beliefen? Auf zehn tausend Goldgulden! ant¬ wortete sie noch viel trauriger. Der junge traurige Kaufherr stand auf, ermahnte das Fräu¬ lein, guten Muthes zu sein, da sich gewiß ein Ausweg zeigen werde, und entfernte sich von ihr, ohne daß er sie anzusehen wagte, so sehr fühlte er sich betroffen und beschämt, daß er sein Auge auf eine Dame geworfen, die so treu und leidenschaftlich einen Andern liebte. Denn der Arme glaubte jedes Wort von ihrer Er¬ zählung wie ein Evangelium. Dann begab er sich ohne Säumniß zu seinen Handelsfreunden und brachte sie durch Bitten und Einbüßung einer gewissen Summe dahin, seine Bestellungen und Einkäufe wieder rückgängig zu machen, welche er selbst in diesen Tagen auch grad mit seinen zehntausend Goldgulden bezahlen sollte und worauf er seine ganze Laufbahn bauete, und ehe sechs Stunden verflossen waren, erschien er wieder bei dem Fräulein mit seinem ganzen Besitzthum und bat sie um Gotteswillen diese Aushülfe von ihm annehmen zu wollen. Ihre Augen funkelten vor freudiger Überraschung und ihre Brust pochte wie ein Hammerwerk; sie fragte ihn, wo er
beliefen? Auf zehn tauſend Goldgulden! ant¬ wortete ſie noch viel trauriger. Der junge traurige Kaufherr ſtand auf, ermahnte das Fräu¬ lein, guten Muthes zu ſein, da ſich gewiß ein Ausweg zeigen werde, und entfernte ſich von ihr, ohne daß er ſie anzuſehen wagte, ſo ſehr fühlte er ſich betroffen und beſchämt, daß er ſein Auge auf eine Dame geworfen, die ſo treu und leidenſchaftlich einen Andern liebte. Denn der Arme glaubte jedes Wort von ihrer Er¬ zählung wie ein Evangelium. Dann begab er ſich ohne Säumniß zu ſeinen Handelsfreunden und brachte ſie durch Bitten und Einbüßung einer gewiſſen Summe dahin, ſeine Beſtellungen und Einkäufe wieder rückgängig zu machen, welche er ſelbſt in dieſen Tagen auch grad mit ſeinen zehntauſend Goldgulden bezahlen ſollte und worauf er ſeine ganze Laufbahn bauete, und ehe ſechs Stunden verfloſſen waren, erſchien er wieder bei dem Fräulein mit ſeinem ganzen Beſitzthum und bat ſie um Gotteswillen dieſe Aushülfe von ihm annehmen zu wollen. Ihre Augen funkelten vor freudiger Überraſchung und ihre Bruſt pochte wie ein Hammerwerk; ſie fragte ihn, wo er
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0503"n="491"/>
beliefen? Auf zehn tauſend Goldgulden! ant¬<lb/>
wortete ſie noch viel trauriger. Der junge<lb/>
traurige Kaufherr ſtand auf, ermahnte das Fräu¬<lb/>
lein, guten Muthes zu ſein, da ſich gewiß ein<lb/>
Ausweg zeigen werde, und entfernte ſich von<lb/>
ihr, ohne daß er ſie anzuſehen wagte, ſo ſehr<lb/>
fühlte er ſich betroffen und beſchämt, daß er<lb/>ſein Auge auf eine Dame geworfen, die ſo treu<lb/>
und leidenſchaftlich einen Andern liebte. Denn<lb/>
der Arme glaubte jedes Wort von ihrer Er¬<lb/>
zählung wie ein Evangelium. Dann begab er<lb/>ſich ohne Säumniß zu ſeinen Handelsfreunden<lb/>
und brachte ſie durch Bitten und Einbüßung einer<lb/>
gewiſſen Summe dahin, ſeine Beſtellungen und<lb/>
Einkäufe wieder rückgängig zu machen, welche er<lb/>ſelbſt in dieſen Tagen auch grad mit ſeinen<lb/>
zehntauſend Goldgulden <choice><sic>bezahlten</sic><corr>bezahlen</corr></choice>ſollte und worauf<lb/>
er ſeine ganze Laufbahn bauete, und ehe ſechs<lb/>
Stunden verfloſſen waren, erſchien er wieder bei<lb/>
dem Fräulein mit ſeinem ganzen Beſitzthum und<lb/>
bat ſie um Gotteswillen dieſe Aushülfe von ihm<lb/>
annehmen zu wollen. Ihre Augen funkelten<lb/>
vor freudiger Überraſchung und ihre Bruſt<lb/>
pochte wie ein Hammerwerk; ſie fragte ihn, wo er<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[491/0503]
beliefen? Auf zehn tauſend Goldgulden! ant¬
wortete ſie noch viel trauriger. Der junge
traurige Kaufherr ſtand auf, ermahnte das Fräu¬
lein, guten Muthes zu ſein, da ſich gewiß ein
Ausweg zeigen werde, und entfernte ſich von
ihr, ohne daß er ſie anzuſehen wagte, ſo ſehr
fühlte er ſich betroffen und beſchämt, daß er
ſein Auge auf eine Dame geworfen, die ſo treu
und leidenſchaftlich einen Andern liebte. Denn
der Arme glaubte jedes Wort von ihrer Er¬
zählung wie ein Evangelium. Dann begab er
ſich ohne Säumniß zu ſeinen Handelsfreunden
und brachte ſie durch Bitten und Einbüßung einer
gewiſſen Summe dahin, ſeine Beſtellungen und
Einkäufe wieder rückgängig zu machen, welche er
ſelbſt in dieſen Tagen auch grad mit ſeinen
zehntauſend Goldgulden bezahlen ſollte und worauf
er ſeine ganze Laufbahn bauete, und ehe ſechs
Stunden verfloſſen waren, erſchien er wieder bei
dem Fräulein mit ſeinem ganzen Beſitzthum und
bat ſie um Gotteswillen dieſe Aushülfe von ihm
annehmen zu wollen. Ihre Augen funkelten
vor freudiger Überraſchung und ihre Bruſt
pochte wie ein Hammerwerk; ſie fragte ihn, wo er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/503>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.