niemals davon sprechen, und wäre er nicht unfreiwillig in die zeitgemäßen Gespräche mit verflochten worden, so würde man vermuthet haben, er sei die ganze Zeit über nie aus seiner Studierstube herausgegangen.
Das verlieh dem liebenswürdigen Duckmäuser einen neuen Glanz, der indessen auch mir zugute kam; denn als ich einst nach eifrigem Sprechen vom Hauen und Stechen in der darauffolgenden Stille plötzlich wahrnahm, wie renommistisch ich mich neben ihm ausnehmen mußte, suchte ich mich beschämt zu bessern und wurde auch hie und da bescheidener. Leider mußte ich nachher, da ich Soldat von Prefession blieb, mich doch wieder an das Schreien und Rufen gewöhnen.
So verlebten wir noch eine Reihe von angenehmen heiteren Tagen, bis nicht unerwartet und doch unverhofft der Abmarschbefehl für mein Regiment anlangte, und zwar hatte der Aufbruch in sechs Tagen stattzufinden. Von Stund' an war Hildeburg in ihrem Benehmen ver¬ ändert. Bald unruhig und zerstreut, bald in sich gekehrt und über etwas brütend, das sie beschäftigte und drückte, wechselten ihre Launen unaufhörlich, und als ob sie es selbst nur zu wohl wüßte, entzog sie sich meist der Gesell¬ schaft, die zuweilen ziemlich zahlreich wurde, je mehr die Umgebung des erst später wohnlich zu machenden Hauses zum Aufenthalt im Freien einlud. Indem ich, von dem veränderten Betragen des Mädchens abermals betroffen, über dasselbe nachdachte, fühlte ich mich geneigt, die Er¬
niemals davon ſprechen, und wäre er nicht unfreiwillig in die zeitgemäßen Geſpräche mit verflochten worden, ſo würde man vermuthet haben, er ſei die ganze Zeit über nie aus ſeiner Studierſtube herausgegangen.
Das verlieh dem liebenswürdigen Duckmäuſer einen neuen Glanz, der indeſſen auch mir zugute kam; denn als ich einſt nach eifrigem Sprechen vom Hauen und Stechen in der darauffolgenden Stille plötzlich wahrnahm, wie renommiſtiſch ich mich neben ihm ausnehmen mußte, ſuchte ich mich beſchämt zu beſſern und wurde auch hie und da beſcheidener. Leider mußte ich nachher, da ich Soldat von Prefeſſion blieb, mich doch wieder an das Schreien und Rufen gewöhnen.
So verlebten wir noch eine Reihe von angenehmen heiteren Tagen, bis nicht unerwartet und doch unverhofft der Abmarſchbefehl für mein Regiment anlangte, und zwar hatte der Aufbruch in ſechs Tagen ſtattzufinden. Von Stund' an war Hildeburg in ihrem Benehmen ver¬ ändert. Bald unruhig und zerſtreut, bald in ſich gekehrt und über etwas brütend, das ſie beſchäftigte und drückte, wechſelten ihre Launen unaufhörlich, und als ob ſie es ſelbſt nur zu wohl wüßte, entzog ſie ſich meiſt der Geſell¬ ſchaft, die zuweilen ziemlich zahlreich wurde, je mehr die Umgebung des erſt ſpäter wohnlich zu machenden Hauſes zum Aufenthalt im Freien einlud. Indem ich, von dem veränderten Betragen des Mädchens abermals betroffen, über dasſelbe nachdachte, fühlte ich mich geneigt, die Er¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0247"n="237"/>
niemals davon ſprechen, und wäre er nicht unfreiwillig<lb/>
in die zeitgemäßen Geſpräche mit verflochten worden, ſo<lb/>
würde man vermuthet haben, er ſei die ganze Zeit über<lb/>
nie aus ſeiner Studierſtube herausgegangen.</p><lb/><p>Das verlieh dem liebenswürdigen Duckmäuſer einen<lb/>
neuen Glanz, der indeſſen auch mir zugute kam; denn als<lb/>
ich einſt nach eifrigem Sprechen vom Hauen und Stechen<lb/>
in der darauffolgenden Stille plötzlich wahrnahm, wie<lb/>
renommiſtiſch ich mich neben ihm ausnehmen mußte, ſuchte<lb/>
ich mich beſchämt zu beſſern und wurde auch hie und da<lb/>
beſcheidener. Leider mußte ich nachher, da ich Soldat<lb/>
von Prefeſſion blieb, mich doch wieder an das Schreien<lb/>
und Rufen gewöhnen.</p><lb/><p>So verlebten wir noch eine Reihe von angenehmen<lb/>
heiteren Tagen, bis nicht unerwartet und doch unverhofft<lb/>
der Abmarſchbefehl für mein Regiment anlangte, und<lb/>
zwar hatte der Aufbruch in ſechs Tagen ſtattzufinden.<lb/>
Von Stund' an war Hildeburg in ihrem Benehmen ver¬<lb/>
ändert. Bald unruhig und zerſtreut, bald in ſich gekehrt<lb/>
und über etwas brütend, das ſie beſchäftigte und drückte,<lb/>
wechſelten ihre Launen unaufhörlich, und als ob ſie es<lb/>ſelbſt nur zu wohl wüßte, entzog ſie ſich meiſt der Geſell¬<lb/>ſchaft, die zuweilen ziemlich zahlreich wurde, je mehr die<lb/>
Umgebung des erſt ſpäter wohnlich zu machenden Hauſes<lb/>
zum Aufenthalt im Freien einlud. Indem ich, von dem<lb/>
veränderten Betragen des Mädchens abermals betroffen,<lb/>
über dasſelbe nachdachte, fühlte ich mich geneigt, die Er¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[237/0247]
niemals davon ſprechen, und wäre er nicht unfreiwillig
in die zeitgemäßen Geſpräche mit verflochten worden, ſo
würde man vermuthet haben, er ſei die ganze Zeit über
nie aus ſeiner Studierſtube herausgegangen.
Das verlieh dem liebenswürdigen Duckmäuſer einen
neuen Glanz, der indeſſen auch mir zugute kam; denn als
ich einſt nach eifrigem Sprechen vom Hauen und Stechen
in der darauffolgenden Stille plötzlich wahrnahm, wie
renommiſtiſch ich mich neben ihm ausnehmen mußte, ſuchte
ich mich beſchämt zu beſſern und wurde auch hie und da
beſcheidener. Leider mußte ich nachher, da ich Soldat
von Prefeſſion blieb, mich doch wieder an das Schreien
und Rufen gewöhnen.
So verlebten wir noch eine Reihe von angenehmen
heiteren Tagen, bis nicht unerwartet und doch unverhofft
der Abmarſchbefehl für mein Regiment anlangte, und
zwar hatte der Aufbruch in ſechs Tagen ſtattzufinden.
Von Stund' an war Hildeburg in ihrem Benehmen ver¬
ändert. Bald unruhig und zerſtreut, bald in ſich gekehrt
und über etwas brütend, das ſie beſchäftigte und drückte,
wechſelten ihre Launen unaufhörlich, und als ob ſie es
ſelbſt nur zu wohl wüßte, entzog ſie ſich meiſt der Geſell¬
ſchaft, die zuweilen ziemlich zahlreich wurde, je mehr die
Umgebung des erſt ſpäter wohnlich zu machenden Hauſes
zum Aufenthalt im Freien einlud. Indem ich, von dem
veränderten Betragen des Mädchens abermals betroffen,
über dasſelbe nachdachte, fühlte ich mich geneigt, die Er¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/247>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.