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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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chem Spiegel sie behutsam hervorziehen mußte,
wenn er diese Lustbarkeit einer nachgeahmten
Jagd genießen wollte. Das Becken des See's
aber füllte Pineiß alle Tage mit frischer Milch,
damit Spiegel in der süßen seinen Durst lösche,
und ließ gebratene Gründlinge darin schwimmen,
da er wußte, daß Katzen zuweilen auch die Fi¬
scherei lieben. Aber da nun Spiegel ein so
herrliches Leben führte, thun und lassen, essen
und trinken konnte, was ihm beliebte und wann
es ihm einfiel, so gedieh er allerdings zusehens
an seinem Leibe; sein Pelz wurde wieder glatt
und glänzend und sein Auge munter; aber zu¬
gleich nahm er, da sich seine Geisteskräfte in
gleichem Maße wieder ansammelten, bessere Sit¬
ten an, die wilde Gier legte sich, und weil er
jetzt eine traurige Erfahrung hinter sich hatte,
so wurde er nun klüger als zuvor. Er mäßigte
sich in seinen Gelüsten und fraß nicht mehr, als
ihm zuträglich war, indem er zugleich wieder
vernünftigen und tiefsinnigen Betrachtungen nach¬
ging und die Dinge wieder durchschaute. So
holte er eines Tages einen hübschen Kramets¬
vogel von den Ästen herunter, und als er den¬

chem Spiegel ſie behutſam hervorziehen mußte,
wenn er dieſe Luſtbarkeit einer nachgeahmten
Jagd genießen wollte. Das Becken des See's
aber füllte Pineiß alle Tage mit friſcher Milch,
damit Spiegel in der ſüßen ſeinen Durſt löſche,
und ließ gebratene Gründlinge darin ſchwimmen,
da er wußte, daß Katzen zuweilen auch die Fi¬
ſcherei lieben. Aber da nun Spiegel ein ſo
herrliches Leben führte, thun und laſſen, eſſen
und trinken konnte, was ihm beliebte und wann
es ihm einfiel, ſo gedieh er allerdings zuſehens
an ſeinem Leibe; ſein Pelz wurde wieder glatt
und glänzend und ſein Auge munter; aber zu¬
gleich nahm er, da ſich ſeine Geiſteskräfte in
gleichem Maße wieder anſammelten, beſſere Sit¬
ten an, die wilde Gier legte ſich, und weil er
jetzt eine traurige Erfahrung hinter ſich hatte,
ſo wurde er nun klüger als zuvor. Er mäßigte
ſich in ſeinen Gelüſten und fraß nicht mehr, als
ihm zuträglich war, indem er zugleich wieder
vernünftigen und tiefſinnigen Betrachtungen nach¬
ging und die Dinge wieder durchſchaute. So
holte er eines Tages einen hübſchen Kramets¬
vogel von den Äſten herunter, und als er den¬

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[461/0473] chem Spiegel ſie behutſam hervorziehen mußte, wenn er dieſe Luſtbarkeit einer nachgeahmten Jagd genießen wollte. Das Becken des See's aber füllte Pineiß alle Tage mit friſcher Milch, damit Spiegel in der ſüßen ſeinen Durſt löſche, und ließ gebratene Gründlinge darin ſchwimmen, da er wußte, daß Katzen zuweilen auch die Fi¬ ſcherei lieben. Aber da nun Spiegel ein ſo herrliches Leben führte, thun und laſſen, eſſen und trinken konnte, was ihm beliebte und wann es ihm einfiel, ſo gedieh er allerdings zuſehens an ſeinem Leibe; ſein Pelz wurde wieder glatt und glänzend und ſein Auge munter; aber zu¬ gleich nahm er, da ſich ſeine Geiſteskräfte in gleichem Maße wieder anſammelten, beſſere Sit¬ ten an, die wilde Gier legte ſich, und weil er jetzt eine traurige Erfahrung hinter ſich hatte, ſo wurde er nun klüger als zuvor. Er mäßigte ſich in ſeinen Gelüſten und fraß nicht mehr, als ihm zuträglich war, indem er zugleich wieder vernünftigen und tiefſinnigen Betrachtungen nach¬ ging und die Dinge wieder durchſchaute. So holte er eines Tages einen hübſchen Kramets¬ vogel von den Äſten herunter, und als er den¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/473>, abgerufen am 22.11.2024.