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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Schlüssel die Züs Bünzlin allfort in der Tasche
trug. Die Person selbst hatte dünne röthliche
Haare und wasserblaue Augen, welche nicht ohne
Reiz waren und zuweilen sanft und weise zu
blicken wußten; sie besaß eine große Menge
Kleider, von denen sie nur wenige und stets die
ältesten trug, aber immer war sie sorgsam und
reinlich angezogen, und eben so sauber und auf¬
geräumt sah es in der Stube aus. Sie war
sehr fleißig und half ihrer Mutter bei ihrer
Wäscherei, indem sie die feineren Sachen plättete
und die Hauben und Manschetten der Seldwy¬
lerinnen wusch, womit sie einen schönen Pfennig
gewann; von dieser Thätigkeit mochte es auch
kommen, daß sie allwöchentlich die Tage hindurch,
wo gewaschen wurde, jene strenge und gemessene
Stimmung inne hielt, welche die Weiber immer
während einer Wäsche befällt, und daß diese
Stimmung sich in ihr festsetzte ein für allemal
an diesen Tagen; erst wenn das Glätten anging,
griff eine größere Heiterkeit Platz, welche bei
Züsi aber jederzeit mit Weisheit gewürzt war.
Den gemessenen Geist beurkundete auch die
Hauptzierde der Wohnung, ein Kranz von vier¬

Schlüſſel die Züs Bünzlin allfort in der Taſche
trug. Die Perſon ſelbſt hatte dünne röthliche
Haare und waſſerblaue Augen, welche nicht ohne
Reiz waren und zuweilen ſanft und weiſe zu
blicken wußten; ſie beſaß eine große Menge
Kleider, von denen ſie nur wenige und ſtets die
älteſten trug, aber immer war ſie ſorgſam und
reinlich angezogen, und eben ſo ſauber und auf¬
geräumt ſah es in der Stube aus. Sie war
ſehr fleißig und half ihrer Mutter bei ihrer
Wäſcherei, indem ſie die feineren Sachen plättete
und die Hauben und Manſchetten der Seldwy¬
lerinnen wuſch, womit ſie einen ſchönen Pfennig
gewann; von dieſer Thätigkeit mochte es auch
kommen, daß ſie allwöchentlich die Tage hindurch,
wo gewaſchen wurde, jene ſtrenge und gemeſſene
Stimmung inne hielt, welche die Weiber immer
während einer Wäſche befällt, und daß dieſe
Stimmung ſich in ihr feſtſetzte ein für allemal
an dieſen Tagen; erſt wenn das Glätten anging,
griff eine größere Heiterkeit Platz, welche bei
Züſi aber jederzeit mit Weisheit gewürzt war.
Den gemeſſenen Geiſt beurkundete auch die
Hauptzierde der Wohnung, ein Kranz von vier¬

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[386/0398] Schlüſſel die Züs Bünzlin allfort in der Taſche trug. Die Perſon ſelbſt hatte dünne röthliche Haare und waſſerblaue Augen, welche nicht ohne Reiz waren und zuweilen ſanft und weiſe zu blicken wußten; ſie beſaß eine große Menge Kleider, von denen ſie nur wenige und ſtets die älteſten trug, aber immer war ſie ſorgſam und reinlich angezogen, und eben ſo ſauber und auf¬ geräumt ſah es in der Stube aus. Sie war ſehr fleißig und half ihrer Mutter bei ihrer Wäſcherei, indem ſie die feineren Sachen plättete und die Hauben und Manſchetten der Seldwy¬ lerinnen wuſch, womit ſie einen ſchönen Pfennig gewann; von dieſer Thätigkeit mochte es auch kommen, daß ſie allwöchentlich die Tage hindurch, wo gewaſchen wurde, jene ſtrenge und gemeſſene Stimmung inne hielt, welche die Weiber immer während einer Wäſche befällt, und daß dieſe Stimmung ſich in ihr feſtſetzte ein für allemal an dieſen Tagen; erſt wenn das Glätten anging, griff eine größere Heiterkeit Platz, welche bei Züſi aber jederzeit mit Weisheit gewürzt war. Den gemeſſenen Geiſt beurkundete auch die Hauptzierde der Wohnung, ein Kranz von vier¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/398>, abgerufen am 27.11.2024.