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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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ohne mein Wissen mir eingeprägt hatte, und fast
jedes ihrer Worte, selbst das gleichgültigste und
vorübergehendste, hörte ich mit klar vernehmlichem
Ausdruck in der Stille dieser Wildniß wieder
tönen. Diese sämmtliche Herrlichkeit hatte also
gleichsam schlafend oder heimlicherweise sich in
mir aufgehalten und der heutige Vorgang hatte
nur den Riegel davor weggeschoben oder eine
Fackel in ein Bund Stroh geworfen. Ich ver¬
gaß über diesen Dingen wieder meinen schlechten
Zorn und beschäftigte mich rückhaltlos mit der
Ausbeutung meines guten Gedächtnisses und
schenkte demselben nicht den kleinsten Zug, den
es mir von dem Bilde Lydias irgend liefern
konnte. Auf diese Weise schlenderte ich denn
auch wieder der Behausung zu und überließ mich
allem diesen angenehmen Vorstellungen; jedoch
vermochte ich nun nicht mehr so unbefangen und
ruhig in ihrer Nähe zu sein, und da ich nichts
anderes anzufangen wußte noch gesonnen war,
so vermied ich möglichst jeden Verkehr mit ihr,
um desto eifriger an sie zu denken. So ver¬
gingen drei oder vier Wochen, ohne daß etwas
Weiteres vorfiel, als daß ich bemerkte, daß sie

ohne mein Wiſſen mir eingeprägt hatte, und faſt
jedes ihrer Worte, ſelbſt das gleichgültigſte und
vorübergehendſte, hörte ich mit klar vernehmlichem
Ausdruck in der Stille dieſer Wildniß wieder
tönen. Dieſe ſämmtliche Herrlichkeit hatte alſo
gleichſam ſchlafend oder heimlicherweiſe ſich in
mir aufgehalten und der heutige Vorgang hatte
nur den Riegel davor weggeſchoben oder eine
Fackel in ein Bund Stroh geworfen. Ich ver¬
gaß über dieſen Dingen wieder meinen ſchlechten
Zorn und beſchäftigte mich rückhaltlos mit der
Ausbeutung meines guten Gedächtniſſes und
ſchenkte demſelben nicht den kleinſten Zug, den
es mir von dem Bilde Lydias irgend liefern
konnte. Auf dieſe Weiſe ſchlenderte ich denn
auch wieder der Behauſung zu und überließ mich
allem dieſen angenehmen Vorſtellungen; jedoch
vermochte ich nun nicht mehr ſo unbefangen und
ruhig in ihrer Nähe zu ſein, und da ich nichts
anderes anzufangen wußte noch geſonnen war,
ſo vermied ich möglichſt jeden Verkehr mit ihr,
um deſto eifriger an ſie zu denken. So ver¬
gingen drei oder vier Wochen, ohne daß etwas
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[63/0075] ohne mein Wiſſen mir eingeprägt hatte, und faſt jedes ihrer Worte, ſelbſt das gleichgültigſte und vorübergehendſte, hörte ich mit klar vernehmlichem Ausdruck in der Stille dieſer Wildniß wieder tönen. Dieſe ſämmtliche Herrlichkeit hatte alſo gleichſam ſchlafend oder heimlicherweiſe ſich in mir aufgehalten und der heutige Vorgang hatte nur den Riegel davor weggeſchoben oder eine Fackel in ein Bund Stroh geworfen. Ich ver¬ gaß über dieſen Dingen wieder meinen ſchlechten Zorn und beſchäftigte mich rückhaltlos mit der Ausbeutung meines guten Gedächtniſſes und ſchenkte demſelben nicht den kleinſten Zug, den es mir von dem Bilde Lydias irgend liefern konnte. Auf dieſe Weiſe ſchlenderte ich denn auch wieder der Behauſung zu und überließ mich allem dieſen angenehmen Vorſtellungen; jedoch vermochte ich nun nicht mehr ſo unbefangen und ruhig in ihrer Nähe zu ſein, und da ich nichts anderes anzufangen wußte noch geſonnen war, ſo vermied ich möglichſt jeden Verkehr mit ihr, um deſto eifriger an ſie zu denken. So ver¬ gingen drei oder vier Wochen, ohne daß etwas Weiteres vorfiel, als daß ich bemerkte, daß ſie

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/75>, abgerufen am 24.11.2024.