühnlich, sofern ich nur das Glück wirklich haben
sollte, ein Stück der andern Welt jetzt schon kennen zu
lernen; zugleich aber stellte ich ein wenig großthuerisch
in Aussicht, den Dingen in's Gesicht sehen und sie zur
Rede stellen zu wollen, wenn sie anders heran kämen.
Um was sich's eigentlich handle im vorliegenden Falle?
schloß ich meine Prahlerei.

"Es soll ein Poltergeist sein, den man die alte Kratt
nennt!" sagte Hildeburg halb eingeschüchtert durch meine
Reden, wie wenn sie befürchtete, es möchte am Ende etwas
Wahres aus der Sache werden. Vor achtzig Jahren habe
nachweisbar eine freiherrliche Familie Kratt das Gut be¬
sessen; Weiteres habe man noch nicht heraus gebracht,
als daß es nur selten und nur in gewissen Nächten spuke.

Da die Mutter Hildeburg's ein ängstliches und noch
mehr verdrießliches Gesicht zu machen begann über die
Verunzierung des neuen Besitzes und mein Freund
Mannelin sich gleichgültig von dem Gespräch wieder ab¬

der Vorwitz, mich wieder einmal der ſogenannten Nacht¬
ſeiten und der jenſeitigen Geheimniſſe u. ſ. w. anzunehmen,
und ich kehrte den ernſten Kriegsmann heraus, der auf
nächtlichen Schlachtfeldern und zwiſchen Tod und Leben
verlernt habe, über dergleichen zu ſpotten.

Mannelin, der bisher das Geſpräch nicht theilnahms¬
werth gefunden, ſah mich ganz verwundert an und fragte
mich treuherzig lachend: „Ob ich noch unter die Geiſter¬
ſeher gehen wolle?“ Hierdurch gereizt, bejahte ich die
Frage kühnlich, ſofern ich nur das Glück wirklich haben
ſollte, ein Stück der andern Welt jetzt ſchon kennen zu
lernen; zugleich aber ſtellte ich ein wenig großthueriſch
in Ausſicht, den Dingen in's Geſicht ſehen und ſie zur
Rede ſtellen zu wollen, wenn ſie anders heran kämen.
Um was ſich's eigentlich handle im vorliegenden Falle?
ſchloß ich meine Prahlerei.

„Es ſoll ein Poltergeiſt ſein, den man die alte Kratt
nennt!“ ſagte Hildeburg halb eingeſchüchtert durch meine
Reden, wie wenn ſie befürchtete, es möchte am Ende etwas
Wahres aus der Sache werden. Vor achtzig Jahren habe
nachweisbar eine freiherrliche Familie Kratt das Gut be¬
ſeſſen; Weiteres habe man noch nicht heraus gebracht,
als daß es nur ſelten und nur in gewiſſen Nächten ſpuke.

Da die Mutter Hildeburg's ein ängſtliches und noch
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Verunzierung des neuen Beſitzes und mein Freund
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[239/0249] der Vorwitz, mich wieder einmal der ſogenannten Nacht¬ ſeiten und der jenſeitigen Geheimniſſe u. ſ. w. anzunehmen, und ich kehrte den ernſten Kriegsmann heraus, der auf nächtlichen Schlachtfeldern und zwiſchen Tod und Leben verlernt habe, über dergleichen zu ſpotten. Mannelin, der bisher das Geſpräch nicht theilnahms¬ werth gefunden, ſah mich ganz verwundert an und fragte mich treuherzig lachend: „Ob ich noch unter die Geiſter¬ ſeher gehen wolle?“ Hierdurch gereizt, bejahte ich die Frage kühnlich, ſofern ich nur das Glück wirklich haben ſollte, ein Stück der andern Welt jetzt ſchon kennen zu lernen; zugleich aber ſtellte ich ein wenig großthueriſch in Ausſicht, den Dingen in's Geſicht ſehen und ſie zur Rede ſtellen zu wollen, wenn ſie anders heran kämen. Um was ſich's eigentlich handle im vorliegenden Falle? ſchloß ich meine Prahlerei. „Es ſoll ein Poltergeiſt ſein, den man die alte Kratt nennt!“ ſagte Hildeburg halb eingeſchüchtert durch meine Reden, wie wenn ſie befürchtete, es möchte am Ende etwas Wahres aus der Sache werden. Vor achtzig Jahren habe nachweisbar eine freiherrliche Familie Kratt das Gut be¬ ſeſſen; Weiteres habe man noch nicht heraus gebracht, als daß es nur ſelten und nur in gewiſſen Nächten ſpuke. Da die Mutter Hildeburg's ein ängſtliches und noch mehr verdrießliches Geſicht zu machen begann über die Verunzierung des neuen Beſitzes und mein Freund Mannelin ſich gleichgültig von dem Geſpräch wieder ab¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/249>, abgerufen am 24.11.2024.