und werde sie alsdann mit einem seidenen Faden am feinen Knöchel anbinden, damit sie ihm nie mehr abhanden komme. Doch müsse der Papa für ihn fragen und den Korb einheimsen, den es allenfalls absetze.
Darauf schrieb der Alte zurück, er habe es sofort gethan und augenblicklich ein Ja erhalten. Es sei auf dem Wege zu dem großen Gemüsegarten geschehen, den sie in so herrlichen Stand gebracht habe. Sie sei so ehrlich und offen, daß sie sich nicht eine Secunde lang zu zieren vermocht, sondern ihm gleich beide Hände zitternd entgegen gestreckt habe, von einem ganz merkwürdig hin¬ gebenden und seelenvollen Ausdruck des schmalen Gesichtes begleitet. Ja, ja, die kleine Hexe sei nicht nur nützlich, sondern auch angenehm u. s. w.
Hierauf begann Brandolf allerhand kleine Briefchen und große Geschenke an die Erwählte zu senden. Sie antwortete eben so kurz; aber die Buchstaben flimmerten von den Empfindungen, die darin lebten. Der Tag der Verlobung wurde in den Monat Mai verlegt und die Verwandten und Freunde geladen. Als Hauswirthin hatte Hedwig die Pflicht und Freude, alle Vorbereitungen zu treffen, und sie selbst war die Braut. Bei Brandolf's Ankunft war sie ihm allein entgegen geeilt; so hatten sie es verabredet. Er stieg aus dem Wagen und wandelte mit ihr durch einen einsamen blumigen Wiesenpfad, auf dessen Mitte er sie fest an sich drückte und sie an seinem Halse hing, von den niederhängenden Aesten der weiß
und werde ſie alsdann mit einem ſeidenen Faden am feinen Knöchel anbinden, damit ſie ihm nie mehr abhanden komme. Doch müſſe der Papa für ihn fragen und den Korb einheimſen, den es allenfalls abſetze.
Darauf ſchrieb der Alte zurück, er habe es ſofort gethan und augenblicklich ein Ja erhalten. Es ſei auf dem Wege zu dem großen Gemüſegarten geſchehen, den ſie in ſo herrlichen Stand gebracht habe. Sie ſei ſo ehrlich und offen, daß ſie ſich nicht eine Secunde lang zu zieren vermocht, ſondern ihm gleich beide Hände zitternd entgegen geſtreckt habe, von einem ganz merkwürdig hin¬ gebenden und ſeelenvollen Ausdruck des ſchmalen Geſichtes begleitet. Ja, ja, die kleine Hexe ſei nicht nur nützlich, ſondern auch angenehm u. ſ. w.
Hierauf begann Brandolf allerhand kleine Briefchen und große Geſchenke an die Erwählte zu ſenden. Sie antwortete eben ſo kurz; aber die Buchſtaben flimmerten von den Empfindungen, die darin lebten. Der Tag der Verlobung wurde in den Monat Mai verlegt und die Verwandten und Freunde geladen. Als Hauswirthin hatte Hedwig die Pflicht und Freude, alle Vorbereitungen zu treffen, und ſie ſelbſt war die Braut. Bei Brandolf's Ankunft war ſie ihm allein entgegen geeilt; ſo hatten ſie es verabredet. Er ſtieg aus dem Wagen und wandelte mit ihr durch einen einſamen blumigen Wieſenpfad, auf deſſen Mitte er ſie feſt an ſich drückte und ſie an ſeinem Halſe hing, von den niederhängenden Aeſten der weiß
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[201/0211]
und werde ſie alsdann mit einem ſeidenen Faden am
feinen Knöchel anbinden, damit ſie ihm nie mehr abhanden
komme. Doch müſſe der Papa für ihn fragen und den
Korb einheimſen, den es allenfalls abſetze.
Darauf ſchrieb der Alte zurück, er habe es ſofort
gethan und augenblicklich ein Ja erhalten. Es ſei auf
dem Wege zu dem großen Gemüſegarten geſchehen, den
ſie in ſo herrlichen Stand gebracht habe. Sie ſei ſo
ehrlich und offen, daß ſie ſich nicht eine Secunde lang
zu zieren vermocht, ſondern ihm gleich beide Hände zitternd
entgegen geſtreckt habe, von einem ganz merkwürdig hin¬
gebenden und ſeelenvollen Ausdruck des ſchmalen Geſichtes
begleitet. Ja, ja, die kleine Hexe ſei nicht nur nützlich,
ſondern auch angenehm u. ſ. w.
Hierauf begann Brandolf allerhand kleine Briefchen
und große Geſchenke an die Erwählte zu ſenden. Sie
antwortete eben ſo kurz; aber die Buchſtaben flimmerten
von den Empfindungen, die darin lebten. Der Tag der
Verlobung wurde in den Monat Mai verlegt und die
Verwandten und Freunde geladen. Als Hauswirthin
hatte Hedwig die Pflicht und Freude, alle Vorbereitungen
zu treffen, und ſie ſelbſt war die Braut. Bei Brandolf's
Ankunft war ſie ihm allein entgegen geeilt; ſo hatten ſie
es verabredet. Er ſtieg aus dem Wagen und wandelte
mit ihr durch einen einſamen blumigen Wieſenpfad, auf
deſſen Mitte er ſie feſt an ſich drückte und ſie an ſeinem
Halſe hing, von den niederhängenden Aeſten der weiß
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/211>, abgerufen am 24.11.2024.
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