Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

Brandolf winkte, und zum dritten Male wiederholte sich
die Scene. Die armen Teufel merkten, daß sie abermals
vorgeführt wurden, und suchten seitwärts mit Gewalt
auszubrechen. Denn trotz ihrer Verkommenheit empfanden
sie den Verrath und Hohn, dem sie verfallen waren, mit
dem Stolze der früheren Tage. Doch die unbarmherzige
Kraft des Seiles hielt sie fest, und sie standen abermals
vor der Braut und sie stierten abermals zu ihr hinauf.
Sie knirschten und stöhnten und ballten die Fäuste. Da
warf Brandolf drei Louisd'ors, jeden in ein Papierchen
gewickelt, hinunter, und blitzschnell haschten sie darnach
wie drei Affen, denen man Nüsse zuwirft. Es schien ihnen
jetzt doch wahrscheinlich zu sein, daß man sie nicht kenne.
Indessen winkte Brandolf wieder, Jochel zog das Seil
an und der Spuk verschwand endlich. Sie wurden aber
nicht losgelassen und auch nicht zu dem Volke gebracht,
das sich wieder zu Schmaus und Tanz begab, sondern

Jochel führte sie und die zwanzig Küfer nach einer entfernt
gelegenen Schenke, um die Teufelsgruppe dort extra zu
bewirthen. Nur mußten die drei Gehörnten jetzt vorwärts
gehen und musiciren, indessen die Küfer hinter ihnen das
Seil hielten. Darüber wurde es dunkel, und als die
wunderliche Gesellschaft bei der Schenke anlangte, sah man
in der Gegend des Winzerfestes drüben ein herrliches
Feuerwerk gen Himmel steigen. Die Teufel wurden jetzt
endlich mit ihren Schwänzen losgebunden, blieben aber
fortwährend von den kräftigen Burschen umringt und

Brandolf winkte, und zum dritten Male wiederholte ſich
die Scene. Die armen Teufel merkten, daß ſie abermals
vorgeführt wurden, und ſuchten ſeitwärts mit Gewalt
auszubrechen. Denn trotz ihrer Verkommenheit empfanden
ſie den Verrath und Hohn, dem ſie verfallen waren, mit
dem Stolze der früheren Tage. Doch die unbarmherzige
Kraft des Seiles hielt ſie feſt, und ſie ſtanden abermals
vor der Braut und ſie ſtierten abermals zu ihr hinauf.
Sie knirſchten und ſtöhnten und ballten die Fäuſte. Da
warf Brandolf drei Louisd'ors, jeden in ein Papierchen
gewickelt, hinunter, und blitzſchnell haſchten ſie darnach
wie drei Affen, denen man Nüſſe zuwirft. Es ſchien ihnen
jetzt doch wahrſcheinlich zu ſein, daß man ſie nicht kenne.
Indeſſen winkte Brandolf wieder, Jochel zog das Seil
an und der Spuk verſchwand endlich. Sie wurden aber
nicht losgelaſſen und auch nicht zu dem Volke gebracht,
das ſich wieder zu Schmaus und Tanz begab, ſondern

