Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Veränderung dadurch mit mir vor, wenn ich mich
recht entsinne, daß ich gegenüber dem Gouver¬
neur ein wenig mehr auf mich hielt, ein wenig
mehr den Soldaten hervorkehrte, der nichts als
seine Pflicht kennt, und in meinen übrigen Dienst¬
leistungen mehr den Schein der Unabhängigkeit
wahrte, wie ich denn auch in keinerlei Lohnver¬
hältniß zu ihm stand und nachdem die eigentliche
Arbeit auf seinem Büreau gethan, wofür ich
besoldet war, alles übrige als ein guter Ver¬
trauter mitmachte und nur, da es die Gelegen¬
heit mit sich brachte, etwa mit ihm aß und trank.
Und so war ich, wie schon gesagt, vollkommen
ruhig und zufrieden, was sich freilich auf meine
besondere Weise ausnehmen mochte."

"Da geschah es eines Tages, als ich unter
den schattigen Bäumen mir zu thun machte, daß
die Lydia innerhalb einer kurzen Stunde drei
Mal herkam, ohne daß sie etwas da zu thun
oder auszurichten hatte. Das erste Mal setzte
sie sich auf einen umgestürzten Korb und aß ein
kleines Körbchen voll rother Kirschen auf, indem
sie fortwährend mit mir plauderte und mich zum
Reden veranlaßte. Das andere Mal kam sie

Veränderung dadurch mit mir vor, wenn ich mich
recht entſinne, daß ich gegenüber dem Gouver¬
neur ein wenig mehr auf mich hielt, ein wenig
mehr den Soldaten hervorkehrte, der nichts als
ſeine Pflicht kennt, und in meinen übrigen Dienſt¬
leiſtungen mehr den Schein der Unabhängigkeit
wahrte, wie ich denn auch in keinerlei Lohnver¬
hältniß zu ihm ſtand und nachdem die eigentliche
Arbeit auf ſeinem Büreau gethan, wofür ich
beſoldet war, alles übrige als ein guter Ver¬
trauter mitmachte und nur, da es die Gelegen¬
heit mit ſich brachte, etwa mit ihm aß und trank.
Und ſo war ich, wie ſchon geſagt, vollkommen
ruhig und zufrieden, was ſich freilich auf meine
beſondere Weiſe ausnehmen mochte.«

»Da geſchah es eines Tages, als ich unter
den ſchattigen Bäumen mir zu thun machte, daß
die Lydia innerhalb einer kurzen Stunde drei
Mal herkam, ohne daß ſie etwas da zu thun
oder auszurichten hatte. Das erſte Mal ſetzte
ſie ſich auf einen umgeſtürzten Korb und aß ein
kleines Körbchen voll rother Kirſchen auf, indem
ſie fortwährend mit mir plauderte und mich zum
Reden veranlaßte. Das andere Mal kam ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0071" n="59"/>
Veränderung dadurch mit mir vor, wenn ich mich<lb/>
recht ent&#x017F;inne, daß ich gegenüber dem Gouver¬<lb/>
neur ein wenig mehr auf mich hielt, ein wenig<lb/>
mehr den Soldaten hervorkehrte, der nichts als<lb/>
&#x017F;eine Pflicht kennt, und in meinen übrigen Dien&#x017F;<lb/>
lei&#x017F;tungen mehr den Schein der Unabhängigkeit<lb/>
wahrte, wie ich denn auch in keinerlei Lohnver¬<lb/>
hältniß zu ihm &#x017F;tand und nachdem die eigentliche<lb/>
Arbeit auf &#x017F;einem Büreau gethan, wofür ich<lb/>
be&#x017F;oldet war, alles übrige als ein guter Ver¬<lb/>
trauter mitmachte und nur, da es die Gelegen¬<lb/>
heit mit &#x017F;ich brachte, etwa mit ihm aß und trank.<lb/>
Und &#x017F;o war ich, wie &#x017F;chon ge&#x017F;agt, vollkommen<lb/>
ruhig und zufrieden, was &#x017F;ich freilich auf meine<lb/>
be&#x017F;ondere Wei&#x017F;e ausnehmen mochte.«</p><lb/>
        <p>»Da ge&#x017F;chah es eines Tages, als ich unter<lb/>
den &#x017F;chattigen Bäumen mir zu thun machte, daß<lb/>
die Lydia innerhalb einer kurzen Stunde drei<lb/>
Mal herkam, ohne daß &#x017F;ie etwas da zu thun<lb/>
oder auszurichten hatte. Das er&#x017F;te Mal &#x017F;etzte<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich auf einen umge&#x017F;türzten Korb und aß ein<lb/>
kleines Körbchen voll rother Kir&#x017F;chen auf, indem<lb/>
&#x017F;ie fortwährend mit mir plauderte und mich zum<lb/>
Reden veranlaßte. Das andere Mal kam &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0071] Veränderung dadurch mit mir vor, wenn ich mich recht entſinne, daß ich gegenüber dem Gouver¬ neur ein wenig mehr auf mich hielt, ein wenig mehr den Soldaten hervorkehrte, der nichts als ſeine Pflicht kennt, und in meinen übrigen Dienſt¬ leiſtungen mehr den Schein der Unabhängigkeit wahrte, wie ich denn auch in keinerlei Lohnver¬ hältniß zu ihm ſtand und nachdem die eigentliche Arbeit auf ſeinem Büreau gethan, wofür ich beſoldet war, alles übrige als ein guter Ver¬ trauter mitmachte und nur, da es die Gelegen¬ heit mit ſich brachte, etwa mit ihm aß und trank. Und ſo war ich, wie ſchon geſagt, vollkommen ruhig und zufrieden, was ſich freilich auf meine beſondere Weiſe ausnehmen mochte.« »Da geſchah es eines Tages, als ich unter den ſchattigen Bäumen mir zu thun machte, daß die Lydia innerhalb einer kurzen Stunde drei Mal herkam, ohne daß ſie etwas da zu thun oder auszurichten hatte. Das erſte Mal ſetzte ſie ſich auf einen umgeſtürzten Korb und aß ein kleines Körbchen voll rother Kirſchen auf, indem ſie fortwährend mit mir plauderte und mich zum Reden veranlaßte. Das andere Mal kam ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/71
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/71>, abgerufen am 22.11.2024.