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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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chen der jungen Frösche, gleichsam nur der Pos¬
sierlichkeit wegen. Überdies machte er das Wet¬
ter in schwierigen Zeiten, überwachte mit seiner
Kunst die Hexen, und wenn sie reif waren, ließ
er sie verbrennen; für sich trieb er die Hexerei
nur als wissenschaftlichen Versuch und zum Haus¬
gebrauch, sowie er auch die Stadtgesetze, die er
redigirte und ins Reine schrieb, unter der Hand
probirte und verdrehte, um ihre Dauerhaftigkeit
zu ergründen. Da die Seldwyler stets einen
solchen Bürger brauchten, der alle unlustigen
kleinen und großen Dinge für sie that, so war
er zum Stadthexenmeister ernannt worden und
bekleidete dies Amt schon seit vielen Jahren mit
unermüdlicher Hingebung und Geschicklichkeit, früh
und spät. Daher war sein Haus von unten
bis oben vollgestopft mit allen erdenklichen Din¬
gen, und Spiegel hatte viel Kurzweil, Alles zu
besehen und zu beriechen.

Doch im Anfang gewann er keine Aufmerk¬
samkeit für andere Dinge, als für das Essen.
Er schlang gierig alles hinunter, was Pineiß
ihm darreichte, und mochte kaum von einer Zeit
zur andern warten. Dabei überlud er sich den

chen der jungen Fröſche, gleichſam nur der Poſ¬
ſierlichkeit wegen. Überdies machte er das Wet¬
ter in ſchwierigen Zeiten, überwachte mit ſeiner
Kunſt die Hexen, und wenn ſie reif waren, ließ
er ſie verbrennen; für ſich trieb er die Hexerei
nur als wiſſenſchaftlichen Verſuch und zum Haus¬
gebrauch, ſowie er auch die Stadtgeſetze, die er
redigirte und ins Reine ſchrieb, unter der Hand
probirte und verdrehte, um ihre Dauerhaftigkeit
zu ergründen. Da die Seldwyler ſtets einen
ſolchen Bürger brauchten, der alle unluſtigen
kleinen und großen Dinge für ſie that, ſo war
er zum Stadthexenmeiſter ernannt worden und
bekleidete dies Amt ſchon ſeit vielen Jahren mit
unermüdlicher Hingebung und Geſchicklichkeit, früh
und ſpät. Daher war ſein Haus von unten
bis oben vollgeſtopft mit allen erdenklichen Din¬
gen, und Spiegel hatte viel Kurzweil, Alles zu
beſehen und zu beriechen.

Doch im Anfang gewann er keine Aufmerk¬
ſamkeit für andere Dinge, als für das Eſſen.
Er ſchlang gierig alles hinunter, was Pineiß
ihm darreichte, und mochte kaum von einer Zeit
zur andern warten. Dabei überlud er ſich den

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[459/0471] chen der jungen Fröſche, gleichſam nur der Poſ¬ ſierlichkeit wegen. Überdies machte er das Wet¬ ter in ſchwierigen Zeiten, überwachte mit ſeiner Kunſt die Hexen, und wenn ſie reif waren, ließ er ſie verbrennen; für ſich trieb er die Hexerei nur als wiſſenſchaftlichen Verſuch und zum Haus¬ gebrauch, ſowie er auch die Stadtgeſetze, die er redigirte und ins Reine ſchrieb, unter der Hand probirte und verdrehte, um ihre Dauerhaftigkeit zu ergründen. Da die Seldwyler ſtets einen ſolchen Bürger brauchten, der alle unluſtigen kleinen und großen Dinge für ſie that, ſo war er zum Stadthexenmeiſter ernannt worden und bekleidete dies Amt ſchon ſeit vielen Jahren mit unermüdlicher Hingebung und Geſchicklichkeit, früh und ſpät. Daher war ſein Haus von unten bis oben vollgeſtopft mit allen erdenklichen Din¬ gen, und Spiegel hatte viel Kurzweil, Alles zu beſehen und zu beriechen. Doch im Anfang gewann er keine Aufmerk¬ ſamkeit für andere Dinge, als für das Eſſen. Er ſchlang gierig alles hinunter, was Pineiß ihm darreichte, und mochte kaum von einer Zeit zur andern warten. Dabei überlud er ſich den

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/471>, abgerufen am 22.11.2024.