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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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würde. Wir standen eben in einem schlanken
hohen Rosenwäldchen, das ich gezogen hatte; die
Bäumchen standen just in der Höhe des Gesich¬
tes eines Menschen, und so nahe, daß wenn
man darin herum ging, die Rosen Einem an
der Nase streiften, was sehr artig und bequem
war und wozu der Gouverneur sehr gelacht hatte,
da er sich nun nicht mehr zu bücken brauchte
um an den Rosen zu riechen. Als ich den Bur¬
schen meine Anweisungen ertheilte, kam Lydia
herbei und schickte ihn mit irgend einem Auftrage
weg, und indem sie gleich mitzugehen Willens
schien, zögerte sie doch eine kurze Zeit, einige
Rosen brechend, bis der Diener weg war. Ich
zerrte ebenfalls noch ein Weilchen an einem
Zweige herum und wie ich mich umdrehte, um
zu gehen, sah ich, daß ihr Thränen aus den
Augen fielen. Ich hatte Mühe mich zu bezwin¬
gen; doch that ich als ob ich nichts gesehen,
und eilte hinweg. Doch kaum war ich zehn
Schritte gegangen, als ich hörte und fühlte, wie
sie, bald laufend, bald stehen bleibend, hinter mir
herkam, und so eine ganze Strecke weit. Ich
hielt dies nicht mehr aus, wandte mich plötzlich

würde. Wir ſtanden eben in einem ſchlanken
hohen Roſenwäldchen, das ich gezogen hatte; die
Bäumchen ſtanden juſt in der Höhe des Geſich¬
tes eines Menſchen, und ſo nahe, daß wenn
man darin herum ging, die Roſen Einem an
der Naſe ſtreiften, was ſehr artig und bequem
war und wozu der Gouverneur ſehr gelacht hatte,
da er ſich nun nicht mehr zu bücken brauchte
um an den Roſen zu riechen. Als ich den Bur¬
ſchen meine Anweiſungen ertheilte, kam Lydia
herbei und ſchickte ihn mit irgend einem Auftrage
weg, und indem ſie gleich mitzugehen Willens
ſchien, zögerte ſie doch eine kurze Zeit, einige
Roſen brechend, bis der Diener weg war. Ich
zerrte ebenfalls noch ein Weilchen an einem
Zweige herum und wie ich mich umdrehte, um
zu gehen, ſah ich, daß ihr Thränen aus den
Augen fielen. Ich hatte Mühe mich zu bezwin¬
gen; doch that ich als ob ich nichts geſehen,
und eilte hinweg. Doch kaum war ich zehn
Schritte gegangen, als ich hörte und fühlte, wie
ſie, bald laufend, bald ſtehen bleibend, hinter mir
herkam, und ſo eine ganze Strecke weit. Ich
hielt dies nicht mehr aus, wandte mich plötzlich

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[77/0089] würde. Wir ſtanden eben in einem ſchlanken hohen Roſenwäldchen, das ich gezogen hatte; die Bäumchen ſtanden juſt in der Höhe des Geſich¬ tes eines Menſchen, und ſo nahe, daß wenn man darin herum ging, die Roſen Einem an der Naſe ſtreiften, was ſehr artig und bequem war und wozu der Gouverneur ſehr gelacht hatte, da er ſich nun nicht mehr zu bücken brauchte um an den Roſen zu riechen. Als ich den Bur¬ ſchen meine Anweiſungen ertheilte, kam Lydia herbei und ſchickte ihn mit irgend einem Auftrage weg, und indem ſie gleich mitzugehen Willens ſchien, zögerte ſie doch eine kurze Zeit, einige Roſen brechend, bis der Diener weg war. Ich zerrte ebenfalls noch ein Weilchen an einem Zweige herum und wie ich mich umdrehte, um zu gehen, ſah ich, daß ihr Thränen aus den Augen fielen. Ich hatte Mühe mich zu bezwin¬ gen; doch that ich als ob ich nichts geſehen, und eilte hinweg. Doch kaum war ich zehn Schritte gegangen, als ich hörte und fühlte, wie ſie, bald laufend, bald ſtehen bleibend, hinter mir herkam, und ſo eine ganze Strecke weit. Ich hielt dies nicht mehr aus, wandte mich plötzlich

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/89>, abgerufen am 24.11.2024.