sie sogar dem Militärdienste aus dem Wege zu gehen, obgleich sie groß und gesund waren. Der Vater haßte sie und lauerte auf die Erbschaften, die ihrer von mütter¬ licher Seite her noch warteten, um als natürlicher Vor¬ mund das Vermögen seiner Söhne wenigstens noch während ein paar Jahren in die Hände zu bekommen. Allein sie wurden richtig volljährig, ehe die Glücksfälle rasch einer nach dem andern eintraten; und nun rafften sie ihren Reichthum zusammen und reisten mit einander in die Welt hinaus, um zu treiben, was ihnen wohlgefiel, und nicht einen Pfennig ließen sie zurück. Sie hingen an einander wie die Kletten; während man sonst von einer Affenliebe spricht, hielten die zwei Brüder mit einer Art von Halunkenliebe zusammen und thun es wahrscheinlich jetzt noch, wenn sie noch leben; denn man weiß nicht, wo sie sind.
"Der Vater wurde kränklich und starb, und nun war die Mutter mit mir allein auf dem verarmten Stamm¬ sitze zu Lohausen, den sie nie gesehen zu haben wünschte. Schon seit Jahren hatte sie zu retten gesucht, was zu retten war, und jetzt kämpfte sie wie ein Soldat gegen den Untergang. Von ihr lernte ich fast von nichts zu leben und das Nichts noch zu sparen. Mit wenigen Leuten hielten wir uns auf dem Hofe, obgleich er schon verschuldet war. Früh und spät schaute die Mutter zur Sache; ihr Vermögen war verloren, aber noch hatte auch sie zu erben und in dieser Hoffnung nur hielt sie sich
ſie ſogar dem Militärdienſte aus dem Wege zu gehen, obgleich ſie groß und geſund waren. Der Vater haßte ſie und lauerte auf die Erbſchaften, die ihrer von mütter¬ licher Seite her noch warteten, um als natürlicher Vor¬ mund das Vermögen ſeiner Söhne wenigſtens noch während ein paar Jahren in die Hände zu bekommen. Allein ſie wurden richtig volljährig, ehe die Glücksfälle raſch einer nach dem andern eintraten; und nun rafften ſie ihren Reichthum zuſammen und reiſten mit einander in die Welt hinaus, um zu treiben, was ihnen wohlgefiel, und nicht einen Pfennig ließen ſie zurück. Sie hingen an einander wie die Kletten; während man ſonſt von einer Affenliebe ſpricht, hielten die zwei Brüder mit einer Art von Halunkenliebe zuſammen und thun es wahrſcheinlich jetzt noch, wenn ſie noch leben; denn man weiß nicht, wo ſie ſind.
„Der Vater wurde kränklich und ſtarb, und nun war die Mutter mit mir allein auf dem verarmten Stamm¬ ſitze zu Lohauſen, den ſie nie geſehen zu haben wünſchte. Schon ſeit Jahren hatte ſie zu retten geſucht, was zu retten war, und jetzt kämpfte ſie wie ein Soldat gegen den Untergang. Von ihr lernte ich faſt von nichts zu leben und das Nichts noch zu ſparen. Mit wenigen Leuten hielten wir uns auf dem Hofe, obgleich er ſchon verſchuldet war. Früh und ſpät ſchaute die Mutter zur Sache; ihr Vermögen war verloren, aber noch hatte auch ſie zu erben und in dieſer Hoffnung nur hielt ſie ſich
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ſie ſogar dem Militärdienſte aus dem Wege zu gehen,
obgleich ſie groß und geſund waren. Der Vater haßte
ſie und lauerte auf die Erbſchaften, die ihrer von mütter¬
licher Seite her noch warteten, um als natürlicher Vor¬
mund das Vermögen ſeiner Söhne wenigſtens noch während
ein paar Jahren in die Hände zu bekommen. Allein ſie
wurden richtig volljährig, ehe die Glücksfälle raſch einer
nach dem andern eintraten; und nun rafften ſie ihren
Reichthum zuſammen und reiſten mit einander in die Welt
hinaus, um zu treiben, was ihnen wohlgefiel, und nicht
einen Pfennig ließen ſie zurück. Sie hingen an einander
wie die Kletten; während man ſonſt von einer Affenliebe
ſpricht, hielten die zwei Brüder mit einer Art von
Halunkenliebe zuſammen und thun es wahrſcheinlich jetzt
noch, wenn ſie noch leben; denn man weiß nicht, wo
ſie ſind.
„Der Vater wurde kränklich und ſtarb, und nun war
die Mutter mit mir allein auf dem verarmten Stamm¬
ſitze zu Lohauſen, den ſie nie geſehen zu haben wünſchte.
Schon ſeit Jahren hatte ſie zu retten geſucht, was zu
retten war, und jetzt kämpfte ſie wie ein Soldat gegen
den Untergang. Von ihr lernte ich faſt von nichts zu
leben und das Nichts noch zu ſparen. Mit wenigen
Leuten hielten wir uns auf dem Hofe, obgleich er ſchon
verſchuldet war. Früh und ſpät ſchaute die Mutter zur
Sache; ihr Vermögen war verloren, aber noch hatte auch
ſie zu erben und in dieſer Hoffnung nur hielt ſie ſich
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/204>, abgerufen am 25.11.2024.
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