blühenden Apfelbäume geschützt. Hier ist nun weiter nichts zu sagen, als daß eine jener langen Rechnungen über Lust und Unlust, die unsere modernen Shylok's eifrig aufsetzen und dem Himmel so mürrisch entgegen¬ halten, wieder einmal wenigstens ausgeglichen wurde.
Da Brandolf bis gegen den Herbst hin mit seiner amtlichen Verrichtung beschäftigt und nicht gesonnen war, auch nach der Hochzeit noch im Dienste zu bleiben, wurde die Zeit der Weinlese zu dem Feste bestimmt, um zugleich eine natürliche Lustbarkeit mit demselben zu verbinden und es zu einer gewissermaßen symbolischen Feier für die wirthliche Braut zu gestalten, die so Vieles erduldet und entbehrt hatte. Es sollte auch von einer Hochzeit¬ reise nicht die Rede sein, sondern das eheliche Leben gleich im Anfange in das Arbeitsgeräusch und den bacchischen Tumult des Herbstes untertauchen.
Zur Zeit der Kornernte reis'te Brandolf nochmals auf ein paar Tage nach Hause; nachdem er die Braut im bittern Winter kennen gelernt, im Lenz sich mit ihr verlobt, wollte er sie im Glanze des Sommers sehen, ehe der Herbst die Erfüllung brachte. Sie war jetzt voll¬ kommen erstarkt und beweglich, aber immer besonnen und still waltend, und die helle Liebesfreude, die in ihr blühte, von der gleichen unsichtbaren Hand gebändigt und geordnet, wie die Wucht der goldenen Aehren, die jetzt in tausend Garben auf den Feldern gebunden lagen. Zwischen zwei ausgedehnten gelben Ackerflächen zog sich ein schmaler
blühenden Apfelbäume geſchützt. Hier iſt nun weiter nichts zu ſagen, als daß eine jener langen Rechnungen über Luſt und Unluſt, die unſere modernen Shylok's eifrig aufſetzen und dem Himmel ſo mürriſch entgegen¬ halten, wieder einmal wenigſtens ausgeglichen wurde.
Da Brandolf bis gegen den Herbſt hin mit ſeiner amtlichen Verrichtung beſchäftigt und nicht geſonnen war, auch nach der Hochzeit noch im Dienſte zu bleiben, wurde die Zeit der Weinleſe zu dem Feſte beſtimmt, um zugleich eine natürliche Luſtbarkeit mit demſelben zu verbinden und es zu einer gewiſſermaßen ſymboliſchen Feier für die wirthliche Braut zu geſtalten, die ſo Vieles erduldet und entbehrt hatte. Es ſollte auch von einer Hochzeit¬ reiſe nicht die Rede ſein, ſondern das eheliche Leben gleich im Anfange in das Arbeitsgeräuſch und den bacchiſchen Tumult des Herbſtes untertauchen.
Zur Zeit der Kornernte reiſ'te Brandolf nochmals auf ein paar Tage nach Hauſe; nachdem er die Braut im bittern Winter kennen gelernt, im Lenz ſich mit ihr verlobt, wollte er ſie im Glanze des Sommers ſehen, ehe der Herbſt die Erfüllung brachte. Sie war jetzt voll¬ kommen erſtarkt und beweglich, aber immer beſonnen und ſtill waltend, und die helle Liebesfreude, die in ihr blühte, von der gleichen unſichtbaren Hand gebändigt und geordnet, wie die Wucht der goldenen Aehren, die jetzt in tauſend Garben auf den Feldern gebunden lagen. Zwiſchen zwei ausgedehnten gelben Ackerflächen zog ſich ein ſchmaler
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[202/0212]
blühenden Apfelbäume geſchützt. Hier iſt nun weiter
nichts zu ſagen, als daß eine jener langen Rechnungen
über Luſt und Unluſt, die unſere modernen Shylok's
eifrig aufſetzen und dem Himmel ſo mürriſch entgegen¬
halten, wieder einmal wenigſtens ausgeglichen wurde.
Da Brandolf bis gegen den Herbſt hin mit ſeiner
amtlichen Verrichtung beſchäftigt und nicht geſonnen war,
auch nach der Hochzeit noch im Dienſte zu bleiben, wurde
die Zeit der Weinleſe zu dem Feſte beſtimmt, um zugleich
eine natürliche Luſtbarkeit mit demſelben zu verbinden
und es zu einer gewiſſermaßen ſymboliſchen Feier für
die wirthliche Braut zu geſtalten, die ſo Vieles erduldet
und entbehrt hatte. Es ſollte auch von einer Hochzeit¬
reiſe nicht die Rede ſein, ſondern das eheliche Leben gleich
im Anfange in das Arbeitsgeräuſch und den bacchiſchen
Tumult des Herbſtes untertauchen.
Zur Zeit der Kornernte reiſ'te Brandolf nochmals
auf ein paar Tage nach Hauſe; nachdem er die Braut
im bittern Winter kennen gelernt, im Lenz ſich mit ihr
verlobt, wollte er ſie im Glanze des Sommers ſehen, ehe
der Herbſt die Erfüllung brachte. Sie war jetzt voll¬
kommen erſtarkt und beweglich, aber immer beſonnen und
ſtill waltend, und die helle Liebesfreude, die in ihr blühte,
von der gleichen unſichtbaren Hand gebändigt und geordnet,
wie die Wucht der goldenen Aehren, die jetzt in tauſend
Garben auf den Feldern gebunden lagen. Zwiſchen zwei
ausgedehnten gelben Ackerflächen zog ſich ein ſchmaler
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/212>, abgerufen am 24.11.2024.
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