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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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genehmsten ist?" "Wie! rief Pineiß, Du sollst
so leben, daß Du dick und rund wirst und nicht
Dich abjagen! Ich merke aber wohl, wo Du
hinauswillst! Du denkst mich zu äffen und hin¬
zuhalten, daß ich Dich in Ewigkeit in diesem
Mittelzustande herumlaufen lasse? Mit nichten
soll Dir das gelingen! Es ist Deine Pflicht,
zu essen und zu trinken und Dich zu pflegen,
auf daß Du dick werdest und Schmeer bekommst!
Auf der Stelle entsage daher dieser hinterlistigen
und kontraktwidrigen Mäßigkeit, oder ich werde
ein Wörtlein mit Dir sprechen!"

Spiegel unterbrach sein behagliches Spinnen,
das er angefangen, um seine Fassung zu be¬
haupten, und sagte: "Ich weiß kein Sterbens¬
wörtchen davon, daß in dem Contrakt steht, ich
solle der Mäßigkeit und einem gesunden Lebens¬
wandel entsagen! Wenn der Herr Stadthexenmeister
darauf gerechnet hat, daß ich ein fauler Schlem¬
mer sei, so ist das nicht meine Schuld! Ihr
thut tausend rechtliche Dinge des Tages, so
lasset dieses auch noch hinzukommen und uns
beide hübsch in der Ordnung bleiben; denn Ihr
wißt ja wohl, daß Euch mein Schmeer nur

genehmſten iſt?« »Wie! rief Pineiß, Du ſollſt
ſo leben, daß Du dick und rund wirſt und nicht
Dich abjagen! Ich merke aber wohl, wo Du
hinauswillſt! Du denkſt mich zu äffen und hin¬
zuhalten, daß ich Dich in Ewigkeit in dieſem
Mittelzuſtande herumlaufen laſſe? Mit nichten
ſoll Dir das gelingen! Es iſt Deine Pflicht,
zu eſſen und zu trinken und Dich zu pflegen,
auf daß Du dick werdeſt und Schmeer bekommſt!
Auf der Stelle entſage daher dieſer hinterliſtigen
und kontraktwidrigen Mäßigkeit, oder ich werde
ein Wörtlein mit Dir ſprechen!«

Spiegel unterbrach ſein behagliches Spinnen,
das er angefangen, um ſeine Faſſung zu be¬
haupten, und ſagte: »Ich weiß kein Sterbens¬
wörtchen davon, daß in dem Contrakt ſteht, ich
ſolle der Mäßigkeit und einem geſunden Lebens¬
wandel entſagen! Wenn der Herr Stadthexenmeiſter
darauf gerechnet hat, daß ich ein fauler Schlem¬
mer ſei, ſo iſt das nicht meine Schuld! Ihr
thut tauſend rechtliche Dinge des Tages, ſo
laſſet dieſes auch noch hinzukommen und uns
beide hübſch in der Ordnung bleiben; denn Ihr
wißt ja wohl, daß Euch mein Schmeer nur

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[466/0478] genehmſten iſt?« »Wie! rief Pineiß, Du ſollſt ſo leben, daß Du dick und rund wirſt und nicht Dich abjagen! Ich merke aber wohl, wo Du hinauswillſt! Du denkſt mich zu äffen und hin¬ zuhalten, daß ich Dich in Ewigkeit in dieſem Mittelzuſtande herumlaufen laſſe? Mit nichten ſoll Dir das gelingen! Es iſt Deine Pflicht, zu eſſen und zu trinken und Dich zu pflegen, auf daß Du dick werdeſt und Schmeer bekommſt! Auf der Stelle entſage daher dieſer hinterliſtigen und kontraktwidrigen Mäßigkeit, oder ich werde ein Wörtlein mit Dir ſprechen!« Spiegel unterbrach ſein behagliches Spinnen, das er angefangen, um ſeine Faſſung zu be¬ haupten, und ſagte: »Ich weiß kein Sterbens¬ wörtchen davon, daß in dem Contrakt ſteht, ich ſolle der Mäßigkeit und einem geſunden Lebens¬ wandel entſagen! Wenn der Herr Stadthexenmeiſter darauf gerechnet hat, daß ich ein fauler Schlem¬ mer ſei, ſo iſt das nicht meine Schuld! Ihr thut tauſend rechtliche Dinge des Tages, ſo laſſet dieſes auch noch hinzukommen und uns beide hübſch in der Ordnung bleiben; denn Ihr wißt ja wohl, daß Euch mein Schmeer nur

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/478>, abgerufen am 25.11.2024.