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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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pelbüchse und streifte in den Abend hinaus weit in
die Wildniß. Viele Thiere sah ich wohl, aber
alle vergaß ich zu schießen; denn wie ich auf
eines anschlagen wollte, dachte ich wieder an das
Benehmen dieser Dame und verlor so das Thier
aus den Augen."

"Was will sie von dir, dachte ich, und was
soll das heißen? Indem ich aber hierüber hin-
und hersann, entstand und lohete schon eine
große Dankbarkeit in mir für alles Mögliche
und Unmögliche, was irgend in dem Vorfalle
liegen mochte, wogegen mein Ordnungssinn und
das Bewußtsein meiner geringen und wenig an¬
muthigen Person den widerwärtigsten Streit erhob.
Als ich hieraus nicht klug wurde, verfielen meine
Gedanken plötzlich auf den Ausweg, daß diese
scheinbar so schöne und tüchtige Frau am Ende
ganz einfach ein leichtfertiges und verbuhltes
Wesen sei, das sich zu schaffen mache, mit wem
es sei, und selbst mit einem armen Unterofficier
eine schlechte Geschichte anzuheben nicht verschmähe.
Diese verwünschte Ansicht that mir so weh und
traf mich so unvermuthet, daß ich wuthentbrannt
einen ungeheuren rauhen Eber niederschoß, der

pelbüchſe und ſtreifte in den Abend hinaus weit in
die Wildniß. Viele Thiere ſah ich wohl, aber
alle vergaß ich zu ſchießen; denn wie ich auf
eines anſchlagen wollte, dachte ich wieder an das
Benehmen dieſer Dame und verlor ſo das Thier
aus den Augen.«

»Was will ſie von dir, dachte ich, und was
ſoll das heißen? Indem ich aber hierüber hin-
und herſann, entſtand und lohete ſchon eine
große Dankbarkeit in mir für alles Mögliche
und Unmögliche, was irgend in dem Vorfalle
liegen mochte, wogegen mein Ordnungsſinn und
das Bewußtſein meiner geringen und wenig an¬
muthigen Perſon den widerwärtigſten Streit erhob.
Als ich hieraus nicht klug wurde, verfielen meine
Gedanken plötzlich auf den Ausweg, daß dieſe
ſcheinbar ſo ſchöne und tüchtige Frau am Ende
ganz einfach ein leichtfertiges und verbuhltes
Weſen ſei, das ſich zu ſchaffen mache, mit wem
es ſei, und ſelbſt mit einem armen Unterofficier
eine ſchlechte Geſchichte anzuheben nicht verſchmähe.
Dieſe verwünſchte Anſicht that mir ſo weh und
traf mich ſo unvermuthet, daß ich wuthentbrannt
einen ungeheuren rauhen Eber niederſchoß, der

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[61/0073] pelbüchſe und ſtreifte in den Abend hinaus weit in die Wildniß. Viele Thiere ſah ich wohl, aber alle vergaß ich zu ſchießen; denn wie ich auf eines anſchlagen wollte, dachte ich wieder an das Benehmen dieſer Dame und verlor ſo das Thier aus den Augen.« »Was will ſie von dir, dachte ich, und was ſoll das heißen? Indem ich aber hierüber hin- und herſann, entſtand und lohete ſchon eine große Dankbarkeit in mir für alles Mögliche und Unmögliche, was irgend in dem Vorfalle liegen mochte, wogegen mein Ordnungsſinn und das Bewußtſein meiner geringen und wenig an¬ muthigen Perſon den widerwärtigſten Streit erhob. Als ich hieraus nicht klug wurde, verfielen meine Gedanken plötzlich auf den Ausweg, daß dieſe ſcheinbar ſo ſchöne und tüchtige Frau am Ende ganz einfach ein leichtfertiges und verbuhltes Weſen ſei, das ſich zu ſchaffen mache, mit wem es ſei, und ſelbſt mit einem armen Unterofficier eine ſchlechte Geſchichte anzuheben nicht verſchmähe. Dieſe verwünſchte Anſicht that mir ſo weh und traf mich ſo unvermuthet, daß ich wuthentbrannt einen ungeheuren rauhen Eber niederſchoß, der

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/73>, abgerufen am 25.11.2024.