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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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wünsch ich tausendmal Glück, nun seid Ihr wie¬
der ein gemachter Mann und könnt gehen, wo
Ihr wollt, nachdem Ihr mancherlei erfahren!"

"Damit sind wir noch nicht zu Ende, sagte
Spiegel, der Mann muß seine Frau und seine
Goldgulden haben!"

"Seid Ihr von Sinnen, dem Schelm noch
wohlzuthun, der Euch das Fell abziehen wollte?"

"Ei, er hat es doch rechtlich und vertrags¬
mäßig thun können, und da ich ihn in gleicher
Münze wieder bedienen kann, warum sollt' ich
es unterlassen? Wer sagt denn, daß ich ihm
wohl thun will? Jene Erzählung war eine reine
Erfindung von mir, meine in Gott ruhende
Meisterin war eine simple Person, welche in ih¬
rem Leben nie verliebt, noch von Anbetern um¬
ringt war, und jener Schatz ist ein ungerechtes
Gut, das sie einst ererbt und in den Brunnen
geworfen hat, damit sie kein Unglück daran er¬
lebe. "Verflucht sei, wer es da herausnimmt
und verbraucht" sagte sie. "Es macht sich also
in Betreff des Wohlthuns?"

"Dann ist die Sache freilich anders! Aber
nun, wo wollt Ihr die entsprechende Frau her¬

Keller, die Leute von Seldwyla. 33

wünſch ich tauſendmal Glück, nun ſeid Ihr wie¬
der ein gemachter Mann und könnt gehen, wo
Ihr wollt, nachdem Ihr mancherlei erfahren!«

»Damit ſind wir noch nicht zu Ende, ſagte
Spiegel, der Mann muß ſeine Frau und ſeine
Goldgulden haben!«

»Seid Ihr von Sinnen, dem Schelm noch
wohlzuthun, der Euch das Fell abziehen wollte?«

»Ei, er hat es doch rechtlich und vertrags¬
mäßig thun können, und da ich ihn in gleicher
Münze wieder bedienen kann, warum ſollt' ich
es unterlaſſen? Wer ſagt denn, daß ich ihm
wohl thun will? Jene Erzählung war eine reine
Erfindung von mir, meine in Gott ruhende
Meiſterin war eine ſimple Perſon, welche in ih¬
rem Leben nie verliebt, noch von Anbetern um¬
ringt war, und jener Schatz iſt ein ungerechtes
Gut, das ſie einſt ererbt und in den Brunnen
geworfen hat, damit ſie kein Unglück daran er¬
lebe. »Verflucht ſei, wer es da herausnimmt
und verbraucht« ſagte ſie. »Es macht ſich alſo
in Betreff des Wohlthuns?«

»Dann iſt die Sache freilich anders! Aber
nun, wo wollt Ihr die entſprechende Frau her¬

Keller, die Leute von Seldwyla. 33
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[513/0525] wünſch ich tauſendmal Glück, nun ſeid Ihr wie¬ der ein gemachter Mann und könnt gehen, wo Ihr wollt, nachdem Ihr mancherlei erfahren!« »Damit ſind wir noch nicht zu Ende, ſagte Spiegel, der Mann muß ſeine Frau und ſeine Goldgulden haben!« »Seid Ihr von Sinnen, dem Schelm noch wohlzuthun, der Euch das Fell abziehen wollte?« »Ei, er hat es doch rechtlich und vertrags¬ mäßig thun können, und da ich ihn in gleicher Münze wieder bedienen kann, warum ſollt' ich es unterlaſſen? Wer ſagt denn, daß ich ihm wohl thun will? Jene Erzählung war eine reine Erfindung von mir, meine in Gott ruhende Meiſterin war eine ſimple Perſon, welche in ih¬ rem Leben nie verliebt, noch von Anbetern um¬ ringt war, und jener Schatz iſt ein ungerechtes Gut, das ſie einſt ererbt und in den Brunnen geworfen hat, damit ſie kein Unglück daran er¬ lebe. »Verflucht ſei, wer es da herausnimmt und verbraucht« ſagte ſie. »Es macht ſich alſo in Betreff des Wohlthuns?« »Dann iſt die Sache freilich anders! Aber nun, wo wollt Ihr die entſprechende Frau her¬ Keller, die Leute von Seldwyla. 33

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/525>, abgerufen am 29.11.2024.