vermöchte. Die europäischen Weiber dagegen, die ich sah, welche größtentheils aus Großbri¬ tannien herstammten, schienen schon eher wehr¬ haft zu sein, jedoch waren sie weniger gut und selbst wenn sie es waren, so betrieben sie die Güte und Ehrbarkeit wie ein abscheulich nüch¬ ternes und hausbackenes Handwerk, und selbst die edle Weiblichkeit, auf die sich diese selbstbe¬ wußten respektablen Weibchen so viel zu gut thaten, handhabten sie eher als Würzkrämer, denn als Weiber. Hier wird ein Quentchen ausgewogen und dort ein Quentchen, sorglich in die löschpapierne Düte der Philisterhaftigkeit ge¬ wickelt. Überdies war mir immer, als ob durch das Innerste aller dieser abendländischen Schönen und Unschönen ein tiefer Zug von Gemeinheit zöge, die Krankheit unserer Zeit, welche sie zwar nur von unserem Geschlechte, von uns Herren Europäern, überkommen konnten, aber die gerade bei den anderen wieder zu einem neuen verdoppelten Übel wird. Denn es sind üble Zeiten, wo die Geschlechter ihre Krankheiten aus¬ tauschen und eines dem anderen seine angeborenen Schwachheiten mittheilt. Dies waren so meine
vermöchte. Die europäiſchen Weiber dagegen, die ich ſah, welche größtentheils aus Großbri¬ tannien herſtammten, ſchienen ſchon eher wehr¬ haft zu ſein, jedoch waren ſie weniger gut und ſelbſt wenn ſie es waren, ſo betrieben ſie die Güte und Ehrbarkeit wie ein abſcheulich nüch¬ ternes und hausbackenes Handwerk, und ſelbſt die edle Weiblichkeit, auf die ſich dieſe ſelbſtbe¬ wußten reſpektablen Weibchen ſo viel zu gut thaten, handhabten ſie eher als Würzkrämer, denn als Weiber. Hier wird ein Quentchen ausgewogen und dort ein Quentchen, ſorglich in die löſchpapierne Düte der Philiſterhaftigkeit ge¬ wickelt. Überdies war mir immer, als ob durch das Innerſte aller dieſer abendländiſchen Schönen und Unſchönen ein tiefer Zug von Gemeinheit zöge, die Krankheit unſerer Zeit, welche ſie zwar nur von unſerem Geſchlechte, von uns Herren Europäern, überkommen konnten, aber die gerade bei den anderen wieder zu einem neuen verdoppelten Übel wird. Denn es ſind üble Zeiten, wo die Geſchlechter ihre Krankheiten aus¬ tauſchen und eines dem anderen ſeine angeborenen Schwachheiten mittheilt. Dies waren ſo meine
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vermöchte. Die europäiſchen Weiber dagegen,
die ich ſah, welche größtentheils aus Großbri¬
tannien herſtammten, ſchienen ſchon eher wehr¬
haft zu ſein, jedoch waren ſie weniger gut und
ſelbſt wenn ſie es waren, ſo betrieben ſie die
Güte und Ehrbarkeit wie ein abſcheulich nüch¬
ternes und hausbackenes Handwerk, und ſelbſt
die edle Weiblichkeit, auf die ſich dieſe ſelbſtbe¬
wußten reſpektablen Weibchen ſo viel zu gut
thaten, handhabten ſie eher als Würzkrämer,
denn als Weiber. Hier wird ein Quentchen
ausgewogen und dort ein Quentchen, ſorglich in
die löſchpapierne Düte der Philiſterhaftigkeit ge¬
wickelt. Überdies war mir immer, als ob durch
das Innerſte aller dieſer abendländiſchen Schönen
und Unſchönen ein tiefer Zug von Gemeinheit
zöge, die Krankheit unſerer Zeit, welche ſie
zwar nur von unſerem Geſchlechte, von uns
Herren Europäern, überkommen konnten, aber die
gerade bei den anderen wieder zu einem neuen
verdoppelten Übel wird. Denn es ſind üble
Zeiten, wo die Geſchlechter ihre Krankheiten aus¬
tauſchen und eines dem anderen ſeine angeborenen
Schwachheiten mittheilt. Dies waren ſo meine
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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/67>, abgerufen am 22.11.2024.
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