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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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sere gäbe es in der Welt. Ihre schönen blon¬
den Locken und die dunkelblauen Augen, die fast
immer ernst und frei in die Welt sahen, thaten
freilich auch das ihrige dazu, ja um so mehr,
als ihre Schönheit, so sehr sie imponirte, von
echt weiblicher Bescheidenheit und Sittsamkeit
durchdrungen war und dabei gänzlich den Ein¬
druck von etwas Einzigem und Persönlichem
machte, es war eben kurz und abermals gesagt:
eine Person. Das heißt, ich sage es schien so,
oder eigentlich, weiß Gott, ob es am Ende doch
so war und es nur an mir lag, daß es ein
solcher trügerischer Schein schien, kurz --"

Pankrazius vergaß hier weiter zu reden und
verfiel in ein schwermüthiges Nachdenken, wozu
er ein ziemlich unkriegerisches und beinahe ein¬
fältiges Gesicht machte. Die beiden Wachslichter
waren über die Hälfte heruntergebrannt, die
Mutter und die Schwester hatten die Köpfe ge¬
senkt und nickten, schon nichts mehr sehend noch
hörend, schlaftrunken mit ihren Köpfen, denn
schon seit Pankrazius die Schilderung seiner ver¬
muthlichen Geliebten begonnen, hatten sie ange¬
fangen schläfrig zu werden, ließen ihn jetzt gänz¬

ſere gäbe es in der Welt. Ihre ſchönen blon¬
den Locken und die dunkelblauen Augen, die faſt
immer ernſt und frei in die Welt ſahen, thaten
freilich auch das ihrige dazu, ja um ſo mehr,
als ihre Schönheit, ſo ſehr ſie imponirte, von
echt weiblicher Beſcheidenheit und Sittſamkeit
durchdrungen war und dabei gänzlich den Ein¬
druck von etwas Einzigem und Perſönlichem
machte, es war eben kurz und abermals geſagt:
eine Perſon. Das heißt, ich ſage es ſchien ſo,
oder eigentlich, weiß Gott, ob es am Ende doch
ſo war und es nur an mir lag, daß es ein
ſolcher trügeriſcher Schein ſchien, kurz —«

Pankrazius vergaß hier weiter zu reden und
verfiel in ein ſchwermüthiges Nachdenken, wozu
er ein ziemlich unkriegeriſches und beinahe ein¬
fältiges Geſicht machte. Die beiden Wachslichter
waren über die Hälfte heruntergebrannt, die
Mutter und die Schweſter hatten die Köpfe ge¬
ſenkt und nickten, ſchon nichts mehr ſehend noch
hörend, ſchlaftrunken mit ihren Köpfen, denn
ſchon ſeit Pankrazius die Schilderung ſeiner ver¬
muthlichen Geliebten begonnen, hatten ſie ange¬
fangen ſchläfrig zu werden, ließen ihn jetzt gänz¬

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[52/0064] ſere gäbe es in der Welt. Ihre ſchönen blon¬ den Locken und die dunkelblauen Augen, die faſt immer ernſt und frei in die Welt ſahen, thaten freilich auch das ihrige dazu, ja um ſo mehr, als ihre Schönheit, ſo ſehr ſie imponirte, von echt weiblicher Beſcheidenheit und Sittſamkeit durchdrungen war und dabei gänzlich den Ein¬ druck von etwas Einzigem und Perſönlichem machte, es war eben kurz und abermals geſagt: eine Perſon. Das heißt, ich ſage es ſchien ſo, oder eigentlich, weiß Gott, ob es am Ende doch ſo war und es nur an mir lag, daß es ein ſolcher trügeriſcher Schein ſchien, kurz —« Pankrazius vergaß hier weiter zu reden und verfiel in ein ſchwermüthiges Nachdenken, wozu er ein ziemlich unkriegeriſches und beinahe ein¬ fältiges Geſicht machte. Die beiden Wachslichter waren über die Hälfte heruntergebrannt, die Mutter und die Schweſter hatten die Köpfe ge¬ ſenkt und nickten, ſchon nichts mehr ſehend noch hörend, ſchlaftrunken mit ihren Köpfen, denn ſchon ſeit Pankrazius die Schilderung ſeiner ver¬ muthlichen Geliebten begonnen, hatten ſie ange¬ fangen ſchläfrig zu werden, ließen ihn jetzt gänz¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/64>, abgerufen am 23.11.2024.