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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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lich und artig behandelt worden. Da sie nun,
wie gesagt, nicht nur schön, sondern auch gut
von Herzen und fein von Sitten war, so ist es
nicht zu verwundern, daß der offene und frische
Jüngling, dessen Herz noch ganz frei und uner¬
fahren war, sich ebenfalls in sie verliebte und
das mit aller Kraft und Rückhaltlosigkeit, die in
seiner ganzen Natur lag. Aber vielleicht hätte
das nie Jemand erfahren, wenn er in seiner
Einfalt nicht aufgemuntert worden wäre durch
des Fräuleins Zuthulichkeit, welche er mit heim¬
lichem Zittern und Zagen für eine Erwiederung
seiner Liebe zu halten wagte, da er selber keine Ver¬
stellung kannte. Doch bezwang er sich einige Wochen
und glaubte die Sache zu verheimlichen; aber
Jeder sah ihm von Weitem an, daß er zum Sterben
verliebt war, und wenn er irgend in die Nähe
des Fräuleins gerieth oder sie nur genannt wurde,
so sah man auch gleich, in wen er verliebt
war. Er war aber nicht lange verliebt, sondern
begann wirklich zu lieben mit aller Heftigkeit
seiner Jugend, so daß ihm das Fräulein das
Höchste und Beste auf der Welt wurde, an
welches er ein für allemal das Heil und den

lich und artig behandelt worden. Da ſie nun,
wie geſagt, nicht nur ſchön, ſondern auch gut
von Herzen und fein von Sitten war, ſo iſt es
nicht zu verwundern, daß der offene und friſche
Jüngling, deſſen Herz noch ganz frei und uner¬
fahren war, ſich ebenfalls in ſie verliebte und
das mit aller Kraft und Rückhaltloſigkeit, die in
ſeiner ganzen Natur lag. Aber vielleicht hätte
das nie Jemand erfahren, wenn er in ſeiner
Einfalt nicht aufgemuntert worden wäre durch
des Fräuleins Zuthulichkeit, welche er mit heim¬
lichem Zittern und Zagen für eine Erwiederung
ſeiner Liebe zu halten wagte, da er ſelber keine Ver¬
ſtellung kannte. Doch bezwang er ſich einige Wochen
und glaubte die Sache zu verheimlichen; aber
Jeder ſah ihm von Weitem an, daß er zum Sterben
verliebt war, und wenn er irgend in die Nähe
des Fräuleins gerieth oder ſie nur genannt wurde,
ſo ſah man auch gleich, in wen er verliebt
war. Er war aber nicht lange verliebt, ſondern
begann wirklich zu lieben mit aller Heftigkeit
ſeiner Jugend, ſo daß ihm das Fräulein das
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welches er ein für allemal das Heil und den

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[485/0497] lich und artig behandelt worden. Da ſie nun, wie geſagt, nicht nur ſchön, ſondern auch gut von Herzen und fein von Sitten war, ſo iſt es nicht zu verwundern, daß der offene und friſche Jüngling, deſſen Herz noch ganz frei und uner¬ fahren war, ſich ebenfalls in ſie verliebte und das mit aller Kraft und Rückhaltloſigkeit, die in ſeiner ganzen Natur lag. Aber vielleicht hätte das nie Jemand erfahren, wenn er in ſeiner Einfalt nicht aufgemuntert worden wäre durch des Fräuleins Zuthulichkeit, welche er mit heim¬ lichem Zittern und Zagen für eine Erwiederung ſeiner Liebe zu halten wagte, da er ſelber keine Ver¬ ſtellung kannte. Doch bezwang er ſich einige Wochen und glaubte die Sache zu verheimlichen; aber Jeder ſah ihm von Weitem an, daß er zum Sterben verliebt war, und wenn er irgend in die Nähe des Fräuleins gerieth oder ſie nur genannt wurde, ſo ſah man auch gleich, in wen er verliebt war. Er war aber nicht lange verliebt, ſondern begann wirklich zu lieben mit aller Heftigkeit ſeiner Jugend, ſo daß ihm das Fräulein das Höchſte und Beſte auf der Welt wurde, an welches er ein für allemal das Heil und den

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/497>, abgerufen am 25.11.2024.