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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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wären und es ihnen überließe, unter sich aus¬
zumachen, welcher dableiben und welche wandern
sollten. Aber sie machten nichts aus, sondern
standen da bleich wie der Tod und lächelten ei¬
ner den andern an; dann geriethen sie in eine
furchtbare Aufregung, da dies die verhängni߬
vollste Stunde war; denn die Ankündigung des
Meisters war ein sicheres Zeichen, daß er es
nicht lange mehr treiben und das Kammfabrikchen
endlich wieder käuflich würde. Also war das
Ziel, nachdem sie Alle gestrebt, nahe und glänzte
wie ein himmlisches Jerusalem, und zwei sollten
vor den Thoren desselben umkehren und ihm den
Rücken wenden. Ohne alle fürdere Rücksicht
erklärte Jeder, da bleiben zu wollen, und wenn
er ganz umsonst arbeiten müsse. Der Meister
konnte aber auch dies nicht brauchen und ver¬
sicherte sie, daß zwei von ihnen jedenfalls gehen
müßten; sie fielen ihm zu Füßen, sie rangen
die Hände, sie beschworen ihn und Jeder bat
insbesondere für sich, daß er ihn behalten möchte,
nur noch zwei Monate, nur noch vier Wochen.
Allein er wußte wohl, worauf sie spekulirten,
ärgerte sich darüber und machte sich mit ihnen

wären und es ihnen überließe, unter ſich aus¬
zumachen, welcher dableiben und welche wandern
ſollten. Aber ſie machten nichts aus, ſondern
ſtanden da bleich wie der Tod und lächelten ei¬
ner den andern an; dann geriethen ſie in eine
furchtbare Aufregung, da dies die verhängni߬
vollſte Stunde war; denn die Ankündigung des
Meiſters war ein ſicheres Zeichen, daß er es
nicht lange mehr treiben und das Kammfabrikchen
endlich wieder käuflich würde. Alſo war das
Ziel, nachdem ſie Alle geſtrebt, nahe und glänzte
wie ein himmliſches Jeruſalem, und zwei ſollten
vor den Thoren deſſelben umkehren und ihm den
Rücken wenden. Ohne alle fürdere Rückſicht
erklärte Jeder, da bleiben zu wollen, und wenn
er ganz umſonſt arbeiten müſſe. Der Meiſter
konnte aber auch dies nicht brauchen und ver¬
ſicherte ſie, daß zwei von ihnen jedenfalls gehen
müßten; ſie fielen ihm zu Füßen, ſie rangen
die Hände, ſie beſchworen ihn und Jeder bat
insbeſondere für ſich, daß er ihn behalten möchte,
nur noch zwei Monate, nur noch vier Wochen.
Allein er wußte wohl, worauf ſie ſpekulirten,
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[402/0414] wären und es ihnen überließe, unter ſich aus¬ zumachen, welcher dableiben und welche wandern ſollten. Aber ſie machten nichts aus, ſondern ſtanden da bleich wie der Tod und lächelten ei¬ ner den andern an; dann geriethen ſie in eine furchtbare Aufregung, da dies die verhängni߬ vollſte Stunde war; denn die Ankündigung des Meiſters war ein ſicheres Zeichen, daß er es nicht lange mehr treiben und das Kammfabrikchen endlich wieder käuflich würde. Alſo war das Ziel, nachdem ſie Alle geſtrebt, nahe und glänzte wie ein himmliſches Jeruſalem, und zwei ſollten vor den Thoren deſſelben umkehren und ihm den Rücken wenden. Ohne alle fürdere Rückſicht erklärte Jeder, da bleiben zu wollen, und wenn er ganz umſonſt arbeiten müſſe. Der Meiſter konnte aber auch dies nicht brauchen und ver¬ ſicherte ſie, daß zwei von ihnen jedenfalls gehen müßten; ſie fielen ihm zu Füßen, ſie rangen die Hände, ſie beſchworen ihn und Jeder bat insbeſondere für ſich, daß er ihn behalten möchte, nur noch zwei Monate, nur noch vier Wochen. Allein er wußte wohl, worauf ſie ſpekulirten, ärgerte ſich darüber und machte ſich mit ihnen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/414>, abgerufen am 26.11.2024.