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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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Hedwig war in der That im Irrthum, als sie glaubte,
das ihr abgestohlene Vermögen sei zum Theil noch vor¬
handen und die Räuber erfreuten sich seiner. Sie hatten
es freilich so im Sinne gehabt und waren, um das Geld
wuchern zu lassen, unter die Börsianer gegangen; allein
die drei Spitzbuben waren an die Unrechten gerathen und
in weniger als sechs Wochen bis auf die Haut ausgezogen.
Wüthend hierüber wollten sie sich durch einen großartigen
Wechselbetrug rächen und heraushelfen und sich alsdann
aus dem Staube machen. Es mißlang und sie wurden
ein Jahr lang eingesperrt und mußten gestreifte Kleider
anziehen. Als sie herauskamen, standen sie auf der
Straße; sogar ihre guten Kleider sammt den seidenen
Schlafröcken hatte das Amt verkauft, und sie mußten mit
den bescheidenen Hüllen vorlieb nehmen, welche die öffentliche
Wohlthätigkeit ihnen verabreichte. So konnten sie sich
nicht einmal mehr zu der Ehrenstufe von Professions¬
spielern erheben, die sie früher bekleidet, und sanken,
weil sie sich immerfort schlecht aufführten, schnell auf die
Landstraße hinunter. Dort konnten sie erst recht nicht
von einander lassen; wenn sie sich je auseinander ver¬
fügten, um besser fortzukommen, so waren sie in zwei
Wochen sicher wieder beisammen; nur ein gelegentlicher
Polizeiarrest vermochte sie im Uebrigen zu trennen. Der
lange Rittmeister Schwendtner hatte in seinen jüngeren
Jahren etwas geigen gelernt und wußte mit Noth noch
eine Saite aufzuziehen und darauf zu kratzen. Die

Hedwig war in der That im Irrthum, als ſie glaubte,
das ihr abgeſtohlene Vermögen ſei zum Theil noch vor¬
handen und die Räuber erfreuten ſich ſeiner. Sie hatten
es freilich ſo im Sinne gehabt und waren, um das Geld
wuchern zu laſſen, unter die Börſianer gegangen; allein
die drei Spitzbuben waren an die Unrechten gerathen und
in weniger als ſechs Wochen bis auf die Haut ausgezogen.
Wüthend hierüber wollten ſie ſich durch einen großartigen
Wechſelbetrug rächen und heraushelfen und ſich alsdann
aus dem Staube machen. Es mißlang und ſie wurden
ein Jahr lang eingeſperrt und mußten geſtreifte Kleider
anziehen. Als ſie herauskamen, ſtanden ſie auf der
Straße; ſogar ihre guten Kleider ſammt den ſeidenen
Schlafröcken hatte das Amt verkauft, und ſie mußten mit
den beſcheidenen Hüllen vorlieb nehmen, welche die öffentliche
Wohlthätigkeit ihnen verabreichte. So konnten ſie ſich
nicht einmal mehr zu der Ehrenſtufe von Profeſſions¬
ſpielern erheben, die ſie früher bekleidet, und ſanken,
weil ſie ſich immerfort ſchlecht aufführten, ſchnell auf die
Landſtraße hinunter. Dort konnten ſie erſt recht nicht
von einander laſſen; wenn ſie ſich je auseinander ver¬
fügten, um beſſer fortzukommen, ſo waren ſie in zwei
Wochen ſicher wieder beiſammen; nur ein gelegentlicher
Polizeiarreſt vermochte ſie im Uebrigen zu trennen. Der
lange Rittmeiſter Schwendtner hatte in ſeinen jüngeren
Jahren etwas geigen gelernt und wußte mit Noth noch
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[205/0215] Hedwig war in der That im Irrthum, als ſie glaubte, das ihr abgeſtohlene Vermögen ſei zum Theil noch vor¬ handen und die Räuber erfreuten ſich ſeiner. Sie hatten es freilich ſo im Sinne gehabt und waren, um das Geld wuchern zu laſſen, unter die Börſianer gegangen; allein die drei Spitzbuben waren an die Unrechten gerathen und in weniger als ſechs Wochen bis auf die Haut ausgezogen. Wüthend hierüber wollten ſie ſich durch einen großartigen Wechſelbetrug rächen und heraushelfen und ſich alsdann aus dem Staube machen. Es mißlang und ſie wurden ein Jahr lang eingeſperrt und mußten geſtreifte Kleider anziehen. Als ſie herauskamen, ſtanden ſie auf der Straße; ſogar ihre guten Kleider ſammt den ſeidenen Schlafröcken hatte das Amt verkauft, und ſie mußten mit den beſcheidenen Hüllen vorlieb nehmen, welche die öffentliche Wohlthätigkeit ihnen verabreichte. So konnten ſie ſich nicht einmal mehr zu der Ehrenſtufe von Profeſſions¬ ſpielern erheben, die ſie früher bekleidet, und ſanken, weil ſie ſich immerfort ſchlecht aufführten, ſchnell auf die Landſtraße hinunter. Dort konnten ſie erſt recht nicht von einander laſſen; wenn ſie ſich je auseinander ver¬ fügten, um beſſer fortzukommen, ſo waren ſie in zwei Wochen ſicher wieder beiſammen; nur ein gelegentlicher Polizeiarreſt vermochte ſie im Uebrigen zu trennen. Der lange Rittmeiſter Schwendtner hatte in ſeinen jüngeren Jahren etwas geigen gelernt und wußte mit Noth noch eine Saite aufzuziehen und darauf zu kratzen. Die

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/215>, abgerufen am 22.11.2024.