Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.Firste dunkel in den schönen Herbstabendhimmel Firſte dunkel in den ſchönen Herbſtabendhimmel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0480" n="468"/> Firſte dunkel in den ſchönen Herbſtabendhimmel<lb/> emporragten. Da ging der Mond über der<lb/> Stadt auf und warf ſeinen Schein auf die<lb/> ſchwarzen bemooſten Hohlziegel des alten Da¬<lb/> ches, ein lieblicher Geſang tönte in Spiegels<lb/> Ohren und eine ſchneeweiße Kätzin wandelte<lb/> glänzend über einen benachbarten Firſt weg.<lb/> Sogleich vergaß Spiegel die Todesausſichten, in<lb/> welchen er lebte, und erwiederte mit ſeinem ſchön¬<lb/> ſten Katerliede den Lobgeſang der Schönen. Er<lb/> eilte ihr entgegen und war bald im hitzigen<lb/> Gefecht mit drei fremden Katern begriffen, die<lb/> er muthig und wild in die Flucht ſchlug. Dann<lb/> machte er der Dame feurig und ergeben den<lb/> Hof und brachte Tag und Nacht bei ihr zu,<lb/> ohne an den Pineiß zu denken oder im Hauſe<lb/> ſich ſehen zu laſſen. Er ſang wie eine Nach¬<lb/> tigall die ſchönen Mondnächte hindurch, jagte<lb/> hinter der weißen Geliebten her über die Dä¬<lb/> cher, durch die Gärten, und rollte mehr als<lb/> einmal im heftigen Minneſpiel oder im Kampfe<lb/> mit den Rivalen über hohe Dächer hinunter und<lb/> fiel auf die Straße; aber nur um ſich aufzu¬<lb/> raffen, das Fell zu ſchütteln und die wilde Jagd<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [468/0480]
Firſte dunkel in den ſchönen Herbſtabendhimmel
emporragten. Da ging der Mond über der
Stadt auf und warf ſeinen Schein auf die
ſchwarzen bemooſten Hohlziegel des alten Da¬
ches, ein lieblicher Geſang tönte in Spiegels
Ohren und eine ſchneeweiße Kätzin wandelte
glänzend über einen benachbarten Firſt weg.
Sogleich vergaß Spiegel die Todesausſichten, in
welchen er lebte, und erwiederte mit ſeinem ſchön¬
ſten Katerliede den Lobgeſang der Schönen. Er
eilte ihr entgegen und war bald im hitzigen
Gefecht mit drei fremden Katern begriffen, die
er muthig und wild in die Flucht ſchlug. Dann
machte er der Dame feurig und ergeben den
Hof und brachte Tag und Nacht bei ihr zu,
ohne an den Pineiß zu denken oder im Hauſe
ſich ſehen zu laſſen. Er ſang wie eine Nach¬
tigall die ſchönen Mondnächte hindurch, jagte
hinter der weißen Geliebten her über die Dä¬
cher, durch die Gärten, und rollte mehr als
einmal im heftigen Minneſpiel oder im Kampfe
mit den Rivalen über hohe Dächer hinunter und
fiel auf die Straße; aber nur um ſich aufzu¬
raffen, das Fell zu ſchütteln und die wilde Jagd
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