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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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In dieser Hoffnung will ich Dir übrigens jetzt etwas
Hülfe bringen! Mit unserer Wahlfreiheit und Herrlich¬
keit, bester Freund, ist es nämlich nicht gar so weit her,
und wir dürfen nicht zu sehr darauf pochen! Wenigstens
hab' ich die Ehre, Ihnen in mir einen alten Junggesellen
vorzustellen, der vor langen Jahren einst zum Gegenstande
der Wahlüberlegung eines Frauenzimmers geworden, als
er nur die Hand glaubte ausrecken zu dürfen, und dabei
so schmälich unterlegen ist, daß ihm das Heirathen für
immer verging. Wenn Ihr es hören wollt, so will ich
Euch das Abenteuer, so gut ich kann, erzählen; es lächert
mich jetzt und zugleich gelüstet mich, es vor meinem
Ende zum ersten Male Jemandem zu erzählen oder
schwatzend zu redigiren, wie unser Freund Reinhart sich
ausdrückt."

Die jungen Leute bezeugten natürlich ihre Neugierde,
die sie beide auch empfanden, und sie baten den Oheim,
mit seinen Mittheilungen nicht zurückzuhalten.

Er warf noch einen aufmerksam forschenden Blick auf
Reinhart's Gesicht, blickte hierauf nachdenklich zu Boden
und ließ seinen weichen silbernen Schnurrbart durch die
Finger laufen, als er seine Rede begann.


Es ist bald geschehen, daß man alt wird (sagte er),
so rasch, daß man beim Rückblicke auf den durchlaufenen
Weg sich nur auf Einzelnes etwa besinnen und sich nament¬

In dieſer Hoffnung will ich Dir übrigens jetzt etwas
Hülfe bringen! Mit unſerer Wahlfreiheit und Herrlich¬
keit, beſter Freund, iſt es nämlich nicht gar ſo weit her,
und wir dürfen nicht zu ſehr darauf pochen! Wenigſtens
hab' ich die Ehre, Ihnen in mir einen alten Junggeſellen
vorzuſtellen, der vor langen Jahren einſt zum Gegenſtande
der Wahlüberlegung eines Frauenzimmers geworden, als
er nur die Hand glaubte ausrecken zu dürfen, und dabei
ſo ſchmälich unterlegen iſt, daß ihm das Heirathen für
immer verging. Wenn Ihr es hören wollt, ſo will ich
Euch das Abenteuer, ſo gut ich kann, erzählen; es lächert
mich jetzt und zugleich gelüſtet mich, es vor meinem
Ende zum erſten Male Jemandem zu erzählen oder
ſchwatzend zu redigiren, wie unſer Freund Reinhart ſich
ausdrückt.“

Die jungen Leute bezeugten natürlich ihre Neugierde,
die ſie beide auch empfanden, und ſie baten den Oheim,
mit ſeinen Mittheilungen nicht zurückzuhalten.

Er warf noch einen aufmerkſam forſchenden Blick auf
Reinhart's Geſicht, blickte hierauf nachdenklich zu Boden
und ließ ſeinen weichen ſilbernen Schnurrbart durch die
Finger laufen, als er ſeine Rede begann.


Es iſt bald geſchehen, daß man alt wird (ſagte er),
ſo raſch, daß man beim Rückblicke auf den durchlaufenen
Weg ſich nur auf Einzelnes etwa beſinnen und ſich nament¬

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[218/0228] In dieſer Hoffnung will ich Dir übrigens jetzt etwas Hülfe bringen! Mit unſerer Wahlfreiheit und Herrlich¬ keit, beſter Freund, iſt es nämlich nicht gar ſo weit her, und wir dürfen nicht zu ſehr darauf pochen! Wenigſtens hab' ich die Ehre, Ihnen in mir einen alten Junggeſellen vorzuſtellen, der vor langen Jahren einſt zum Gegenſtande der Wahlüberlegung eines Frauenzimmers geworden, als er nur die Hand glaubte ausrecken zu dürfen, und dabei ſo ſchmälich unterlegen iſt, daß ihm das Heirathen für immer verging. Wenn Ihr es hören wollt, ſo will ich Euch das Abenteuer, ſo gut ich kann, erzählen; es lächert mich jetzt und zugleich gelüſtet mich, es vor meinem Ende zum erſten Male Jemandem zu erzählen oder ſchwatzend zu redigiren, wie unſer Freund Reinhart ſich ausdrückt.“ Die jungen Leute bezeugten natürlich ihre Neugierde, die ſie beide auch empfanden, und ſie baten den Oheim, mit ſeinen Mittheilungen nicht zurückzuhalten. Er warf noch einen aufmerkſam forſchenden Blick auf Reinhart's Geſicht, blickte hierauf nachdenklich zu Boden und ließ ſeinen weichen ſilbernen Schnurrbart durch die Finger laufen, als er ſeine Rede begann. Es iſt bald geſchehen, daß man alt wird (ſagte er), ſo raſch, daß man beim Rückblicke auf den durchlaufenen Weg ſich nur auf Einzelnes etwa beſinnen und ſich nament¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/228>, abgerufen am 24.11.2024.