Andern des höchsten Glückes theilhaftig zu erblicken, das es für mich geben könnte. Dieses habe ich erst in Euerer Abwesenheit verspürt und habe vor¬ her nicht gewußt, welch' eine strenge und un¬ heimliche Sache es ist um solche Liebe, wie ich zu Euch habe, sonst würde ich mich zweifelsohne besser davor gehütet haben. Da es aber ein¬ mal so ist, so wollte ich lieber meiner weltlichen Ehre und meiner geistlichen Seligkeit verloren und in die ewige Verdammniß eingehen als ein Meineidiger, denn noch einmal in Euerer Nähe erscheinen mit einem Feuer in der Brust, wel¬ ches stärker und unauslöschlicher ist, als das Höllenfeuer, und mich dieses kaum wird verspü¬ ren lassen. Betet nicht etwa für mich, schönstes Fräulein, denn ich kann und werde nie selig werden ohne Euch, sei es hier oder dort, und somit lebt glücklich und seid gegrüßt!" So hatte in dieser Schlacht, nach welcher König Franziskus sagte: "Alles verloren, außer der Ehre!" der unglückliche Liebhaber alles verloren, die Hoffnung, die Ehre, das Leben und die ewige Seligkeit, nur die Liebe nicht, die ihn verzehrte. Der Seldwyler kam glücklich davon,
Andern des höchſten Glückes theilhaftig zu erblicken, das es für mich geben könnte. Dieſes habe ich erſt in Euerer Abweſenheit verſpürt und habe vor¬ her nicht gewußt, welch' eine ſtrenge und un¬ heimliche Sache es iſt um ſolche Liebe, wie ich zu Euch habe, ſonſt würde ich mich zweifelsohne beſſer davor gehütet haben. Da es aber ein¬ mal ſo iſt, ſo wollte ich lieber meiner weltlichen Ehre und meiner geiſtlichen Seligkeit verloren und in die ewige Verdammniß eingehen als ein Meineidiger, denn noch einmal in Euerer Nähe erſcheinen mit einem Feuer in der Bruſt, wel¬ ches ſtärker und unauslöſchlicher iſt, als das Höllenfeuer, und mich dieſes kaum wird verſpü¬ ren laſſen. Betet nicht etwa für mich, ſchönſtes Fräulein, denn ich kann und werde nie ſelig werden ohne Euch, ſei es hier oder dort, und ſomit lebt glücklich und ſeid gegrüßt!« So hatte in dieſer Schlacht, nach welcher König Franziskus ſagte: »Alles verloren, außer der Ehre!« der unglückliche Liebhaber alles verloren, die Hoffnung, die Ehre, das Leben und die ewige Seligkeit, nur die Liebe nicht, die ihn verzehrte. Der Seldwyler kam glücklich davon,
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Andern des höchſten Glückes theilhaftig zu erblicken,
das es für mich geben könnte. Dieſes habe ich erſt
in Euerer Abweſenheit verſpürt und habe vor¬
her nicht gewußt, welch' eine ſtrenge und un¬
heimliche Sache es iſt um ſolche Liebe, wie ich
zu Euch habe, ſonſt würde ich mich zweifelsohne
beſſer davor gehütet haben. Da es aber ein¬
mal ſo iſt, ſo wollte ich lieber meiner weltlichen
Ehre und meiner geiſtlichen Seligkeit verloren
und in die ewige Verdammniß eingehen als ein
Meineidiger, denn noch einmal in Euerer Nähe
erſcheinen mit einem Feuer in der Bruſt, wel¬
ches ſtärker und unauslöſchlicher iſt, als das
Höllenfeuer, und mich dieſes kaum wird verſpü¬
ren laſſen. Betet nicht etwa für mich, ſchönſtes
Fräulein, denn ich kann und werde nie ſelig
werden ohne Euch, ſei es hier oder dort, und
ſomit lebt glücklich und ſeid gegrüßt!« So
hatte in dieſer Schlacht, nach welcher König
Franziskus ſagte: »Alles verloren, außer der
Ehre!« der unglückliche Liebhaber alles verloren,
die Hoffnung, die Ehre, das Leben und die
ewige Seligkeit, nur die Liebe nicht, die ihn
verzehrte. Der Seldwyler kam glücklich davon,
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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/508>, abgerufen am 23.11.2024.
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