wäre oder irgend ein anderes Kleinod. Er hatte sein Leben lang etwas Närrisches an sich und soll es jetzt noch haben, insofern man das närrisch nennen kann, was Einem nicht jeder nachthut.
Plötzlich erschütterte sich die Schläferin wie von einem unwilligen oder ängstlichen Traume und erwachte. Ver¬ wirrt sah sie um sich, und als sie den Mann mit dem theilnehmenden Ausdruck im Gesichte wahrnahm, raffte sie sich auf und bat mit milderen Worten, als sie bisher hatte hören lassen, um Entschuldigung. Sie that sogar ein Uebriges und fügte zur Erklärung bei, Nelken seien ihre Lieblingsblumen und sie habe dem Gelüste nicht widerstehen können, ein wenig bei dem schönen Stock auszuruhen, wobei sie leider eingeschlafen. Einst habe sie über hundert solcher Stöcke gepflegt, einer schöner als der andere und von allen Farben.
Darf ich Ihnen diesen anbieten, Frau Baronin? sagte Brandolf, der sich sogleich erhoben hatte, ich habe ihn unten gekauft, als ich sah, daß Sie die Pflanze in die Hand genommen und mit Gefallen betrachteten.
Das milde Wetter war aber schon vorüber. Mit Roth übergossen schüttelte sie den Kopf. Bei mir ist zu wenig Licht dafür, sagte sie, hier steht er besser! Als ob es sie gereute, schon so viel gesprochen zu haben, grüßte sie knapp, ging hinaus und ließ sich die folgenden Tage kaum blicken.
wäre oder irgend ein anderes Kleinod. Er hatte ſein Leben lang etwas Närriſches an ſich und ſoll es jetzt noch haben, inſofern man das närriſch nennen kann, was Einem nicht jeder nachthut.
Plötzlich erſchütterte ſich die Schläferin wie von einem unwilligen oder ängſtlichen Traume und erwachte. Ver¬ wirrt ſah ſie um ſich, und als ſie den Mann mit dem theilnehmenden Ausdruck im Geſichte wahrnahm, raffte ſie ſich auf und bat mit milderen Worten, als ſie bisher hatte hören laſſen, um Entſchuldigung. Sie that ſogar ein Uebriges und fügte zur Erklärung bei, Nelken ſeien ihre Lieblingsblumen und ſie habe dem Gelüſte nicht widerſtehen können, ein wenig bei dem ſchönen Stock auszuruhen, wobei ſie leider eingeſchlafen. Einſt habe ſie über hundert ſolcher Stöcke gepflegt, einer ſchöner als der andere und von allen Farben.
Darf ich Ihnen dieſen anbieten, Frau Baronin? ſagte Brandolf, der ſich ſogleich erhoben hatte, ich habe ihn unten gekauft, als ich ſah, daß Sie die Pflanze in die Hand genommen und mit Gefallen betrachteten.
Das milde Wetter war aber ſchon vorüber. Mit Roth übergoſſen ſchüttelte ſie den Kopf. Bei mir iſt zu wenig Licht dafür, ſagte ſie, hier ſteht er beſſer! Als ob es ſie gereute, ſchon ſo viel geſprochen zu haben, grüßte ſie knapp, ging hinaus und ließ ſich die folgenden Tage kaum blicken.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0184"n="174"/>
wäre oder irgend ein anderes Kleinod. Er hatte ſein<lb/>
Leben lang etwas Närriſches an ſich und ſoll es jetzt<lb/>
noch haben, inſofern man das närriſch nennen kann, was<lb/>
Einem nicht jeder nachthut.</p><lb/><p>Plötzlich erſchütterte ſich die Schläferin wie von einem<lb/>
unwilligen oder ängſtlichen Traume und erwachte. Ver¬<lb/>
wirrt ſah ſie um ſich, und als ſie den Mann mit dem<lb/>
theilnehmenden Ausdruck im Geſichte wahrnahm, raffte<lb/>ſie ſich auf und bat mit milderen Worten, als ſie bisher<lb/>
hatte hören laſſen, um Entſchuldigung. Sie that ſogar<lb/>
ein Uebriges und fügte zur Erklärung bei, Nelken ſeien<lb/>
ihre Lieblingsblumen und ſie habe dem Gelüſte nicht<lb/>
widerſtehen können, ein wenig bei dem ſchönen Stock<lb/>
auszuruhen, wobei ſie leider eingeſchlafen. Einſt habe ſie<lb/>
über hundert ſolcher Stöcke gepflegt, einer ſchöner als der<lb/>
andere und von allen Farben.</p><lb/><p>Darf ich Ihnen dieſen anbieten, Frau Baronin? ſagte<lb/>
Brandolf, der ſich ſogleich erhoben hatte, ich habe ihn<lb/>
unten gekauft, als ich ſah, daß Sie die Pflanze in die<lb/>
Hand genommen und mit Gefallen betrachteten.</p><lb/><p>Das milde Wetter war aber ſchon vorüber. Mit<lb/>
Roth übergoſſen ſchüttelte ſie den Kopf. Bei mir iſt zu<lb/>
wenig Licht dafür, ſagte ſie, hier ſteht er beſſer! Als ob<lb/>
es ſie gereute, ſchon ſo viel geſprochen zu haben, grüßte<lb/>ſie knapp, ging hinaus und ließ ſich die folgenden Tage<lb/>
kaum blicken.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[174/0184]
wäre oder irgend ein anderes Kleinod. Er hatte ſein
Leben lang etwas Närriſches an ſich und ſoll es jetzt
noch haben, inſofern man das närriſch nennen kann, was
Einem nicht jeder nachthut.
Plötzlich erſchütterte ſich die Schläferin wie von einem
unwilligen oder ängſtlichen Traume und erwachte. Ver¬
wirrt ſah ſie um ſich, und als ſie den Mann mit dem
theilnehmenden Ausdruck im Geſichte wahrnahm, raffte
ſie ſich auf und bat mit milderen Worten, als ſie bisher
hatte hören laſſen, um Entſchuldigung. Sie that ſogar
ein Uebriges und fügte zur Erklärung bei, Nelken ſeien
ihre Lieblingsblumen und ſie habe dem Gelüſte nicht
widerſtehen können, ein wenig bei dem ſchönen Stock
auszuruhen, wobei ſie leider eingeſchlafen. Einſt habe ſie
über hundert ſolcher Stöcke gepflegt, einer ſchöner als der
andere und von allen Farben.
Darf ich Ihnen dieſen anbieten, Frau Baronin? ſagte
Brandolf, der ſich ſogleich erhoben hatte, ich habe ihn
unten gekauft, als ich ſah, daß Sie die Pflanze in die
Hand genommen und mit Gefallen betrachteten.
Das milde Wetter war aber ſchon vorüber. Mit
Roth übergoſſen ſchüttelte ſie den Kopf. Bei mir iſt zu
wenig Licht dafür, ſagte ſie, hier ſteht er beſſer! Als ob
es ſie gereute, ſchon ſo viel geſprochen zu haben, grüßte
ſie knapp, ging hinaus und ließ ſich die folgenden Tage
kaum blicken.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/184>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.