sputete und so, statt in der neuen Welt zu blei¬ ben, in den ältesten träumerischen Theil unsrer Welt gerieth, in das uralte heiße Indien, und zwar in einem rothen Rocke, als ein stiller eng¬ lischer Soldat. Und ich kann nicht sagen, daß mir das neue Leben mißfiel, das schon auf dem großen Linienschiffe begann, auf welchem das Re¬ giment sich befand. Schon der Umstand, daß wir Alle, so viel wir waren, mit der größten Pünktlichkeit und Abgemessenheit ernährt wurden, indem Jeder seine Ration so sicher bekam, wie die Sterne am Himmel gehen, keiner mehr noch minder, als der andre, und ohne daß einer den andern beeinträchtigen konnte, behagte mir außer¬ ordentlich und um so mehr, als keiner dafür zu danken brauchte und alles nur unserm bloßen wohlgeordneten Dasein gebührte. Wenn wir Re¬ kruten auch schon auf dem Schiffe eingeschult wurden und täglich exerziren mußten, so gefiel mir doch diese Beschäftigung über die Maßen, da wir nicht das Bajonet herumschwenken mußten, um etwa mit Gewandtheit eine Kartoffel daran zu spießen, sondern es war lediglich eine reine Übung, welche mit dem Essen zunächst gar nicht
ſputete und ſo, ſtatt in der neuen Welt zu blei¬ ben, in den älteſten träumeriſchen Theil unſrer Welt gerieth, in das uralte heiße Indien, und zwar in einem rothen Rocke, als ein ſtiller eng¬ liſcher Soldat. Und ich kann nicht ſagen, daß mir das neue Leben mißfiel, das ſchon auf dem großen Linienſchiffe begann, auf welchem das Re¬ giment ſich befand. Schon der Umſtand, daß wir Alle, ſo viel wir waren, mit der größten Pünktlichkeit und Abgemeſſenheit ernährt wurden, indem Jeder ſeine Ration ſo ſicher bekam, wie die Sterne am Himmel gehen, keiner mehr noch minder, als der andre, und ohne daß einer den andern beeinträchtigen konnte, behagte mir außer¬ ordentlich und um ſo mehr, als keiner dafür zu danken brauchte und alles nur unſerm bloßen wohlgeordneten Daſein gebührte. Wenn wir Re¬ kruten auch ſchon auf dem Schiffe eingeſchult wurden und täglich exerziren mußten, ſo gefiel mir doch dieſe Beſchäftigung über die Maßen, da wir nicht das Bajonet herumſchwenken mußten, um etwa mit Gewandtheit eine Kartoffel daran zu ſpießen, ſondern es war lediglich eine reine Übung, welche mit dem Eſſen zunächſt gar nicht
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0054"n="42"/>ſputete und ſo, ſtatt in der neuen Welt zu blei¬<lb/>
ben, in den älteſten träumeriſchen Theil unſrer<lb/>
Welt gerieth, in das uralte heiße Indien, und<lb/>
zwar in einem rothen Rocke, als ein ſtiller eng¬<lb/>
liſcher Soldat. Und ich kann nicht ſagen, daß<lb/>
mir das neue Leben mißfiel, das ſchon auf dem<lb/>
großen Linienſchiffe begann, auf welchem das Re¬<lb/>
giment ſich befand. Schon der Umſtand, daß<lb/>
wir Alle, ſo viel wir waren, mit der größten<lb/>
Pünktlichkeit und Abgemeſſenheit ernährt wurden,<lb/>
indem Jeder ſeine Ration ſo ſicher bekam, wie<lb/>
die Sterne am Himmel gehen, keiner mehr noch<lb/>
minder, als der andre, und ohne daß einer den<lb/>
andern beeinträchtigen konnte, behagte mir außer¬<lb/>
ordentlich und um ſo mehr, als keiner dafür zu<lb/>
danken brauchte und alles nur unſerm bloßen<lb/>
wohlgeordneten Daſein gebührte. Wenn wir Re¬<lb/>
kruten auch ſchon auf dem Schiffe eingeſchult<lb/>
wurden und täglich exerziren mußten, ſo gefiel<lb/>
mir doch dieſe Beſchäftigung über die Maßen, da<lb/>
wir nicht das Bajonet herumſchwenken mußten,<lb/>
um etwa mit Gewandtheit eine Kartoffel daran<lb/>
zu ſpießen, ſondern es war lediglich eine reine<lb/>
Übung, welche mit dem Eſſen zunächſt gar nicht<lb/></p></div></body></text></TEI>
[42/0054]
ſputete und ſo, ſtatt in der neuen Welt zu blei¬
ben, in den älteſten träumeriſchen Theil unſrer
Welt gerieth, in das uralte heiße Indien, und
zwar in einem rothen Rocke, als ein ſtiller eng¬
liſcher Soldat. Und ich kann nicht ſagen, daß
mir das neue Leben mißfiel, das ſchon auf dem
großen Linienſchiffe begann, auf welchem das Re¬
giment ſich befand. Schon der Umſtand, daß
wir Alle, ſo viel wir waren, mit der größten
Pünktlichkeit und Abgemeſſenheit ernährt wurden,
indem Jeder ſeine Ration ſo ſicher bekam, wie
die Sterne am Himmel gehen, keiner mehr noch
minder, als der andre, und ohne daß einer den
andern beeinträchtigen konnte, behagte mir außer¬
ordentlich und um ſo mehr, als keiner dafür zu
danken brauchte und alles nur unſerm bloßen
wohlgeordneten Daſein gebührte. Wenn wir Re¬
kruten auch ſchon auf dem Schiffe eingeſchult
wurden und täglich exerziren mußten, ſo gefiel
mir doch dieſe Beſchäftigung über die Maßen, da
wir nicht das Bajonet herumſchwenken mußten,
um etwa mit Gewandtheit eine Kartoffel daran
zu ſpießen, ſondern es war lediglich eine reine
Übung, welche mit dem Eſſen zunächſt gar nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/54>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.