Jochel führte ſie und die zwanzig Küfer nach einer entfernt
gelegenen Schenke, um die Teufelsgruppe dort extra zu
bewirthen. Nur mußten die drei Gehörnten jetzt vorwärts
gehen und muſiciren, indeſſen die Küfer hinter ihnen das
Seil hielten. Darüber wurde es dunkel, und als die
wunderliche Geſellſchaft bei der Schenke anlangte, ſah man
in der Gegend des Winzerfeſtes drüben ein herrliches
Feuerwerk gen Himmel ſteigen. Die Teufel wurden jetzt
endlich mit ihren Schwänzen losgebunden, blieben aber
fortwährend von den kräftigen Burſchen umringt und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0222" n="212"/>
Brandolf winkte, und zum dritten Male wiederholte &#x017F;ich<lb/>
die Scene. Die armen Teufel merkten, daß &#x017F;ie abermals<lb/>
vorgeführt wurden, und &#x017F;uchten &#x017F;eitwärts mit Gewalt<lb/>
auszubrechen. Denn trotz ihrer Verkommenheit empfanden<lb/>
&#x017F;ie den Verrath und Hohn, dem &#x017F;ie verfallen waren, mit<lb/>
dem Stolze der früheren Tage. Doch die unbarmherzige<lb/>
Kraft des Seiles hielt &#x017F;ie fe&#x017F;t, und &#x017F;ie &#x017F;tanden abermals<lb/>
vor der Braut und &#x017F;ie &#x017F;tierten abermals zu ihr hinauf.<lb/>
Sie knir&#x017F;chten und &#x017F;töhnten und ballten die Fäu&#x017F;te. Da<lb/>
warf Brandolf drei Louisd'ors, jeden in ein Papierchen<lb/>
gewickelt, hinunter, und blitz&#x017F;chnell ha&#x017F;chten &#x017F;ie darnach<lb/>
wie drei Affen, denen man Nü&#x017F;&#x017F;e zuwirft. Es &#x017F;chien ihnen<lb/>
jetzt doch wahr&#x017F;cheinlich zu &#x017F;ein, daß man &#x017F;ie nicht kenne.<lb/>
Inde&#x017F;&#x017F;en winkte Brandolf wieder, Jochel zog das Seil<lb/>
an und der Spuk ver&#x017F;chwand endlich. Sie wurden aber<lb/>
nicht losgela&#x017F;&#x017F;en und auch nicht zu dem Volke gebracht,<lb/>
das &#x017F;ich wieder zu Schmaus und Tanz begab, &#x017F;ondern<lb/></p>
          <p>Jochel führte &#x017F;ie und die zwanzig Küfer nach einer entfernt<lb/>
gelegenen Schenke, um die Teufelsgruppe dort extra zu<lb/>
bewirthen. Nur mußten die drei Gehörnten jetzt vorwärts<lb/>
gehen und mu&#x017F;iciren, inde&#x017F;&#x017F;en die Küfer hinter ihnen das<lb/>
Seil hielten. Darüber wurde es dunkel, und als die<lb/>
wunderliche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft bei der Schenke anlangte, &#x017F;ah man<lb/>
in der Gegend des Winzerfe&#x017F;tes drüben ein herrliches<lb/>
Feuerwerk gen Himmel &#x017F;teigen. Die Teufel wurden jetzt<lb/>
endlich mit ihren Schwänzen losgebunden, blieben aber<lb/>
fortwährend von den kräftigen Bur&#x017F;chen umringt und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0222] Brandolf winkte, und zum dritten Male wiederholte ſich die Scene. Die armen Teufel merkten, daß ſie abermals vorgeführt wurden, und ſuchten ſeitwärts mit Gewalt auszubrechen. Denn trotz ihrer Verkommenheit empfanden ſie den Verrath und Hohn, dem ſie verfallen waren, mit dem Stolze der früheren Tage. Doch die unbarmherzige Kraft des Seiles hielt ſie feſt, und ſie ſtanden abermals vor der Braut und ſie ſtierten abermals zu ihr hinauf. Sie knirſchten und ſtöhnten und ballten die Fäuſte. Da warf Brandolf drei Louisd'ors, jeden in ein Papierchen gewickelt, hinunter, und blitzſchnell haſchten ſie darnach wie drei Affen, denen man Nüſſe zuwirft. Es ſchien ihnen jetzt doch wahrſcheinlich zu ſein, daß man ſie nicht kenne. Indeſſen winkte Brandolf wieder, Jochel zog das Seil an und der Spuk verſchwand endlich. Sie wurden aber nicht losgelaſſen und auch nicht zu dem Volke gebracht, das ſich wieder zu Schmaus und Tanz begab, ſondern Jochel führte ſie und die zwanzig Küfer nach einer entfernt gelegenen Schenke, um die Teufelsgruppe dort extra zu bewirthen. Nur mußten die drei Gehörnten jetzt vorwärts gehen und muſiciren, indeſſen die Küfer hinter ihnen das Seil hielten. Darüber wurde es dunkel, und als die wunderliche Geſellſchaft bei der Schenke anlangte, ſah man in der Gegend des Winzerfeſtes drüben ein herrliches Feuerwerk gen Himmel ſteigen. Die Teufel wurden jetzt endlich mit ihren Schwänzen losgebunden, blieben aber fortwährend von den kräftigen Burſchen umringt und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/222
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/222>, abgerufen am 23.11.2024.